Süddeutsche Zeitung

Urteil in München:Sexueller Missbrauch: Ex-Polizist muss mehr als vier Jahre in Haft

Der 60-Jährige aus dem Landkreis Starnberg hat mehrere Jahre lang Jugendliche sexuell missbraucht und pornografische Bilder an Jungen geschickt.

Von Christian Deussing

Mit gesenktem Blick hört sich der geständige Ex-Polizist das Urteil am Freitag im Landgericht München II an: vier Jahre und vier Monate Gefängnis wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und sexueller Nötigung sowie des Besitzes von kinder- und jugendpornografischen Bildern und Filmen, die er an Minderjährige verschickt hat. Der Angeklagte habe sich als höchst angesehene und vertrauenswürdige Person seit dem Jahr 2000 an pubertierende Jungen herangemacht, sich als Erziehungsberater aufgespielt, den väterlichen Freund gegeben und die Jugendlichen "angefüttert", um seine homophilen Neigungen zu befriedigen, erklärt die Vorsitzende Richterin Regina Holstein in ihrer Urteilsbegründung. Und er habe darauf vertraut, dass alle schweigen würden.

Doch es kam anders, denn eines seiner Opfer, ein früheres Mitglied der Tutzinger Jugendfeuerwehr, erstattete im vorigen Jahr Strafanzeige gegen den Mann, der zur Führung der Feuerwehr gehörte und auch in der Gilde, im Bläserchor und an der Heimatbühne tatkräftig mitwirkte. Die Richterin verweist in ihrem Urteil nicht nur auf die schlimmen Folgen für die Opfer der sexuellen Übergriffe, sondern auch auf die "massive Beschädigung von Ehrenämtern", die der Sexualstraftäter verursacht habe.

Es habe auch mit seinen Taten, bei denen er das Vertrauen seiner Opfer in der Feuerwehr, Musikgruppe und bei Segelkursen missbraucht hat, sein privates Umfeld beschädigt. Seine Töchter müssten mit einem zweigesichtigen Täter und Menschen leben. Die Ehefrau sei in Videos als Sexualobjekt degradiert worden und habe unwissentlich als "Vorlage zum Onanieren wildfremder junger Männern" gedient. Der Familienvater hat dem Gericht zufolge neben diesen Aufnahmen auch weitere Pornobilder und Hardcore-Videos an einen Jugendlichen nach einem Praktikum bei der Starnberger Polizei geschickt. Dort war der Hauptkommissar tätig, bevor er im März 2019 in Tutzing verhaftet und kurz darauf vom Dienst suspendiert wurde.

Die Richterin hält dem Angeklagte zugute, frühzeitig ein umfassendes Geständnis abgelegt und seine Opfer nicht als Lügner abgestempelt zu haben. Auch die Bereitschaft des 60-Jährigen, sich noch im Gefängnis einer Sexualtherapie unterziehen zu wollen, rechnet Holstein ihm positiv an. Dabei gehe es aber nicht darum, homosexuelle Neigungen zu negieren, sondern sich künftig nicht an Minderjährige zu vergehen, betont die Richterin. In dem Prozess haben Gutachter erläutert, dass der Angeklagte überdurchschnittlich intelligent und nicht pädophil sei.

Vor dem Urteil haben die Parteien ein Strafmaß ausgehandelt. In nicht öffentlichen Plädoyers hat der Staatsanwalt vier Jahre und zehn Monate Haft, die Verteidigung sieben Monate weniger gefordert. Mit der Entscheidung sei er zufrieden, sagt einer der Anwälte, Tom Heindl, der SZ. Sein Mandant habe "tatsächliche Reue gezeigt und sich glaubhaft entschuldigt". Das sieht auch die Jugendschutzkammer so - sie wisse aber auch, dass der Verurteilte als Sexualstraftäter und Ex-Polizisten in der Rangordnung unter Häftlingen eher unten stehe. Damit müsse er aber nun leben, sagt die Richterin.

Die Verhandlung hat auch der 52-jährige Bruder des Angeklagten besucht und sieht ihn erstmals nach neun Jahren wieder. Er sei entsetzt über die Taten und fühle mit den Opfern, sagt der Mann. Trotzdem will er seinem Bruder im Gericht am Ende des Prozesses die Hand geben und sich bei ihm verabschieden - doch eine Plexiglasscheibe verhindert diese Geste. Der Häftling winkt kurz und sagt zum Bruder: "Bleib hinten, alles gut."

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