Tutzing:Politische Inkorrektheit

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Prosit! Anke Foyle, Rolf Gottstein und Erika Schalper (v. l.) ziehen beim realsatirischen Stammtisch der Grünen in Tutzing vom Leder. (Foto: Nila Thiel)

Die Stammtisch-Satire der Grünen fällt recht brav aus

Von Marcella Rau, Tutzing

"Meine Tochter lass ich nicht mehr alleine Zug fahren - viel zu gefährlich. Da sind doch jetzt überall diese Fremden." Und außerdem: "Glyphosat. Ich versteh' gar nicht, was die alle haben, wegen dem Viech. Löwenzahn, der ist gefährlich, der hebt mir die ganzen Bodenplatten hoch." Derartige Parolen erwartet man vielleicht am Stammtisch. Auf dem eleganten Tutzinger Museumsschiff, das sich von Akkordeonklängen begleitet sanft auf dem Starnberger See wiegt, wirken sie mächtig deplatziert. Statt auf Bierfilz und Eichenholz thronen die Weißbiergläser der polternden Gäste auf einem in schickes Weiß gehüllten Stehtisch. Spätestens aber das im Hintergrund aufgestellte Banner verrät, dass das, was hier vorgetragen wird, so gar nicht ernst gemeint ist. Weiße Schrift auf grünem Grund, dazu eine Sonnenblume: Die Grünen haben zum realsatirischen Stammtisch geladen. Das Motto: "Des werd ma woi no sogn derfa!"

An diesem Stammtisch darf man sich alles von der Seele reden. Moral, Ethik, politische Korrektheit - all das gerät in der Bierlaune schnell in Vergessenheit. Unwahrheiten und Halbwissen werden fröhlich weiterverbreitet, wie die drei "Stammtischler" Anke Foyle, Rolf Gottstein und Erika Schalper in ihrer launischen Darstellung demonstrieren. Es wird ein wüster Ritt durch die verschiedensten Themen: Flüchtlinge, Flächenfraß, Klimaerwärmung, Cannabis. Allzu grob werden die drei dabei aber kaum. Man fürchtet fast, dass es da in so manchem realen Wirtshaus ganz anders zugeht. Ein kurzweiliger Einstieg in die anschließende Diskussion mit den beiden Landtagskandidatinnen Gisela Sengl und Anne Franke aber ist es allemal.

Gut gelaunt führen die beiden durch den restlichen Abend. Stimmkreiskandidatin Franke ergreift zunächst das Wort, um einige der soeben von den Darstellern vorgetragenen Themen ins rechte Licht zu rücken. Es geht um das Gautinger Gewerbegebiet, bei dem die Grünen eine kleinere Lösung an einem anderen Standort fordern, um Straßen, die saniert werden müssten, statt neu gebaut, und um die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Sengl, agrarpolitische Sprecherin der Partei, die mit ihrer bodenständig-bayerischen Art wohl auch so manchem echten Stammtisch-Grantler den Wind aus den Segeln nehmen könnte, warnt im Anschluss eindringlich davor, Themen wie den Klimawandel zu lange zu ignorieren. "Ich habe einfach Angst davor, dass es plötzlich zu spät ist, und wir nichts mehr machen können." Auch den Veggieday, der den Grünen während des Bundestagwahlkampfes einigen Hohn eingebracht hatte, verteidigt sie. Die Zeiten hätten sich schließlich geändert. "Selbst auf dem Rosenheimer Herbstfest gibt es heute Chiemgauer Urkorn-Risotto."

Die etwa 30 Zuschauer interessieren sich an diesem Abend die großen Themen: etwa Atommülllager - die Grünen sind für eine Standortsuche auch in Bayern -, erneuerbare Energien und das Polizeiaufgabengesetz.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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