Süddeutsche Zeitung

Verlagsjubiläum:Bewahrer des verdrehten Humors

Im Tutzinger Ortsteil Kampberg lebt Robert Wagner. Hier vertreibt er aus einer Wohnzimmerecke heraus als einziger Händler Karl-Valentin-Produkte. Besuch bei einem, der den Systemkritiker und Wortakrobaten unsterblich machen will.

Von Paul Wiese

Ein Schreibtisch mit Computer, Drucker und Lampe, daneben ein Regal, im Hintergrund ein Ständer gefüllt mit Postkarten. Es ist eine kleine Ecke seines Wohnzimmers, von der aus Robert Wagner Großes verfolgt. Hier betreibt der 64-Jährige - runde Brille, Vollbart - den "Huraxdax-Verlag". Als "Einzelkämpfer", wie er selbst sagt. Seit 30 Jahren vertreibt er hier im Tutzinger Ortsteil Kampberg T-Shirts, Bierkrüge, Tassen und Postkarten.

Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf einem allseits bekannten Komiker, Wortakrobaten, Meister des verdrehten Humors, und ja, auch Systemkritiker: Karl Valentin. Und so stehen in Wagners Büro Tassen mit dem legendären Spruch "Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut." Bierkrüge mit dem Konferfei des umtriebigen Künstlers. T-Shirts mit dem Aufdruck "Nieder mit dem Verstand, es lebe der Blödsinn". Seine selbst designten Hommagen an Karl Valentin gibt es in Buchhandlungen und den Münchner Pinakotheken. Wagner ist der Einzige mit den entsprechenden Rechten. "Das war Zufall", sagt er.

Begonnen hat Wagner vor 30 Jahren mit den Postkarten. Der gelernte Grafiker ließ Sprüche wie "die Erinnerung ist ein stures Wesen" auf Karten drucken und verkaufte sie - mit Erfolg, denn bis heute sind sie sein Hauptgeschäft. Über die Zeit erweiterte er das Sortiment. Neben Texten finden sich inzwischen auch Graffiti und Fotos bayerischer Seen auf den Karten. Die Bilder dafür bekommt er von einem befreundeten Fotografen, den er bei seiner früheren Arbeit in einem bekannten Verlagshaus kennengelernt hat.

Valentin sei in vielen Dingen ein Vorreiter gewesen, sagt Wagner

Steht man nun in Wagners Wohnzimmerbüro in seinem kleinen Haus am Rande von Tutzing und dreht einmal leicht am gefüllten Postkartenständer, trifft das Auge schnell auf den für die Bayern alten Bekannten Karl Valentin. Der Komiker und Autor lebte bis Mitte des 20. Jahrhunderts in München und Planegg und inspirierte mit seinen Auftritten gemeinsam mit seiner Bühnenpartnerin Liesl Karlstadt nicht nur sein Publikum.

Auch Wagner ist angetan von seinen Werken. Er spricht von einem Zeitgeist, der für Bayern stehe "und in vielen Dingen ein Vorreiter war". Einer seiner Lieblingssprüche: "Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch". Umso größer war die Freude, als auf einer Messe die Urenkelin Valentins auf ihn zukam und er so an die Rechte seiner Werke kam. Selbst hat er ihn nie getroffen, "leider", sagt Wagner. Als er geboren wurde, war Karl Valentin schon zehn Jahre tot.

Sein neuester Clou: ein Kalender mit Karl-Valentin-Sprüchen. "Der Welterste", sagt er

Seit nunmehr gut 15 Jahren produziert er also Karten und anderes mit Sprüchen und Bildern von Karl Valentin. Sein neuester Clou ist ein Wandkalender mit Motiven und Zitaten von ihm und seiner geliebten Liesl Karlstadt. Es sei der erste Karl Valentin-Kalender weltweit, sagt Wagner stolz, "und er ist zu 100 Prozent in Bayern hergestellt". Ein entsprechendes Emblem leuchtet rot auf dem Kalender, das gefalle den Kunden, so Wagner.

Auch ihm selbst ist wichtig, dass die Produkte in der Region hergestellt werden. "Die Tassen kommen zum Beispiel aus Schrobenhausen", nordwestlich von München also, sagt er. Die Druckerei ist in einem Nachbarort von Tutzing. "Ich setze mich mit der Druckerei zusammen und spreche über die Druckerzeugnisse. Man muss das mal in der Hand haben", erklärt er. Lediglich sein Vertrieb hat seinen Sitz in Norddeutschland.

Wagner selbst ist ein Kreativer. "Ich will immer meinen Dickschädel durchbringen", sagt er - selbstständiger Unternehmer eben. Schon als Kind malte und zeichnete er gern. Dass er den Verlag alleine betreibt, ist für ihn eher ein Vorteil: "Als Einzelkämpfer muss ich nicht so viele Kompromisse machen", sagt er und lacht. Über viele Jahre hat er ihn so aufgebaut nach dem Huraxdax-Prinzip: Es solle eben lustig zugehen. "Ich probiere immer wieder Neues aus", erklärt er, man wisse ja nie, was den Leuten gefalle. Wichtig sei ihm dabei, dass er für verschiedene Interessensgruppen Dinge anbiete. Die Vielseitigkeit sei ihm lieber als der Mainstream. "Es soll immer ein bissl bayerisch sein", sagt er, der selber ordentlich baiert in der Sprache.

Er will dafür sorgen, dass Karl Valentin nicht vergessen wird

Da kam ihm die Verbindung zu Karl Valentin gerade recht: "Es ist immer ein glücklicher Zufall, wenn man solche Rechte bekommt." Sprüche wie "Die Zukunft war früher auch besser" - so nennt Wagner auch seinen Kalender - passten besser denn je in die aktuelle Zeit, sagt er. Außerdem wolle er dafür sorgen, "dass Karl Valentin nicht vergessen wird". Mit seinem Humor, sagt er, sei Valentin Vorreiter in Bayern gewesen.

Nicht zuletzt die Verbundenheit zu München ist den beiden gemein. Der tiefgründige Humor und die Lebensfreude verbinden die beiden Bayern. Man müsse sich die Zeit nehmen, den Humor Valentins von damals zu verstehen, mahnt er. "In der schnelllebigen Zeit von heute gelingt das nicht allen." Trotz Corona, Energiekrise und stark gestiegener Papierpreise lacht er viel. Locker bleiben, den Humor nicht verlieren, das ist sein Weg. Er überlegt schon, auch 2024 wieder einen Karl-Valentin-Kalender auf den Markt zu bringen. "Das wäre dann der weltzweite", sagt er.

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