Verdacht auf sexuellen Missbrauch:Tatort Jugendfeuerwehr

Der beschuldigte Polizist aus Tutzing hat aus der Untersuchungshaft einen Entschuldigungsbrief an die Brandretter geschrieben. Dort soll es zu den meisten mutmaßlichen Taten gekommen sein.

Von Christian Deussing

Der Tutzinger Polizist, dem der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen vorgeworfen wird, sitzt weiterhin in einer Einzelzelle in Stadelheim in Untersuchungshaft. Die Ermittler haben zwischenzeitlich die Daten aus dem sichergestellten Handy und dem Computer des dringend Tatverdächtigen komplett ausgewertet. Dabei seien 81 kinder- und 39 jugendpornografische Bilder und Videos gefunden worden, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II auf Anfrage mit. Ermittelt werde gegen den Mann auch wegen sexueller Nötigung, wobei mindestens eines der mutmaßlichen Opfer zur Tatzeit unter 14 Jahre alt gewesen sei. Einem Jugendlichen waren nach Angaben der Strafverfolger mehr als 50 pornografische Fotos übersandt worden. Die meisten mutmaßlichen Taten sollen im Umfeld der Tutzinger Jugendfeuerwehr passiert sein.

Der inzwischen 59 Jahre Polizeibeamte, der fast zwei Jahrzehnte der Starnberger Wache angehörte und langjähriger Vorsitzender des Tutzinger Feuerwehrvereins gewesen war, ist laut seines Verteidigers "umfassend geständig" - und habe in dem Verfahren auch selbst Namen von Geschädigten genannt. Der Münchner Anwalt will daher nun erneut eine Haftverschonung bis zum Prozess beantragen, dessen Termin aber noch nicht feststeht. Er sehe in dem Fall keine Flucht- und Verdunkelungsgefahr mehr und angesichts einer drohenden, mehrjährigen Gefängnisstrafe wolle sein Mandant zuvor noch existenzielle Dinge als Familienvater regeln.

Dazu gehöre auch eine medizinische Untersuchung, um seinen Lkw-Führerschein zu verlängern und somit für die Zeit nach der Haft beruflich vorsorgen zu können, wie der Verteidiger erläutert. Seit der Verhaftung ist der Hauptkommissar vom Dienst suspendiert und hat wohl keine Chance mehr, später in den Polizeiberuf zurückzukehren.

Auch ein Weg zurück zur Tutzinger Feuerwehr ist verbaut. Das betont Kommandant Markus Kuisl und begründet dies mit dem gravierenden Vertrauensbruch in diesem Fall. Zudem gehe es um Glaubwürdigkeit, erklärt Kuisl, der den Tatverdächtigen seit 42 Jahren kennt. "Mir war aber nie etwas Verdächtiges aufgefallen", sagt der Kommandant noch immer enttäuscht und fassungslos. Denn auch im Schulungsraum seiner Feuerwehr soll es zu einem sexuellen Übergriff gekommen sein. Kuisl denkt jetzt aber darüber nach, mit dem einstigen Vorsitzenden des Feuerwehrvereins, ein "klärendes Gespräch" zu führen - sofern dies möglich sein sollte.

Der Beschuldigte hat vor Kurzem seinem Nachfolger im Feuerwehrverein, Boris Wolff, einen Entschuldigungsbrief aus der Haft geschrieben. Das bestätigt Wolff, will sich dazu jedoch nicht weiter äußern: Es handle sich um ein "internes und privates Schreiben". Wolff kennt die einstige Führungskraft in der Feuerwehr seit Jahrzehnten; von der Verhaftung im März und den Anschuldigungen sei er überrascht worden. Wolff will erst den Prozess abwarten und stellt klar, dass für den Verdächtigten "solange die Unschuldsvermutung" gelte, bis es ein rechtskräftiges Urteil gebe.

Das betont ebenso Michael Polednik, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes Starnberg, der dem Tutzinger Polizisten im vorigen Jahr das Ehrenzeichen in Gold für seine hervorragenden Verdienste im Feuerwehrwesen überreicht hatte. Ob der 59-Jährige wegen der Vorwürfe die Medaille nun zurückgeben muss, sollen die 14 Mitglieder des Ausschusses im Kreisfeuerwehrverbandes entscheiden.

Der inhaftierte Polizist war früher auch Jugendwart der Tutzinger Feuerwehr, in Vereinen aktiv und Reisebegleiter beim Kreisjugendring gewesen. Seinen Fall löste im Februar die Strafanzeige eines 33-jährigen Mannes im Raum Augsburg aus, an dem sich der Tatverdächtige vor mehr als 15 Jahren vergangen haben soll. Danach ermittelte Kripo weitere Fälle, unter anderem auch den mutmaßlichen sexuellen Übergriff des Beamten auf einem Starnberger Polizeiboot. Nach der Verhaftung des Beamten gab es Infoveranstaltungen der Feuerwehr und Gemeinde Tutzing mit Experten, um über Prävention von sexueller Gewalt und Missbrauchs aufzuklären.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: