Ortsgestaltung:Frustration an der Dauerbaustelle

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So sieht momentan die Einmündung in die Greinwaldstraße aus. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit fünf Jahren wird die Tutzinger Hauptstraße saniert, zum Jahresbeginn 2025 soll sie wieder befahrbar sein. Geschäftsleute und Anwohner können sich kaum freuen – zu groß waren die Einbußen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Tutzing

Die gute Nachricht zuerst: Die Bauarbeiten am derzeit gesperrten Teilstück an der Hauptstraße in Tutzing sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein. Die Umleitung wird aufgehoben und die Straße wieder befahrbar. Von 2025 an wird es eine halbseitige Sperrung geben, die durch Ampelschaltung geregelt wird. Für die Gewerbetreibenden ist das allerdings zu spät. Das Weihnachtsgeschäft könnten sie vergessen, monierten sie bei der Baustellenbesichtigung am Freitag, zu der Bürgermeister Ludwig Horn (CSU) eingeladen hatte.

Seit fünf Jahren wird die Tutzinger Hauptstraße saniert. Auch wenn am Ende alles schöner wird, etwa durch viel Grün, einer Laufachse zum See oder weniger Lärm durch Flüsterasphalt – während der Bauphase sind die Hauptleidtragenden die Gewerbetreibenden und die Anwohner. Und weil sich alles verzögert, verlieren sie allmählich die Geduld; denn es geht um ihre Existenz. Sie klagen über massive finanzielle Einbußen. „Wir wohnen hier, wir arbeiten hier, wir haben eine massive Beeinträchtigung“, fasste der Inhaber eines Sportgeschäfts, Thomas Thallmair, die Problematik zusammen. Zu Roland Krykorka, Inhaber eines Blumengeschäfts, hätten Kunden gesagt: „Da komme ich nicht mehr nach Tutzing.“ Eine Teilnehmerin bemängelte, dass Kunden in Weilheim ohne zu murren durch die etwa einen Kilometer lange Fußgängerzone laufen würden, aber in Tutzing nicht zu Fuß zu den Geschäften gingen. Die Geschäftsleute gaben ihr recht, aber davon haben sie nichts.

Oliver Lutz von der gleichnamigen Metzgerei bekomme zwar keine negativen Kommentare zu hören, dennoch blieben seine Kunden weg, wie er bedauerte. Er bezifferte seine Umsatzeinbußen zwischen 300 und 500 Euro pro Tag. Nach Angaben von Magdalena Eberl von der Parfümerie Wiedemann wurde schon mehrmals das Wasser abgestellt, ohne dass dies vorab angekündigt worden sei. Dadurch würden besonders die Kosmetikbehandlungen massiv erschwert. Andere Teilnehmer berichten von zugeparkten Einfahrten oder dass Autoreifen und Stoßdämpfer beschädigt werden, weil sie schon jahrelang über die unebenen Baustellen fahren müssen. Manche zeigten auch Galgenhumor. Die einzigen Gewerbetreibenden, die derzeit gute Geschäfte in Tutzing machen würden, seien die Autowerkstätten. „Einer muss ja gewinnen“, witzelt ein Anwohner.

Knapp 25 Tutzinger waren der Einladung des Bürgermeisters gefolgt und sie zeigen sich enttäuscht von der vergleichsweisen geringen Resonanz. Insbesondere, dass sich kein Vertreter der Aktionsgemeinschaft Tutzinger Gewerbetreibenden blicken ließ, wurde kritisiert. Das sei schon sehr massiv, meint Krykorka enttäuscht.

Bürgermeister Ludwig Horn zeigt Verständnis für die Belange der Anwohner. Nach Auskunft des Rathauschefs sind die Firmen zwar stets um Lösungen bemüht; dennoch sollten sich Betroffene an das Rathaus wenden; man werde sich darum kümmern, betonte er.

Verkehrsinseln werden von den Gewerbetreibenden kritisch gesehen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Ebenso wie die geplante Begrünung mit Bäumen und Magerwiesen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zur Begehung hat er Pläne mitgebracht, die zeigen, wie die Ortsmitte neu gestaltet wird. Die Leute stecken die Köpfe zusammen, um sie einzusehen. Die Meinungen gingen auseinander, was tatsächlich als Verbesserung angesehen wird. Als Horn erklärte, wo überall Bäume gepflanzt werden sollen, wurde kritisiert, dass sie zu viel Laub abwerfen. Bäume seien zwar aufwendig zu pflegen, entgegnet Horn. Aber in ein paar Jahrzehnten würden sie Schatten spenden. Den Gemeinderatsbeschluss, wonach entlang der Bürgersteige Magerwiesen gesät werden sollen, nannte ein Teilnehmer hinter vorgehaltener Hand „Ökoscheiße“.

Auch dass die Straße zu einer Seite hin abgesenkt wird, wurde kritisch gesehen. Ein Anwohner befürchtete Überschwemmungen bei Starkregen. Doch wie Horn erklärte, soll das durch eine erhöhte Anzahl an Straßenabläufen verhindert werden. Die Verkehrsinsel vor dem Andechser Hof wurde ebenfalls skeptisch gesehen, weil dadurch die Fahrbahnen nur noch die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbreite haben.

Durchwegs positiv wurde aufgenommen, dass das Bauvorhaben neben dem Sportgeschäft noch nicht umgesetzt wird. Denn dadurch würden sich die bestehenden Verkehrsprobleme durch die Baustellen-Lkws verstärken. Auch der Platz gegenüber soll laut Horn „einen höheren Aufenthaltscharakter“ bekommen. Noch gibt es keinen Namen für den Platz, der von den Tutzingern Stachus genannt wird. Horn plant, dass der sich Gemeinderat im kommenden Jahr einen Namen überlegen soll und hat die Teilnehmer schon einmal um Vorschläge gebeten. Die meisten meinen, es soll bei dem Namen Stachus bleiben.

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