Süddeutsche Zeitung

Lustige Schülersprüche und Fehler:"Dann fiel er ins Komma"

Der langjährige Direktor des Gymnasiums Tutzing, Bruno Habersetzer, hat Stilblüten, fantasievolle Entschuldigungen und Wortschöpfungen seiner Schüler gesammelt. Nun macht er ein Buch daraus.

Von Manuela Warkocz

Als Lehrer ging Bruno Habersetzer unter die Sammler. Akribisch hat der langjährige Direktor des Tutzinger Gymnasiums Stilblüten von Schülern in mehreren Notizheften aufgeschrieben, fantasievolle Entschuldigungen und Anekdoten festgehalten. Viele Aphorismen stammen aus Habersetzers Zeit an der Europäischen Schule in Brüssel, als er Deutsch als Fremdsprache unterrichtete. Im vergangenen Sommer ging der Oberstudiendirektor in Tutzing in Pension. Jetzt schreibt er die Erinnerungen an sein Schulleben auf, geplant ist ein Buch. Dabei nennt er selbstverständlich keine Namen und schützt die Privatsphäre aller Erwähnten.

Habersetzer erzählt im Gespräch mit der SZ, wie eine Schülerin der Oberstufe ihre Absenz in seinem Deutschkurs entschuldigt hat: Sie habe mit ihrem Windhund Rasputin just zur Zeit der Deutschstunde einen Termin im Hundesalon gehabt. Und ihre Anwesenheit beim Hundefriseur sei einfach unabdingbar gewesen.

In einem Aufsatz philosophierte ein Schüler über Geld und befand: "Geld macht nicht glücklich, aber man kann immer einen größeren Fernseher brauchen." Auch bei einem anderen ging es ums Geld: "Ein unvergesslicher Abend kann dem Geldbeutel den letzten Nerv rauben." Ein Mittelschüler hat ein Patentrezept für die Liebe. Er schrieb: "Die Liebe ist kompliziert. Ein Sprichwort sagt: Augen zu und durch." Sehr gut gefallen Habersetzer bis heute neue Wortschöpfungen wie diese: "Wenn wir die Probleme lösen wollen, müssen wir die Welt weiter entwinkeln." Oder: "Ich werde nun versuchen, eine sinngerächte Interpretation zu geben." Ein anderes Bonmot aus Schülermund könnte sich jeder übers Bett heften: "Das Leben ist zu kurz, um nicht glücklich zu sein."

Dass ein einziger Buchstabe einen ganz neuen Sinn ergeben kann, zeigt sich an diesen Sätzen: "Dann fiel er ins Komma." Und: "Wie geht es euch? - Danke, wir füllen uns gut." Das Direktorat an der internationalen Schule in Brüssel blieb von ähnlichen Kalamitäten auch nicht verschont. Dort wurde "Diplôme de Baccalauréat" auf Deutsch als "Zeugnis der Reifenprüfung" übersetzt und auf die Formulare gedruckt. "Was doch ein kleines 'n' ausmacht", schmunzelt Habersetzer. "Die Zeugnisse mussten eingezogen und neu erstellt werden, ohne 'n'."

Ein "archaisches Verhalten" sieht der Pädagoge darin, wie ein Schüler sich seiner schlechten Note entledigt hat. Der riss vom Schulaufgabenblatt die Ecke mit Note sechs kurzerhand ab, stopfte sie sich in den Mund und aß sie auf. Klarer Fall von Feind vernichten aus Sicht des Schülers. Aus Sicht des Lehrers eine Dokumentenbeschädigung. Und Auslöser für einen Tadel oder Verweis, so genau weiß Habersetzer das nicht mehr.

Was sich im Lauf der Jahre geändert hat, sind die Ausreden für unerledigte Arbeiten und das Spicken, so die Beobachtung des 64-jährigen Chronisten. Haben Schüler früher behauptet, sie konnten Hausaufgaben nicht machen, weil sie ihr Buch in der Schule vergessen haben, heißt es heute: "Ich hab' die Email vom Lehrer nicht bekommen, in der er die Themen bekannt gegeben hat." Oder die Festplatte ist abgestürzt, und es gibt kein Handout fürs Referat, weil der Drucker nicht ging.

Um Spicken zu verhindern, müssen Schülerinnen und Schüler heute bei Prüfungen generell ihre Uhren abliefern. "Denn Smartwatches sind ein neues Problem." Habersetzer selbst baute als Schüler noch auf ein klassisches System. Als in einer Geografie-Probe der Rhein und seine Städte anstanden, skizzierte er sich mit Kuli den Fluss samt Feinheiten vom Oberrhein bis zur Mündung auf den Arm. Während der Prüfung schob sich Klein-Bruno den Ärmel höher und höher hinauf - bis der Lehrer einschritt. Diese Probe ging den Bach runter. Habersetzer hat Verständnis dafür, dass Spicken beim Nachbarn oder Vordermann oft eine Panikreaktion kurz vor dem Abgeben des Blattes ist. Noch eine Vokabel erhaschen, eine Zahl. Kriegen Lehrer das aber mit, sind sie gehalten, einzuschreiten. Denn Noten müssen an bayerischen Schulen bis heute auf individueller Leistung beruhen. Für den Schulleiter a. D. prallen da zwei Welten aufeinander: "Spicken - dieses verharmlosende Wort aus der Schülersprache steht dem unheimlichen amtsdeutschen Begriff Unterschleif gegenüber, der in der Schulordnung verwendet wird und natürlich in Verweisen Verwendung findet."

Da sind Eltern not amused. Obwohl sie schon am ersten Schultag des Sprösslings am Gymnasium etwas über eine Art von Verweis gelernt haben könnten. Zumindest eine Mutter. "Begrüßung der neuen Schüler und Eltern, Riesenzauber, Aufteilung in die einzelnen Klassen", wie Habersetzer das Empfangsritual beschreibt. "Dann kommt der schwierige Moment. Der Bub wendet sich seinem Klassenzimmer zu und sagt zur Mutter: ,Du musst jetzt tapfer sein, ich gehe jetzt rein.'"

Als Habersetzers Zeit an der Brüsseler Schule endete, erhielt er eine ganz besondere schriftliche Verabschiedung, die auf einer Verwechslung mit "Tschüss" beruhen dürfte: "Auf Wiederzehn, Hair Habersetzer, und schuss."

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Quelle:
SZ vom 08.02.2020
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