Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Es geht voran im Ortskern

Die Planungen für das neue Dorfzentrum der Seegemeinde an der Hauptstraße 39 erreichen eine neue Phase. Die Gemeinderäte stimmen den Entwürfen von Stadtplaner Florian Burgstaller einstimmig zu

Von Linus Freymark, Tutzing

Es ist kurz vor 20 Uhr am Dienstagabend, als die Tutzinger Gemeinderäte kollektiv mit den Fingerknöcheln auf ihre Holztische klopfen. Die Kommunalpolitiker haben da gerade eine richtungsweisende Entscheidung für die Gestaltung des Tutzinger Ortskerns getroffen: Die Planungen für das neue Dorfzentrum an der Hauptstraße 39 können Fahrt aufnehmen - und zwar auf einer Planungsgrundlage, die nah dran ist am ursprünglichen Entwurf, den Stadtplaner Florian Burgstaller dem Gemeinderat Anfang Dezember präsentiert hatte. Im Ortskern soll ein von der Hauptstraße zurückgesetztes, dreistöckiges Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss entstehen. In dem Gebäude sollen im Erdgeschoss Gewerbeflächen entstehen, nach Vorstellung der Gemeinderäte sollen dort Einzelhändler oder Nahversorger Platz finden. In den oberen Geschossen sollen Wohnungen entstehen, ein Teil davon soll dank einer EOF-Förderung auch für Menschen ohne Spitzengehälter erschwinglich sein. Zudem planen die Verantwortlichen vor dem Gebäude einen öffentlich zugänglichen Platz mit viel Grün.

Einzig in der Höhe gab es nun noch einmal eine Veränderung, anstatt der ursprünglich avisierten 14,50 Meter wird das Anwesen nach der neuen Vorlage nur noch 13,50 Meter messen. Der Beschluss des Gemeinderats bedeutet jedoch nicht, dass der endgültige Entwurf bereits feststeht - vielmehr dient die Entscheidung als Planungsgrundlage, an denen sich Architekt und die Projektentwickler Felix Wittmann und Christoph Grill von der Imeno GmbH orientieren müssen.

Mit dem Beschluss vom Dienstag endet eine längere Debatte über die Gestaltung des neuen Ortskerns, der auf dem Gelände des ehemaligen Tengelmann- beziehungsweise Edeka-Marktes sowie des Gemischtwarenladens Kohlen-Müller entstehen soll. Denn nach der Vorstellung der ersten Planungsvariante im Dezember hatten mehrere Gemeinderäte Bedenken angemeldet. Das Gebäude sei so hoch, dass die Sicht auf die Kirchtürme von St. Josef von der Marienstraße aus beeinträchtigt werde, so die Befürchtung. Daraufhin war Burgstaller beauftragt worden, niedrigere Varianten zu erarbeiten. Am Dienstag stellte er in der Gemeinderatssitzung drei neue Optionen vor. Schnell wurde dabei klar: eine weitere Reduzierung der Höhe würde auf Kosten der Nutzfläche gehen. Denn außer des nun beschlossenen Vorschlags wäre eine niedrigere Planung laut Burgstaller nur möglich gewesen, wenn man entweder auf einen Ausbau des Dachgeschosses oder ein Stockwerk verzichtet hätte.

Dies hätte jedoch zur Folge gehabt, dass man teilweise auf den in Tutzing so dringend benötigten Wohnraum mitten im Zentrum hätte verzichten müssen - ein Szenario, das auch die zuvor skeptischen Gemeinderäte schnell für die nun durchgewunkene Variante stimmen ließ. Als um kurz vor acht die Fingerknöchel auf die Tische trommeln, ist der Beschluss einstimmig gefasst worden. Ein Ergebnis, das Bürgermeisterin Marlene Greinwald (Freie Wähler) zufrieden stimmt. Greinwald hatte von Beginn an die nun beschlossene Variante befürwortet, dass nun auch der Gemeinderat geschlossen hinter dem Projekt steht, sei sehr erfreulich, sagte sie der SZ am Rande der Sitzung.

Mit dem Beschluss endet vorerst die Debatte um die Gestaltung des Tutzinger Ortskerns, die ein Dilemma widerspiegelt, das viele Gemeinden beschäftigt. Zum einen ist der Wohnraum knapp, in Tutzing fehlt es vor allem an bezahlbaren Wohnungen für junge Familien sowie an Ein- und Zwei-Zimmer-Apartments. Andererseits sollen Neubauten keinesfalls zu wuchtig ausfallen, die Angst vor einer "Verschandelung" des eigenen Heimatortes ist bei Vielen groß. In Tutzing scheint man nun einen Kompromiss gefunden zu haben, mit dem die allermeisten leben können. Die Höhe wurde zwar reduziert, jedoch nicht auf Kosten der Nutzfläche. Dass die Planungen nun vorangetrieben werden können, ist ebenfalls ein wichtiges Signal, denn in Tutzing haben sie in der Vergangenheit keine allzu guten Erfahrungen mit groß angekündigten Bauprojekten gemacht.

Die Grundstücke des Seehofs sowie des Andechser Hofs liegen seit Jahren brach, die Bebauung zieht sich. Auch vor diesem Hintergrund hatten Kommunalpolitiker auf eine schnelle Entscheidung für das Anwesen an der Hauptstraße 39 gepocht. Das Areal sei "ein ganz, ganz wichtiger Platz im Ortskern von Tutzing", sagte Greinwald. Deshalb sei es wichtig voranzukommen. Das ist nun möglich, läuft alles nach Plan könnten die Planungen für das Areal im Herbst dieses Jahres abgeschlossen sein. Dann könnte mit dem Bau begonnen werden - schätzungsweise eineinhalb Jahre später wäre dann der neue Ortskern fertig.

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SZ vom 20.01.2022
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