Krippenspiel zum Nachdenken:Weihnachtlicher Star mit Höcker

Ein Kamel und ein improvisiertes Krippenspiel bescheren der evangelischen Christuskirche in Tutzing ein volles Haus. Das moderne Stück dreht sich um Konsum und thematisiert Fremdenfeindlichkeit. Und alle Kinder dürfen einmal auf Ali sitzen.

Von Sofie Henghuber

Wer eine halbe Stunde vor Beginn in der evangelischen Christuskirche ist, kann gerade noch einen Sitzplatz ergattern. An den Seiten und hinter den Sitzbänken stehen die Leute in mehreren Reihen dicht aneinander, 250 Besucher dürften es insgesamt sein. Die Zuschauer sind an diesem Sonntag nicht nur aus Tutzing, sondern auch aus Feldafing, Pöcking und Starnberg gekommen. Senioren, Ordensschwestern, Familien und Bürgermeisterin Marlene Greinwald sind unter den Gästen. Alle wollen das Krippenspiel bestaunen und einen Blick auf das angekündigte Kamel Tamara erhaschen.

So viel sei verraten, niemand wird Tamara an dem Abend zu Gesicht bekommen - merken wird es aber kaum einer.

Das Schauspiel war zunächst auf dem Platz vor dem Gotteshaus geplant, wegen des Wetters wurde es ins Innere verlegt. Die große Kameldame samt Reiter passte aber nicht durch den Eingang, daher hat Konstantin Klages, Inhaber des Hofs "Bayern-Kamele", den kleineren siebenjährigen Wallach Ali mitgenommen.

Pfarrerin Beate Frankenberger, Ideengeberin des Tutzinger Krippenspiels, eröffnet den Abend. "Es menschelt sehr in der Weihnachtszeit", sagt sie und kann kaum glauben, wie viele in ihrer Kirche zusammengekommen sind. Frankenberger bittet um Verständnis für etwaige Fehler im Stück, da die fünf Schauspielerinnen alle keine Profis seien. Es stellt sich als nicht notwendig heraus, die Darstellerinnen performen das moderne Stück souverän.

Tutzing: ST. Christus: Lebendes Krippenspiel

Während Kamelwallach Ali und sein Besitzer Konstantin Klages bereichern das Krippenspiel optisch.

(Foto: Nila Thiel)

In Rot gekleidet betreten Pia Benke, Maria Kärcher, Brigitte Kienzle, Magdalena Rabas und Erika Schalper die Bühne und nehmen ihre Rollen als einsame, verlorene Menschen ein. Jede spricht in Wiederholungsschleife vor sich her. Zu hören ist: "Ich gegen dich, nehmen, nehmen, nehmen.". Oder: "Mehr haben wollen, immer mehr". Ein Lichtfleck erscheint auf der Bühne, und eine Stimme aus dem Off verkündet, dass Gott gekommen ist, um Schmerz und Schwere zu nehmen.

Als wäre man backstage mit dabei, kommentieren die Frauen jeden ihrer Rollenwechsel. Als Maria in die Wehen kommt, sagt Josef, "jetzt stell dich doch nicht so an". Einigen Zuschauern entlocken die Dialoge ein Lachen. Das Stück hat auch klare Botschaften: Fremdenfeindlichkeit wird thematisiert. "Zugewanderte wollen wir nicht", sagt der Herbergsvater zu Maria, "so schlechte Erfahrung mit Neuem gemacht" hat auch der Schäfer, bevor der in klarer Kinderstimme singende Engel, gespielt von Sara Hafner, den Heiland verkündet. Als einer der Heiligen Könige samt Kamel die Kirche betritt, kommt Bewegung in die Kinder. Eines nach dem anderen eilt nach vorne, um besser sehen zu können. Auch die Erwachsenen können angesichts des orientalisch geschmückten Kamels kaum sitzen bleiben.

Tutzing: ST. Christus: Lebendes Krippenspiel

Die Schauspielerinnen glänzen an diesem Abend in vielen verschiedenen Rollen.

(Foto: Nila Thiel)

Zum Abschluss des Krippenspieles verkünden die Schauspieler auch dem Volk, den Zuschauern also, die frohe Botschaft. Körbe mit goldenen Briefrollen werden durch die Reihen gereicht. Zu lesen sind zwölf verschiedene Texte, sagt Regisseurin Annalena Maas. Die Botschaften sind die eigenen Wünsche der Beteiligten zu Weihnachten. Auf dem glitzernden Papier stehen Sätze wie "Ich schenke dir, dass du so sein darfst, wie du bist" oder "Ich schenke dir neue Erfahrungen und Ideen".

Die freie Regisseurin ist der Gemeinde sehr verbunden und kennt die Pfarrerin gut. Deshalb hat sie bei dem Krippenspiel ihre ehrenamtliche Unterstützung angeboten. Das Stück ist durch Improvisation entstanden: "Jeder der Schauspieler hat seinen Text selbst erarbeitet - gesprochen wird, wie man sich wohlfühlt."

Und diese Authentizität nimmt man dem Stück auch ab. Während Maria Kärcher in humorvoller bayerischer Mundart redet, spricht Brigitte Kienzle ihren Text in klarem Hochdeutsch. Kienzle, die als Ersatz eingesprungen war, beschreibt den Abend in einem Satz: "Es war, wie Weihnachten gehört - erfüllend."

Tutzing: ST. Christus: Lebendes Krippenspiel

Die junge Tutzingerin Sara Hafner erfreut die Zuschauer sowohl mit klarem Gesang als auch mit engelsgleicher Aura.

(Foto: Nila Thiel)

Nach viel Applaus lädt die Pfarrerin zu Gulaschsuppe und Glühwein ein. Für die Kinder kommt nun der Höhepunkt, denn Kameltreiber Klages lässt jeden, der möchte, auf Ali sitzen. "Kamele bringt nichts aus der Ruhe, für Ali ist das alles keine Belastung. Davon können wir uns als Menschen noch einiges abschauen", findet er.

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