Tutzing:Vom Wegbereiter Hitlers zum Widerstandskämpfer

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Die Historikerin Valerie Riedesel spricht in der Tutzinger Rathaustenne über ihren Großvater Cäsar von Hofacker. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Vor 80 Jahren wurde Cäsar von Hofacker von den Nationalsozialisten hingerichtet, nachdem ein Umsturz gescheitert war. Eine Enkelin zeichnet in einem Buch den Weg ihres Großvaters nach.

Von Katja Sebald, Tutzing

Die Rathaustenne war am Freitagabend bis auf den letzten Platz gefüllt. Es war der 20. Dezember, auf den Tag genau achtzig Jahre nach der Hinrichtung des Widerstandskämpfers Cäsar von Hofacker durch die Nationalsozialisten. Seine Enkelin Valerie Riedesel hielt einen Vortrag über Hofackers „Umkehr vom nationalistischen

Irrweg“. Wie schon ihr Onkel Alfred von Hofacker vor einigen Jahren hat die Historikerin Valerie Riedesel, Jahrgang 1964, in ihrem jüngst erschienenen Buch noch einmal den Weg ihres Großvaters vom Wegbereiter für und zum Widerstandskämpfer gegen Adolf Hitler nachgezeichnet.

Der 1896 geborene Cäsar von Hofacker war als Sohn des württembergischen Generalleutnants Eberhard von Hofacker im deutschen Kaiserreich aufgewachsen. Er war eng mit Tutzing verbunden, wo er ausgedehnte Ferien bei seiner Großmutter Anna von Hofacker verbrachte. Als ältester Enkel erbte er nach ihrem Tod 1928 das „Buchenhaus“, bewohnte es jedoch nie dauerhaft. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs war er als Freiwilliger in das vormals von seinem Vater befehligte Ulanen-Regiment „König Wilhelm I.“ eingetreten.

Nach dem Krieg und nach seiner Rückkehr aus französischer Kriegsgefangenschaft entschied er sich für ein Studium der Rechtswissenschaften. 1925 wurde er zum Dr. jur. promoviert, seit 1927 war er Mitarbeiter und seit 1938 Prokurist der Vereinigten Stahlwerke in Berlin. 1931 war er dem Stahlhelmbund der Frontsoldaten beigetreten. Als Reserveoffizier wurde von Hofacker im August 1939 zur Wehrmacht eingezogen. Nach der Besetzung Frankreichs 1940 war er in der deutschen Militärverwaltung in Paris tätig. Durch seinen Freund Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg seit 1942 über die militärische Verschwörung gegen Hitler unterrichtet, ließ er sich 1943 in den persönlichen Stab von General Carl-Heinrich von Stülpnagel versetzen. Er stellte die Verbindung zwischen der militärischen Opposition in Paris und der Widerstandsgruppe in Berlin um seinen Vetter Claus Schenk Graf von Stauffenberg her.

Cäsar von Hofacker wurde nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 als Mitverschwörer hingerichtet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Am 20. Juli 1944 war Hofacker mit Stülpnagel für den Umsturz in Frankreich verantwortlich, der immerhin für einige Stunden gelang. Nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler wurde Cäsar von Hofacker in Paris verhaftet, am 30. August 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 20. Dezember 1944 in Berlin-Plötzensee ermordet. Vor dem Volksgerichtshof hatte er sich in vollem Umfang zu seiner Beteiligung an den Umsturzplänen bekannt. Mit seiner Argumentation, er habe dabei mit dem gleichen Recht gehandelt wie Adolf Hitler am 9. November 1923, brachte er den geifernden Richter Roland Freisler in Rage, erläuterte Riedesel.

 Ihr Großvater sei jedoch keineswegs Gegner des Nationalsozialismus der ersten Stunde gewesen, betonte sie. Wie auch in ihrem Buch „Der Flieger im Widerstand“ zeichnete sie in ihrem Vortrag Hofackers Entwicklung nach, für ihre Recherche konnte sie auch auf private Briefe zurückgreifen. Während des Jurastudiums habe er sich im rechtskonservativen Hochschulring radikalisiert. Er habe sich explizit für eine Diktatur ausgesprochen. Für das lärmende Vorgehen der Nationalsozialisten habe er zwar wenig Verständnis gehabt, von Adolf Hitler jedoch sei er zunächst geradezu begeistert gewesen. Mit seinem Eintritt in die NSDAP habe er die Hoffnung verbunden, „mitgestalten zu können und nicht nur am Rande zu sehen und rumzumäkeln“, erläuterte sie. Wie viele andere habe er damals das Gefühl gehabt, es gehe aufwärts mit Deutschland.

Die ganze Familie Hofacker: Neben der Autorin (mit Buch) stehen die Kinder Cäsar von Hofackers, Liselotte und Alfred von Hofacker. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

 Im Verlauf des Krieges sei ihm das Unrecht bewusst geworden, während der Besatzungszeit in Paris sei es ihm immer schwerer gefallen, dort die deutsche Politik zu vertreten. Riedesel berichtete, ihr Großvater habe sich gegen Erschießungen und Deportationen von Juden eingesetzt, seine Distanzierung zum Regime sei immer größer geworden. In einem seiner Briefe an seine Frau schrieb er: „Es ist zum Verzweifeln, zum ersten Mal in meinem Leben muss ich mich zwingen, nicht Stimmungen tiefster Depression nachzugeben.“ Im Briefwechsel mit seiner Tochter Anna-Luise habe er sich nicht nur als sehr zugewandter Vater gezeigt, auch seine Wiederannäherung an den christlichen Glauben als Orientierung offenbare sich darin.

Seit 1927 war Cäsar von Hofacker mit Ilse Lotte Pastor verheiratet, aus der Ehe waren fünf Kinder hervorgegangen: Der erstgeborene Eberhard kam 1928 zur Welt. Valerie Riedesels Mutter Anna-Luise wurde ein Jahr später geboren. Im Jahr 1932 folgte Christa, 1935 wurde Alfred geboren und 1938 als jüngste Liselotte. Wenige Tage nach der Verhaftung ihres Mannes wurde Ilse Lotte von Hofacker zusammen mit ihren beiden älteren Kindern, Eberhard und Anna-Luise, von der SS in „Sippenhaft“ genommen, die drei jüngeren kamen in ein Kinderheim. Am 6. Januar 1945 nahm der damals 16-jährige Eberhard von Hofacker im KZ Stutthof einen Brief entgegen, der die Mitteilung enthielt, dass sein Vater kurz vor Weihnachten hingerichtet worden sei. Ab 1947 lebte die Familie Ilse Lotte von Hofacker mit ihren Kindern im „Buchenhaus“ in Tutzing, sie starb 1974. Zum Vortrag ihrer Enkelin am Todestag Cäsar von Hofackers waren nicht nur der Sohn Alfred, die Tochter Liselotte und die Schwiegertochter Adda von Hofacker gekommen, sondern auch eine ganze Reihe der insgesamt 17 Enkel.

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