Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Brustmanns Sammelsurium

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Der Wolfratshauser, Gewinner des Deutschen Kabarett-Sonderpreises, gibt in Tutzing sein Programm "Fuchs-Treff", das viel mit ihm und eher wenig mit Füchsen zu tun hat

Von Gerhard Summer, Tutzing

Eine Jugend in Wolfratshausen, das muss schlimm gewesen sein, so eingezwängt zwischen CSU und Gebirgsschützenkompanie. Andererseits aber auch prägend, denn Josef Brustmann ist einigen Menschen begegnet, die immer noch seine Kabarettprogramme bevölkern, ja an ihm kleben wie Tesafilm. Zum Beispiel der Totengräber Toni Tretter, der so schön dichtete und dem Kaminkehrer auf den Grabstein schrieb: "Er kehrt nie wieder". Oder der Vogelstimmenimitator Franz Supf, der sich mit Käuzchen unterhielt, und natürlich die Kathi. Die Kathi war seine erste große Liebe, sie hieß Summer-Kathi, weil sie beim Küssen summte. Heute lebt die Kathi in L.A., ihr ausgesetzter Goldfisch namens Hemingway schwimmt wahrscheinlich immer noch in der Isar im Kreis. Und trotzdem und vielleicht gerade deshalb muss man sagen: Früher war vieles besser, sogar in Wolfratshausen.

Was darf man von einem Gewinner des Deutschen Kabarettpreises erwarten? Zumindest doch, dass sein angeblich neues Programm "Fuchs-Treff - nix für Hasenfüße" tatsächlich neu ist und irgendwas mit Füchsen zu tun hat. Doch Brustmann, der vergangene Woche mit dem Sonderpreis 2015 ausgezeichnet worden ist, schert sich am Sonntag im Tutzinger Roncallihaus wenig um solche Kleinigkeiten. Der Fuchs-Treff beginnt so, wie womöglich alle Brustmann-Solos beginnen: mit Toni Tretter und etlichen Kalauern zum Warmwerden (spricht der Sohn zum Vater: "Geh endlich ins Altenheim, es is ja ned für immer"). Und tatsächlich dreht sich das Ganze dann weniger um Füchse als ums Schlausein im Allgemeinen und um Brustmann im Besonderen. Das ist natürlich kein Fehler. Wahrscheinlich hätte Brustmann sein Programm auch "Wolfratshausen privat" oder "Josefs Allerlei" nennen können- und herausgekommen wäre eine genauso vogelwilde Mischung.

Das ist ja das Phänomenale an diesem ruhig und besonnen wirkenden Künstler, der ordentlich Gitarre und sehr gekonnt Zither spielt, gern auch mal verzerrt: dass es ihm gelingt, ein kühnes, wie improvisiert wirkendes Sammelsurium so stark zu verdichten, dass am Ende aberwitzige Unterhaltung entsteht. Brustmann baut alles ein, was nicht bei drei auf den Bäumen ist: kleine Anekdoten und größere Geschichten, flache, flapsige, absurde und wirklich lustige Sprüche ("Haben Sie noch Restalkohol?", fragt der Polizist. Brustmann: "Ich hasse diese Bettelei"), derbe Gstanzl zur Ziehharmonika genauso wie ein herzerfrischendes Beatles-Cover auf der Zither ("Across the universe"). Er holt eine Zuhörerin auf die Bühne, spielt mit ihr das Münchner Glockenspiel mit Kuhglocken nach und dirigiert dazu den Publikumschor. Er albert herum, was das Zeug hält, gibt ein Volkslied zum Besten, das ein gewisser Peter Walcher aus Wolfratshausen angeblich den Mapuche-Indianern beigebracht hat, und schwadroniert darüber, was heute alles mehr oder minder ausgestorben ist, nämlich Kinderspiele wie das Kammerfensterln und der Geschmack. Nebenbei erzählt er, wie es einem Pfarrer gelungen ist, mit der Aufforderung zum Friedensgruß eine ganze stramm stehende Gebirgsschützenkompanie zu entwaffnen. Brustmann entgeht nichts - ob es um die unsägliche Werbung für das Seitenbacher-Müsli geht, um die Happy Hour bei Pfister-Brot oder um angegraute Pfarrer-Witze. Anders gesagt: Dieser Kabarettist breitet in zwei Stunden auch jede Menge Schamott aus, doch dazwischen finden sich immer wieder Perlen.

Gut, die politischen Anmerkungen sind jetzt vielleicht nicht seine größte Stärke. Stoiber kommt natürlich vor, dem nicht mal eine Sackgasse in Wolfratshausen gewidmet ist, Horst Seehofer auch. Generell findet Brustmann, dass Politiker Betrüger sind und die Banker längst das Sagen haben. Sie seien heute die "großen Adler", die Politiker nur noch die grauen Mäuschen. Das ist jetzt nicht ganz so neu. Aber wenn es darum geht, die Geschichte von dem Kameltreiber, der in der Wüste vor einer roten Fußgängerampel anhält, immer irrwitziger voranzutreiben, kommt ein ganz anderer Brustmann zum Vorschein. Das ist dann wunderbares Kabarett, eine Nummer, die keine platten Sprüche braucht. Zwei Seelen wohnen, ach, in diesem Brustmann, wenn nicht mehr!

Am Ende liest der Wolfratshauser noch ein paar schwierige Fragen vor. Eine der schönsten: Mal angenommen, ein Mann hat eine Meinung und seine Frau steht zufällig nicht neben ihm - hat er dann trotzdem unrecht? Rauschender Applaus.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2015
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