Tutzing:Beschwerliche Bahnfahrt

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Rüdiger Bollig ist auf den Rollstuhl angewiesen. Und damit ist ihm der Einstieg in Züge in Tutzing verwehrt

Gerhard Summer

Rollstuhlfahrer Rüdiger Bollig Tutzing Rollstuhlfahrer Rüdiger Bollig am neuen Tutzinger Bahnsteig (Foto: STA Franz X. Fuchs)

TutzingMit der Bahn von A nach B zu kommen, ist manchmal schwierig, für Schwerbehinderte um so mehr. Rüdiger Bollig, 47, aus Unterzeismering hat da so seine Erfahrungen gemacht. Seit einem schweren Lkw-Unfall vor sieben Jahren ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Und auf Bahnreisen in sein Heimatland Schleswig-Holstein wurde er eigenen Angaben nach schon in den falschen Zug gesetzt, respektlos behandelt oder in Nürnberg wieder nach Hause geschickt, weil das mit dem Mobilitätsservice nicht funktionierte. "Ich hab' so einen Hals, ich brauch' nur DB zu hören", sagt Bollig, der seit zwei Jahren in dem Tutzinger Ortsteil lebt. Derzeit fährt er fast besser mit einem gutmütigen Nachbarn oder dem Taxi, wenn er einen Arzttermin in München hat oder seine Freundin in Starnberg besuchen muss. Denn von Tutzing aus die S-Bahn oder den Regionalzug zu erreichen, ist für Behinderte schwierig geworden.

Rollstuhlfahrer Rüdiger Bollig Tutzing Rollstuhlfahrer Rüdiger Bollig am neuen Tutzinger Bahnsteig (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Seit diesem Frühjahr baut die DB die alte Station für 3,7 Millionen Euro barrierefrei aus. S-Bahn-Passagiere können deshalb nicht mehr den Hausbahnsteig nutzen, sondern müssen auf Gleis 2 oder 3 ausweichen. Und dieser Mittelbahnsteig ist nur über Treppen zu erreichen, die bereits eingebauten Fahrstühle sind noch nicht in Betrieb. Keine Chance also für einen Rollstuhlfahrer wie Bollig. "Das geht seit vier Wochen so", sagt er, wann die Aufzüge funktionieren, ist ungewiss. Bauabnahme soll am 15. Dezember sein. Bollig könnte natürlich auf die Regionalbahn ausweichen, die am Hausbahnsteig hält - allerdings nur theoretisch. Denn um in ältere Züge zu gelangen, ist er darauf angewiesen, dass zwei Mitarbeiter des Mobilitätsservice eine Rampe auslegen; die gibt es aber in Tutzing nicht, wie die Behindertenbeauftragte des Landkreises, Petra Veronika Seidl, auf Anfrage bestätigt. Und wer hofft, wenigstens mit dem Bus zu den barrierefreien Bahnhöfen Possenhofen oder Starnberg Nord zu kommen, erlebt die nächste Enttäuschung: Eine solche Buslinie existiert nicht. "Wir leben doch im 21. Jahrhundert, das kann's alles nicht sein", so Bollig.

Dass es für Rollstuhlfahrer nicht leicht ist, mit der Bahn zu fahren, weiß auch Seidl. Zum einen seien viele Bahnhöfe noch nicht barrierefrei, sagt sie, zum anderen gebe es den Mobilitätsservice meist nur an größeren Bahnhöfen. Und einzig neuere Züge hätten eine sogenannte fahrzeuggebundene Einstiegshilfe, eine Rampe also. Dass das Servicepersonal der Bahn unfreundlich reagiere, wie Bollig moniert, hätten aber weder sie noch eine Kollegin erlebt, die selbst behindert ist. Seidl zufolge hat Bollig momentan nur eine Chance: sich via Fahrplanauskunft einen modernen Regionalzug auszusuchen, der mit interner Rampe ausgestattet ist. Die Methode funktioniert weniger gut, wenn Bollig nur nach Starnberg will. Dann muss er in Pasing umsteigen und wieder in die Kreisstadt zurückfahren. Eine umständliche Tour.

Der Tutzinger ist der Ansicht, dass die DB dazu verpflichtet ist, ihm die Taxifahrt nach München oder Starnberg zu bezahlen. Er hat sich an mehrere Beschwerdestellen gewandt, bisher ohne Erfolg. Auch auf Anfrage der SZ erklärt ein Bahnsprecher: Der Bahnhof Tutzing werde in Kürze ausgebaut sein, bis dahin würden Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, auf die barrierefreien Stationen Possenhofen und Starnberg Nord verwiesen. Sie müssten also Umwege in Kauf nehmen, "das ist leider so". Und Taxikosten könne die Bahn nicht begleichen, der S-Bahn-Halt sei ja nicht mutwillig, sondern wegen der Bauarbeiten auf Gleis 2 und 3 verlegt worden.

Allein bei Arztterminen springt die Krankenkasse ein. Die Voraussetzungen: Der Arzt muss die Fahrt verordnen und Bollig vorher einen Antrag stellen. Der 47-Jährige hat inzwischen alle München-Termine abgesagt und auf Ende Januar 2014 verschoben.

© SZ vom 03.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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