Süddeutsche Zeitung

Tutzing:Politik-Akademie wird zum ökologischen Vorzeigeprojekt

Acht Bienenvölker, Schmetterlinge, Meisen und Stare sind im Park der Akademie für Politische Bildung zuhause.

Von Christine Setzwein

Auch und gerade eine Akademie für Politische Bildung kann sich den Themen Klimawandel und Naturschutz nicht verschließen. "Nachhaltigkeit", sagt Andreas Kalina, wissenschaftlicher Assistent für politischen und gesellschaftlichen Wandel sowie europäische Integration, "ist ein großes Anliegen der Akademie." Deshalb gibt es in Tutzing dazu Tagungen - aber nicht nur. Ein paar Tage bevor die Akademie in die Sommerferien geht, bot sie nun auch für alle Mitarbeiter einen Infotag über Artenvielfalt und Biodiversität an. So trafen sich am Mittwoch gut 30 Angestellte im Saal 2, von der Hauswirtschafterin bis zum Wissenschaftler. Sie hörten Kurzreferate über Landschaftspflege und Biodiversität im Landkreis Starnberg, über Naturschutz am Ort am Beispiel Tutzing, über Vogelzug und Vogelschutz am Starnberger See, und sie erfuhren bei einem Rundgang durch den Akademie-Park viel über das Pflegekonzept und über die acht Bienenvölker auf dem Gelände.

Der Sommerflieder am Haus ist ein Tummelplatz für den Admiral, unzählige Falter fliegen die Blüten an, immer wieder. "Seitdem wir die Schmetterlinge hier haben, haben wir keine Läuse mehr", sagt Fridolin Baur. Er pflegt den 32 000 Quadratmeter großen Park der Politischen Akademie am Starnberger See. Seit 2001 gibt es ein Pflegekonzept, "bis dahin konnte man den See überhaupt nicht mehr sehen, so zugewachsen war alles." Die Baumreihen wurden gelichtet, mehr Grünflächen angelegt. Heute gibt es Sichtachsen zum See und drei Zonen für mehr Artenvielfalt. Die erste Zone wird erst Ende Mai gemäht, die zweite im September. Dritte Zone ist der Rosengarten auf dem Dach des neu gebauten Hörsaal. Insektizide und Pestizide werden nicht verwendet, "denn die Natur erzeugt keinen Müll", davon ist Baur überzeugt. Sogar dem Buchsbaumzünsler, der sich auch in der Hecke beim Rosengarten breit machen wollte, kamen Baur und Hauswirtschaftsmitarbeiterinnen von Hand bei. Die gefräßigen Raupen wurden abgesammelt und mit dem Hochdruckreiniger vertrieben.

Auf einem Teil der Wiese stehen noch die abgeblühten Reste von Rotklee, Weißklee und Margeriten. Dort wird erst gemäht, wenn die Pflanzen ausgesamt haben. In zwei Hochbeeten wachsen Rosmarin, Petersilie, Thymian, Minze und Tomaten für die Akademie-Küche. Und auch der wilde Wein an den Mauern hat sein Gutes: "Er kühlt das Haus im Sommer", erläutert Baur. 2015 wurden zusammen mit dem Landesbund für Vogelschutz 25 Nistkästen für Meisen, Stare und Fledermäuse aufgestellt. "Die sind immer zu mindestens 50 Prozent belegt", erzählt der Akademie-Gärtner. Nur ein paar Vögel waren mit dem Wohnungsangebot unzufrieden. Sie brüteten einfach in den Aschenbechern.

Etwas abseits am Hang steht schon Philipp Bruder. Der Imker in fünfter Generation hat im vergangenen Jahr acht Bienenvölker im Park angesiedelt. Fleißige Arbeitsbienen, denn sie haben heuer insgesamt 280 Kilogramm Honig produziert, der als "Akademiehonig" verkauft wird. Auch wenn er heuer bestimmt schon 100 Mal gestochen wurde, ist Bruder begeistert von Bienen, "der einzigen Frauenwirtschaft, die es seit 60 Millionen Jahren gibt". Bekanntlich werden die männlichen Honigbienen, die Drohnen, nur zu Begattung der Königin gebraucht und sterben anschließend.

Akademie-Verwaltungsleiter Josef Hammerschmid war es gelungen, außer Philipp Bruder drei weitere Experten für den Infotag zu gewinnen. So berichtete Petra Gansneder, Landschaftspflegerin beim Landratsamt Starnberg, über ihre Aufgaben wie Biotopflege, Renaturierung und Wiedervernässung von Mooren, Neophytenbekämpfung und das Projekt "Alpenpflanzen" im Landkreis. Günther Schorn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, erläuterte am Beispiel Tutzing die Arbeit des BN. Dazu gehört die Biotoppflege ebenso wie das Anlegen von Streuobstwiesen, der Amphibien- und Artenschutz, Umweltbildung sowie Stellungnahmen zu Bauvorhaben. Konkret forderte er mehr Bäume für die Hauptstraße in Tutzing und Plätze "zum Verweilen, Ausruhen und Wohlfühlen". Von allzu viel Bautätigkeit hält er nichts: "Tutzing braucht kein Wachstum", sagte Schorn. Andrea Gehrold, beim Landesbund für Vogelschutz Gebietsbetreuerin Starnberger See, nahm die Zuhörer mit auf eine Zugvögel-Reise. Aus Skandinavien, dem Baltikum, sogar aus Sibirien kommen Stock- und Reiherente, Zwerg- und Haubentaucher, Blässhuhn und Gänsesäger. Bis zu 20 000 Zugvögel überwintern am Starnberger See oder rasten hier.

In Zeiten von Fridays für Future, Bienen-Volksbegehren, Klimawandel und neuem Artenschutzgesetz waren die Akademie-Mitarbeiter sehr interessiert. Hauswirtschafterin Hannelore Deiser meinte, dass der Trend wieder allgemein zu mehr Wertschätzung gehe.

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SZ vom 09.08.2019
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