Süddeutsche Zeitung

Berufung:Verwaltungsgerichtshof zweifelt an Bürgerbegehren gegen Tunnel in Starnberg

Der Richter kritisiert die unklare Fragestellung - und schlägt den Tunnelgegnern eine Formulierung vor, mit der die Starnberger wohl über den Bau abstimmen dürften.

Von David Costanzo

Ein Urteil gab es noch nicht im Berufungsprozess über das Bürgerbegehren der Tunnelgegner, das soll erst am Donnerstagmittag veröffentlicht werden. Dafür erteilte der als bürgerfreundlich geltende vierte Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den Klägern einen kostenlosen juristischen Ratschlag - falls die Entscheidung enttäuschend für die Tunnelgegner ausfallen sollte. Der Vorsitzende Richter Dieter Zöllner äußerte während der Verhandlung am Mittwoch "Bedenken", "Zweifel", einmal sogar "große Zweifel" an der unklaren Fragestellung des Bürgerbegehrens. Mit einer anderen Formulierung, sagte der Richter, ohne dem Urteil vorgreifen zu wollen, hätten die Starnberger längst über den Bau abstimmen können.

Es ging wie schon vor einem Jahr in der ersten Instanz am Münchner Verwaltungsgericht um "alles", um die Bedeutung dieses kleinen Wörtchens. Die Initiativen "Pro Umfahrung, contra Amtstunnel" um WPS-Stadtrat Klaus Huber, "Starnberg bleibt oben" um Michael Landwehr und der Zahnarzt Johannes Glogger wollen die Starnberger nämlich über folgende Frage abstimmen lassen: "Sind Sie dafür, dass die Stadt alles unternimmt, damit der B2-Tunnel nicht gebaut wird?" Die Gegner hatten 1730 Unterschriften für ihr Bürgerbegehren gesammelt, das eine Mehrheit des Stadtrats als unzulässig ablehnte. Dagegen klagten die Initiativen und kassierten in erster Instanz eine Niederlage.

Denn was soll dieses "alles" nun bedeuten? "Soll die Bürgermeisterin dem Innenminister den Spaten aus der Hand ziehen?", hatte der Richter am Verwaltungsgericht geunkt. (Hat Eva John nicht, der Spatenstich für die Zulaufstrecke ist im vergangenen Juli gesetzt worden.) Juristisch gesprochen geht es um die "Bestimmtheit" des Begriffs, sonst erkannte der Vorsitzende Richter in der Berufung kaum Probleme im Bürgerbegehren. Eigentlich eine gute Ausgangslage für die Tunnelgegner. Doch in der gut einstündigen Verhandlung wurde deutlich, dass selbst in ihrem Lager unterschiedliche Vorstellungen vorherrschen. Anwalt Franz Sußner etwa wollte nach einem Erfolg den Stadtrat den Planfeststellungsbeschluss, also die Baugenehmigung, bei den übergeordneten Behörden anfechten lassen. Kläger Landwehr dagegen wollte, nachdem er von WPS-Stadtrat Günther Picker aus dem Publikum angesprochen worden war, lieber gegen den Stadtratsbeschluss zugunsten des Baus vom Februar 2017 vorgehen, der Freistaat und Bund dazu bewogen hatte, die zwei Kilometer lange Röhre zu bauen und die Kosten von 200 Millionen Euro zu tragen.

Der Anwalt der Stadt, Volker Gronefeld, neben dem die Bürgermeisterin Platz genommen hatte, setzt noch einen drauf: Man könne "alles" auch so verstehen, dass die Stadtverwaltung dem Freistaat beim Bau Steine in den Weg legen solle, um die Fertigstellung zu verschleppen und zu verteuern. Von immer neuen Petitionen oder Dienstaufsichtsbeschwerden gegen beteiligte Beamte sprach auch der Richter. Vieles sei bei der Formulierung denkbar, das mit Kosten, Aufwand und Aktivitäten der Verwaltung verbunden sei: "Wo fängt's an, wo hört's auf?" Ganz anders würde es dagegen mit einer konkreteren Frage aussehen, etwa: Soll der Stadtratsbeschluss vom Februar 2017 aufgehoben und dies dem zuständigen Minister mitgeteilt werden? Die Starnberger dürften demnach grundsätzlich schon über den Tunnel abstimmen - aber womöglich nicht mit der vorliegenden Fragestellung.

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SZ vom 14.03.2019
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