Tunnel oder Umfahrung:Entscheidung von historischer Tragweite

Der jahrzehntelange Starnberger Streit um Tunnel und Umfahrung könnte am Montag im Stadtrat beendet werden

Von Peter Haacke, Starnberg

Für die Stadt Starnberg zeichnet sich im Stadtrat eine Entscheidung von möglicherweise historischer Tragweite ab: Nach nahezu drei Jahrzehnten vergeblichen Hoffens auf Entlastung vom Durchgangsverkehr und einem ebenso langen und erbittert ausgetragenen Streit um die beste realisierbare Lösung wird sich das höchste politische Gremium der Kreisstadt voraussichtlich am Montag, 20. Februar, entscheiden, ob man dem Bau eines 2180 Meter langen B2-Tunnels mehrheitlich zustimmt oder nicht. Das Ergebnis dürfte Starnbergs Verkehrsverhältnisse für die nächsten 30 Jahre nachhaltig prägen. Die letzte Entscheidung bleibt dem Bundesverkehrsministerium vorbehalten.

Bürgermeisterin Eva John wird zum Auftakt der Sitzung (Beginn: 18.30 Uhr, Schlossberghalle, großer Saal) von einer Unterredung im bayerischen Innenministerium zwischen Vertretern der Obersten Baubehörde und den insgesamt neun Stadtrats-Fraktionen berichten; unter den Zuhörern werden auch Michael Kordon, Leiter des Staatlichen Bauamts Weilheim, sowie Ministerialrat Thomas Linder sein, die Mitte Januar ebenfalls an der dreistündigen Besprechung teilgenommen haben. Obwohl die Tagesordnung bislang explizit keine Abstimmung zum Bau des B2-Tunnels vorsieht, rechnen viele Beobachter des politischen Geschehens dennoch mit einer finalen Entscheidung; ein ad hoc gestellter Antrag könnte das jahrzehntelange Tauziehen um eine machbare Verkehrslösung für Starnberg beenden. Die Alternativen lauten: B2-Tunnel mit Prüfung der Option auf eine zusätzliche Umfahrung. Oder nichts. Der Bau einer Umfahrung ohne den Tunnel gilt als ausgeschlossen. Das hatten die Vertreter der Obersten Baubehörde der Starnberger Delegation unmissverständlich klargemacht.

Die politischen Fronten im 31 Mitglieder zählenden Stadtrat sind zur entscheidenden Frage überwiegend klar definiert: CSU, SPD, Grüne und UWG votieren schon seit langem für den Bau des Tunnels. Sie verfügen über 14 Stimmen. Klare Ablehnung wird hingegen von den konservativ geprägten Bürgervereinigungen "Bündnis Mitte Starnberg" (BMS), der auch Bürgermeisterin John angehört, "Wählergemeinschaft pro Starnberg" (WPS) sowie der FDP erwartet. Diese "Allianz" verfügt über zehn Stimmen. Entscheidende Bedeutung haben fünf Vertreter der "Bürgerliste" (BLS), die im Grundsatz weiterhin eine ortsferne Umfahrung anstreben, und zwei Damen der "Parteifreien" (DPF), die sich nach internen Querelen von der WPS lossagten.

Das Gespräch im Innenministerium rief bei den Verfechtern einer Umfahrung zwar eine gewisse Ernüchterung hervor, zumal ein von der Obersten Baubehörde veröffentlichtes Gesprächsprotokoll mit den wesentlichen Inhalten der Unterredung den seit Jahren bekannten Sachstand bestätigte. Dennoch ignorieren große Teile der Allianz weiterhin die Fakten und propagieren die Machbarkeit einer Umfahrung. Gleichwohl herrscht innerhalb dieser Gruppierungen nicht mal Einigkeit darüber, welche der vielen vermeintlichen Umfahrungslösungen man denn überhaupt will. Einziges gemeinsames Ziel scheint nur die Verhinderung des B2-Tunnels zu sein.

Doch in der Bevölkerung wächst derweil der Erwartungsdruck, denn in den Wahlkämpfen 2014 und 2015 hatten die Allianz-Parteien eine Umfahrung als Alternative präsentiert. Nach einer beispiellosen Wahlkampfschlacht, in der auch mit nachweislich falschen Argumenten Ängste gegen den Tunnel und Baustellen-Phobien geschürt wurden, beteiligten sich am Ende nur 48,8 Prozent der Starnberger Stimmberechtigten an der Wahl und bescherten der Allianz eine knappe Mehrheit.

Tatsächlich aber existierte niemals eine reale Wahlmöglichkeit zwischen Tunnel und Umfahrung, wie die Unterredung im Ministerium bestätigte. BMS, WPS, FDP und BLS hatten also eine Alternative propagiert, die es gar nicht gibt. Doch nicht nur den Wählern wurde eine Lösung vorgegaukelt, auch einige neue Stadträte erlagen dem Glauben an eine Umfahrung. Spannend bleibt die Frage, ob diese Mandatsträger bereit sind, diesen realen Trugschluss auch einzugestehen. Sie stehen vor einer schweren Wahl: Entweder werden sie innerhalb der Allianz zu politischen Märtyrern oder sie glauben weiter an eine nicht realisierbare Vision.

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