Die Immatrikulationshalle der Technischen Universität München (TUM) ist voll mit gut gekleideten jungen Menschen. Stühle sind aufgebaut, werden zurechtgerückt. Ohne Zweifel: Hier steigt eine größere Veranstaltung. Es geht um den Klimawandel, die Mobilitätswende und Siedlungsentwicklung. An diesem Nachmittag stellt der Prüfungsjahrgang der Baureferendarinnen und Baureferendare 2023 des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr sein "Public Planning Lab" vor. Jetzt mag man sich fragen: Was hat das alles mit der Gemeinde Berg zu tun? Sehr viel. Denn die Absolventen haben sich expliziert mit Berg beschäftig, ihre Konzepte und Ideen speziell auf die Gemeinde am Starnberger See zugeschnitten. Für die Kommunalpolitiker bedeutet dies Input von außen.
Das ist spannend. Auch für Bergs Rathauschef Rupert Steigenberger, der mit Gemeinderäten und Verwaltungsmitarbeitern nach München gekommen ist. "Wir sind froh über die Ideen," sagt er. Natürlich weiß Steigenberger, dass sich nicht jeder einzelne Plan eins zu eins umsetzten lässt. "Aber in jedem Plan steckt etwas, was durchaus Realität werden kann", sagt er in der Podiumsdebatte im Anschluss an die Präsentation.
"Um Berg verstehen zu können, muss man die Bewohner der Gemeinde verstehen", heiß es von Seiten der Vortragenden. Sie durchstreiften Berg drei Wochen lang, haben sich mit den Stärken und Schwächen der Gemeinde und ihrer 15 Ortsteile vertraut gemacht und überlegt, wie ihrer Ansicht nach Bergs Zukunft aussehen könnte. Sie sprachen dafür auch mit so manchem Bürger - unter anderem mit Stefan Pfisterer von der gleichnamigen Schreinerei in Farchach. Pfisterer ist Energiepreisträger 2021 des Landkreises Starnberg und er habe ihnen gesagt: "Wir haben immer getan, was wir für vernünftig halten, auch bevor wir den Begriff Nachhaltigkeit kannten." Das Urteil der jungen Leute: Die Bewohner Bergs haben den Mut, Veränderungen herbeizuführen.
Gedanken machten sich die Absolventen auch um die alte Standseilbahn
Derzeit rollen täglich 8000 Fahrzeuge durch die Gemeinde, an schönen Sommertagen auch mehr. Doch wie bringt man den Verkehr aus dem Ort? Mit dieser Frage beschäftigten sich einige der Arbeitsgruppen. Es geht um Straßensperrungen, Shuttlebusse und mehr Aufenthaltsqualität am See. Gedanken machten sich die Absolventen auch über den speziellen Reiz der Standseilbahn, die die Gäste schon 1901 vom Dampfersteg in Leoni hinauf zum Hotel auf der Rottmannshöhe brachte. Es war die erste in Bayern. Heute sei das Problem von Leoni, dass der Ort von Autos komplett zugeparkt sei, so dass man sich dort an schönen Sommertragen überhaupt nicht mehr gern aufhalte. Es ging auch darum, kleinere Dorfläden sowie Hofläden für den täglichen Bedarf in allen Ortsteilen zu etablieren sowie das gemeinschaftliche Wohnen zu fördern. Die Referendare rieten von Einfamilienhausbebauung ab - etwa am alten Sportgelände oder auf dem alten Rathausgrundstück - und plädierten stattdessen für Mehrgenerationenwohnen samt Bürgertreff an dieser Stelle, idealerweise verbunden mit barrierefreien Wohnungen und einer Kita. Einen Vorschlag, den Steigenberger als "sehr interessant" bezeichnete.
Auch dem Lüßbach messen die Ideengeber eine besondere Bedeutung bei. Denn der südlich von Berg entspringende Bachlauf, der im Norden in den Starnberger See mündet, bildet einen reizvollen Naherholungsraum und eine natürliche Verbindung einzelner Ortsteile. Entlang des Bachs, so finden die Absolventen, sollten mehrere Rastplätze dazu einladen, die Natur zu genießen und sich ein wenig auszuruhen. Auch könnten hier fünf Energiestandorte besichtigt werden: eine Seewasser-Wärmepumpe in Kempfenhausen; in Martinsholten ein bereits bestehendes Wasserkraftwerk; etwas weiter südlich hat man einen guten Blick auf die vier Berger Windräder; in Bachhausen könnte man eine Hackschnitzelheizung besichtigen und zum Abschluss in Höhenrain Photovoltaikanlagen. Der Weg ist zehn Kilometer lang, relativ flach und angenehm zu gehen. Zurück nach Berg oder Starnberg geht es dann mit dem Bus.
Übrigens ist auch Berg laut Bürgermeister Rupert Steigenberger gerade dabei, "ein Freiflächenkonzept Photovoltaik auf den Weg zu bringen". Dank der vier Berger Windräder verfügt die Gemeinde im Winter über viel Strom, im Sommer hingegen gibt es relativ wenig Wind und demzufolge recht wenig eigenproduzierten Strom. "Das heißt, Photovoltaik wird bei uns noch mal ein wichtiges Thema werden", prognostiziert der Rathauschef, der die Weg-Idee "super" findet. Bei einem Vortrag der Berger "Bürger Beteiligung" habe er kürzlich auch Genaueres über Wärmepumpen erfahren, so Steigenberger. Dabei habe er gehört, dass es nicht erforderlich ist, ein "supergedämmtes Haus zu haben, um unterm Strich mit einer Wärmepumpe trotzdem CO₂-neutral heizen oder zumindest den CO₂-Ausstoß um drei Viertel reduzieren zu können". Aber das müsse "erst in die Köpfe der Leute". Steigenberger hofft, dass es "irgendwann einmal "hipp wird, ein tolles Haus zu haben, das autark ist".
Weit mehr als der Lüßbach zieht der Starnberger See Einheimische wie Touristen an. Dabei müssen die Absolventen, wie sie selbst zugeben, recht lange suchen, ehe sie den See finden. Denn rechts wie links versperren Zäune und Hecken die Sicht. Dabei ist die Zugänglichkeit der Seen auch in der bayerischen Verfassung verankert. Darum hat eine Gruppe die Uferzone zum Handlungsfeld erklärt: Renaturierungsmaßnahmen, der Umbau des Parkplatzes an der Mühlgasse zum Ort des Ankommens und die Sperrung der Assenbucher Straße. Vom Hotel Schloss Berg könnte laut ihren Vorstellungen ein Steg am Ufer entlang nach Norden führen, auf dem Fußgänger und Radler den See erwandern könnten. Derzeit, so argumentieren die Absolventen, sei der See bei Leoni zu 20 Prozent zugänglich, mit Steg seien es schon 40 Prozent. Und sie regen an, mit den Grundbesitzern eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Eben das dürfte schwierig, wenn nicht unmöglich sein. Wer hat es schon gern, wenn vor dem exklusiven Ufergrundstück die Spaziergänger flanieren, die Ausflügler radeln. Ohne Klagen dürfte das nicht abgehen. Ähnlich war es auch am Tegernsee, wo es bereits einen ähnlichen Steg am Seeufer entlang gibt. 2005 hatten sich die Tegernseer zum Bau entschieden, der ihnen viel Ärger einbrachte, aber auch viel Prestige.
Wieder eine andere Gruppe macht sich Gedanken darüber, Berg gänzlich autofrei zu bekommen, und könnte sich vorstellen, den Verkehr auf eine Umgehungsstraße im Osten der Gemeinde umzuleiten. Ein Vorschlag, den Rathauschef Steigenberger im Gespräch mit der SZ für "utopisch" hält, da diese durch ein Landschaftsschutzgebiet und große Waldflächen nahe der Anna-Kapelle führen würde. Ein autofreies Leoni fände er hingegen durchaus "reizvoll". Nur Anwohner oder Fahrzeuge mit Spezialgenehmigung dürften dort fahren und die Straße per Schranke oder Chip öffnen. Steigenbergers Fazit: "Wenn alle zusammenhelfen, geht mehr, als wir uns vorstellen können."
Die Ideenwerkstatt der angehenden Baureferendare soll den Berger Bürgern im Rahmen einer Veranstaltung präsentiert werden. Ein Termin steht noch nicht fest.