Es ist ein mehrfaches Debüt – sowohl für Starnberg als auch für Marcel Barsotti: Erstmals hat der Filmmusik-Komponist Drehbuch, Regie und Schnitt eines Streifens übernommen. Der zwölfminütige Science-Fiction-Film „Transformation“ ist bislang der erste fürs Kino konzipierte Film, der komplett in der Kreisstadt entstanden ist. Die einzige beteiligte Person ist Barsotti selbst, alles Übrige steuern Computerprogramme bei: Damit ist sein Werk auch einer der ersten Filme, die ausschließlich mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) generiert wurden.
Gerade tourt Barsotti mit „Transformation“ von Festival zu Festival. Am 31. Oktober feierte der Film bei den Biberacher Filmfestspielen Deutschland-Premiere, am vergangenen Wochenende lief der Streifen bei den Filmmusiktagen Sachsen-Anhalt. International hatte er schon zuvor für Aufsehen gesorgt: Beim „International Peace Festival“ in Toronto erhielt er einen Ehrenpreis, beim 15. „Austrian Independent Filmfestival“ in Wien wurde er als bester KI-Film ausgezeichnet. Demnächst will Barsotti nach Italien reisen, wo „Transformation“ in Rom und Neapel gezeigt wird. Nach inzwischen 16 Festival-Auftritten stehen immer noch gut 100 Bewerbungen aus: „Ich muss den gleichen Weg gehen wie ein Jungregisseur“, sagt der 61-jährige Starnberger. „Von Oscar-qualifizierenden Festivals habe ich bis jetzt nur Absagen bekommen“ – aber er hoffe auf das „ShortShorts Film Festival & Asia“ in Tokyo, das sein Solo-Werk in die Shortlist aufgenommen hat.
Bis Barsotti den Film nach der Festival-Runde via Internet, Streaming, Fernsehen oder Kino der breiten Öffentlichkeit präsentiert, soll noch ein Dreivierteljahr vergehen. Doch seit ein paar Tagen findet sich ein 30 Sekunden langer Teaser im Netz, auf Youtube hat er bereits eine vierstellige Zahl von Aufrufen erreicht. Von der Story soll hier nicht zu viel gespoilert werden – aber Evolutionstheorie, Artensterben und Kriege auf der Erde werden thematisiert. „Ich wollte keinen klassischen Alien-Krieg-Film machen, sondern den Zerfall unserer gierigen Welt zeigen“, sagt Barsotti.
Natürlich lässt es sich fast 100 Jahre nach Fritz Langs „Metropolis“ kaum vermeiden, im utopischen Film Ideen und Motive aufzugreifen, die bereits in einem der unzähligen Vorgänger verarbeitet sind. Barsotti bedient sich eingangs allerdings in Plot und Bild allzu offensichtlich an Genre-Ikonen. Von Richard Fleischers „Soylent Green“ über „Independence Day“ bis zur Drei Sonnen-Trilogie von Liu Cixin: SF-Kennern kommt an „Transformation“ ziemlich viel bekannt vor. Originellere Gedanken tauchen dann im zweiten Teil des Kurzfilms auf, wenn aus humanoiden Außerirdischen und Menschen eine neue Rasse hervorgeht und das Geschick der Erde eine ganz neue evolutionäre Wendung nimmt. Leider geht das alles ziemlich hektisch über die Bühne und wird vor allem von der Erzählstimme vermittelt. Dabei werden die schöpferischen Chancen, die KI-Programme beim Morphing zum stufenlosen Verschmelzen von Bildelementen bieten, eher sparsam eingesetzt. Die Handlung rast weiter, unvermittelt endet sie mit der Ansage, dass auch die neuen Erdlinge nach Millionen Jahren „zurück zur dunklen Macht“ kehren.
Seine Stärken offenbart der Film im optischen und akustischen Design – vor allem aber in den überwältigenden Szenarien, die in raschen Schnitten aufeinanderfolgen. Zunächst habe er versucht, nach seinen Ideen ein Drehbuch von Chat GBT schreiben zu lassen, das Ergebnis fiel für ihn aber nicht akzeptabel aus. Die Prompts – also die Anweisungen und Eingaben an das KI-System – seien „unglaublich aufwendig“ gewesen: Bis zu 60 Anläufe waren für einzelne Szenen nötig. Nach drei Monaten Bildauswahl, Überarbeitung und Montage sei „Transformation“ für die ersten Testscreenings bereit gewesen; seine Produktionskosten schätzt Barsotti einschließlich sechs Monaten Arbeitszeit auf 35 000 Euro. Wäre der Film auf herkömmliche Art gedreht worden, „hätte das eineinhalb Jahre gedauert und sieben Millionen gekostet“.
Mit „Transformation“ wolle er „nicht unbedingt Geld verdienen“, sagt der Komponist, der mit Soundtracks für „Das Wunder von Bern“, „Deutschland - ein Sommermärchen“ und „Die Päpstin“ auch finanziell großen Erfolg hatte. Seine Passion aber gilt seit frühester Jugend der Science Fiction. Das erste Werk als Filmemacher in diesem Genre habe auch das Potenzial für einen abendfüllenden Spielfilm, findet Barsotti. Doch er hat auch bereits eine Drehbuch-Idee für ein weiteres Projekt parat.
„Transformation“ lässt die digitale Herkunft noch in Details erkennen: Die Bewegungen der Figuren sind nicht ganz rund, ihre unvollkommene Mimik wird meist hinter Masken verborgen. Vermutlich wird schon die übernächste Version der kostenpflichtigen Software diese Schwächen besser kaschieren. Doch ein grundsätzlicher Widerspruch lässt sich schwerer beheben: Gerade der utopische Film setzt ein gehöriges Maß an Fantasie voraus. Dazu aber ist die KI zumindest vorerst nicht imstande, sie muss sich an vorhandenen Vorbildern orientieren. Ihre Einfallslosigkeit zeigt sich in „Transformation“ auch in den Namen, die Barsotti vom Programm erstellen ließ: Die KI taufte die Aliens auf „Drakzul“ – genau wie ein Charakter im Computerspiel „World of Warcraft“.