Tierwohl:Bauernprotest gegen Aldi

Tierwohl: Landwirte aus dem Landkreis Starnberg fühlen sich von der neuen Werbekampagne für gute Tierhaltung gegängelt. Das Bild zeigt (v.l.) Thomas Müller, Anita Painhofer, Georg Holzer, Leo Zankl auf dem Traktor, Georg Zankl und Johann Hirschvogel bei ihrer Protestaktion in Gilching.

Landwirte aus dem Landkreis Starnberg fühlen sich von der neuen Werbekampagne für gute Tierhaltung gegängelt. Das Bild zeigt (v.l.) Thomas Müller, Anita Painhofer, Georg Holzer, Leo Zankl auf dem Traktor, Georg Zankl und Johann Hirschvogel bei ihrer Protestaktion in Gilching.

(Foto: Arlet Ulfers)

Landwirte aus dem Landkreis Starnberg fordern faire Preise von dem Discounter, der die teure Umstellung auf artgerechte Tierhaltung propagiert

Von Patrizia Steipe

Mit seinem größten Traktor ist Bauernobmann Georg Zankl auf den Parkplatz der Aldi-Zentrale im Gilchinger Gewerbegebiet gefahren. Gemeinsam mit anderen Landwirten aus dem Landkreis Starnberg stellt sich der Gilchinger dann vor das Fahrzeug. Alle halten Plakate in der Hand, mit denen sie gegen die aktuelle Anzeigenkampagne von Aldi Süd protestieren. Unter dem Hashtag "Haltungswechsel" hatte der Discounter eine Änderung bei seinem Frischfleisch-Sortiment angekündigt. Das Ziel sei, mehr Tierwohl zu gewährleisten. "Scheinheilig" steht dazu auf einem der Bauern-Plakate. "Zu einem Haltungswechsel gehört auch ein Ende der Niedrigpreise", so Kreisbäuerin Anita Painhofer. "Wir kämpfen um unseren gesamten Bauernstand und fordern für die Umstellung faire Preise, damit die Höfe an die nächste Generation weitergegeben werden können."

Bis 2030 möchte Aldi sein Frischfleisch-Sortiment sowie die Milchproduktion auf die Haltungsformen 3 und 4 umstellen. Bei der dritten Haltungsform sind die Tiere im Offenstall untergebracht, haben Zugang nach draußen und mehr Platz. Bei der "Bio"-Haltungsform vier haben sie noch mehr Platz und zusätzliche Auslaufmöglichkeiten. Haltungsform eins steht für die konventionelle Stallhaltung und zwei für Stallhaltung mit mehr Platz und weiteren Maßgaben. Die Haltungsformen können die Verbraucher auf den Verpackungen ablesen. "So kannst du mit deinem Einkauf schon heute viel bewegen und uns dabei helfen, das Tierwohl zu verbessern", heißt es in der Aldi-Kampagne.

Die Starnberger Landwirte seien durchaus für Tierwohl, versichert Thomas Müller, Leiter der Weilheimer Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands (BBV), der zum landesweiten Protest aufgerufen hatte. In Gilching zeigt Müller den "offenen Brief" an die Geschäftsleitung von Aldi Süd. Darin kritisiert Bauernpräsident Walter Heidl "aggressive Niedrigpreisstrategien auch für Tierwohlfleisch". Seit zwei Jahren würden interne Verhandlungen mit den Lebensmittelunternehmen über ein branchenweites Tierwohlprogramm laufen. Dabei hätten "die Vertreter der Landwirtschaft um jeden Zehntelcent an Kostenausgleich erbittert kämpfen" müssen. Heidl befürchtet, dass die kleineren Betriebe vom Markt gedrängt werden. "Die Landwirtschaft wird an die Wand gefahren", stimmt Zankl zu. Von den Landwirten würden immer höhere Standards gefordert, dafür bräuchte man aber mehr Geld.

Immer wieder bleiben Autos an der Aldi-Einfahrt stehen. Ein Mann kurbelt die Scheibe runter und versichert seine Solidarität mit den Bauern. "Die Verbraucher sind nicht das Problem", sagt der Hechendorfer Landwirt Johann Hirschvogel. Für mehr Tierwohl wären sie bereit, mehr zu bezahlen. Bei Aldi heißt es auf der Homepage ebenfalls: "Selbstverständlich zahlen wir marktgerechte Preise für unsere Anforderungen. Wie sich die Preise langfristig entwickeln, lässt sich heute nicht verlässlich vorhersagen. Dies wird sich erst dann zeigen, wenn alle Lieferketten entsprechend umgestellt sind." Die "höheren Kosten für bessere Haltungsbedingungen könnten sich aber auf den Verkaufspreis auswirken.

Georg Zankl ist einer der wenigen Landwirte im Landkreis, die noch Schweine halten. Sein Sohn hat den Betrieb bereits auf Bio umgestellt. Das bedeutet, dass er mit etwa 840 Schweinen nur noch halb so viele Tiere auf doppelt soviel Fläche hält. "Sehr aufwendig und teuer" sei die Umstellung gewesen, "das können viele kleine Betriebe nicht leisten". In den vergangenen Jahrzehnten "mussten viele aufhören, weil sie dem Preisdruck nicht mehr standhalten konnten". "Wenn das so weitergeht, dann wird es bei uns bald gar keine Tierhaltung mehr geben", befürchtet Zankl. Auch wenn Aldi angibt, "bei Schweinefleisch und Frischmilch vollständig auf die Herkunft aus Deutschland zu setzen". Bauer Johann Hirschvogel hat seine Konsequenzen gezogen. Er vermarktet seine Rinder nur noch direkt an Metzgereien.

Georg Holzer ist aus Diemendorf (Gemeinde Tutzing) nach Gilching gekommen. Er hat auf seinem Hof Milchvieh. Die Zuschläge für die Haltungsumstellung im Centbereich für jeden Liter Milch seien nur für große Milchbetriebe lukrativ, erklärt er. Die bayerischen Milchkuhbetriebe seien aber im Durchschnitt nur halb so groß wie der im Tierwohlprogramm angesetzte Maßstab.

Im Namen der bayerischen Bauernfamilien fordert Heidl von Aldi "angemessene Honorierung von Tierwohl", die "Berücksichtigung der besonderen Situation kleinerer Betriebe" sowie ein "Nebeneinander der verschiedenen Haltungsformen". Aldi sieht sich nicht allein in der Pflicht: "Aldi kann als Händler den Haltungswechsel nicht allein stemmen. Es müssen alle investieren und bereit sein, gemeinsam diesen Schritt zu gehen: die Kunden, die Wettbewerber, die Landwirte, die Lieferanten und die Politik", steht auf der Homepage.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: