Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Abgestürzt im Schornstein

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Immer wieder fallen Dohlen in den Kamin der Alten Brauerei in Stegen, Dutzende Vögel sind bereits gestorben. Nun planen die Mieter der alten Gemäuer eine Rettungsaktion

Von Sophia Linnenbrink

Inning30 Meter hoch und von historischer Bedeutung ist der Schornstein der Alten Brauerei in Stegen. In den vergangenen Wochen ist dieser zum Unglücksort für Dohlen geworden. Dutzende Vögel sind in den Schlot gestürzt und verendet. Mieter der Alten Brauerei wollen das nun schnellstmöglich ändern, nicht zuletzt weil der Bestand der Dohlen immer mehr zurück geht.

Dohlen brüten von Ende März bis Mitte April und fliegen dafür schon seit vielen Jahren die Alte Brauerei an. Dort nisten sie in Mauernischen des Gebäudes. Aus unerklärlichen Gründen stürzen immer wieder Tiere in den Kamin, einige überleben. Die Mitarbeiter der Groundlift Media GmbH, die seit 2020 ihren Sitz in der Brauerei hat, haben die im Schornstein gefangenen Vögel zunächst akustisch wahrgenommen. "Aufmerksam wurden wir durch die lauten Schreie der Tiere", berichtet Projektmanagerin Alexandra Rakosi. Stundenlang habe es gedauert, bis man den Schreien der Tiere auf die Spur gekommen sei. Zuletzt seien dafür sogar Wärmebildkameras eingesetzt worden. Schließlich entdeckten die Mitarbeiter zwei Öffnungen im Kamin und fanden dort die verunglückten Dohlen, die offenbar nicht mehr aus dem langen Schornstein herausfanden. Groundlift-Mitarbeiter Julius Drescher habe zuletzt fast täglich abgestürzte Dohlen aus dem Kamin geholt, die Glück hatten und nach ihrem Sturz noch fit gewesen seien, so Rakosi. Man habe sie direkt zurück in die Natur gebracht. Die vielen toten Vögel hat ein Kaminkehrer entsorgt.

Julius Drescher und Alexandra Rakosi arbeiten in der Alten Brauerei für eine Produktionsfirma.

Rose-Luise Mittelbach öffnet eine der beiden Öffnungen des Kamins, in dem die gestürzten Dohlen landen.

Weil sich die Unglücksfälle häuften, hat sich Alexandra Rakosi eine Rettungsaktion für die kleinen Vertreter der Rabenvögel überlegt. "Mir war es sehr wichtig, dass wir schnell etwas zur Rettung der Vögel unternehmen", erklärt Rakosi. Man wolle einen Beitrag zum Natur- und Vogelschutz leisten. Zu einem sogenannten Tierschutzpreis habe sich die Bauspenglerei Sanktjohanser aus Seefeld bereit erklärt, den Schornstein mit einem speziellen Gittergewebe zu verschließen. Um die Aktion zu finanzieren, haben die Groundlift-Mitarbeiter zusammengelegt. "Jeder hat so viel gegeben, wie er konnte", erklärt Rakosi. Um den Stürzen der Dohlen ein Ende zu setzen, wird die Spenglerei mit Hilfe einer großen Hebebühne den Zugang am oberen Ende des Schornsteins abdichten. Die Maßnahme sollte eigentlich am Freitag stattfinden, musste aber wetterbedingt verschoben werden.

Die Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) begrüßt das Vorhaben. Die Starnberger Geschäftsstelle befindet sich ebenfalls in der Alten Brauerei. Verirrt haben sich die Dohlen auf dem Schornstein in schwindelerregender Höhe nicht, sagt Vogelschützer Pitt Brützel. Die Vögel seien Höhlenbrüter und weil Naturhöhlen in der Gegend nicht existierten, brüten die Dohlen im Landkreis vor allem in Kirchtürmen. Weil auch Tauben sich gerne an diesen Orten aufhielten und dort ihre Spuren hinterließen, würden immer mehr Öffnungen solcher Gebäude verschlossen. Das schütze zwar die Gebäude vor den Tieren. Den Dohlen aber fehlen dadurch mögliche Brutorte.

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Quelle:
SZ vom 08.05.2021
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