Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Wunderwelt der Merkwürdigkeiten

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Der Architekt und Künstler Thomas Grubert stellt seine vielschichtigen Bildwelten in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt aus und nennt seine Ausstellung zurecht "Vergessene Städte".

Von Katja Sebald, Seeshaupt

Man könnte wohl tagelang durch die Grünanlagen von Greenitsch spazieren. Man könnte bei den Schneeraffen im kühlen Froozil überwintern. Vielleicht mal einen Abstecher nach Pusteburg machen oder auch nach Hundling. In Corona ist vermutlich gerade nicht viel los. Doch bei den Meeresforschern in Aquamarina könnte man aber mehrere Monate bleiben und täglich in einem anderen Hafen in den Farben baden, bis endlich der Frühling kommt. Im Juni dann, rechtzeitig zur Rosenblüte, würde man weiter nach Rosarosa reisen. Die Ausstellung "Vergessene Städte" von Thomas Grubert, die am Sonntag in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt eröffnet wurde, ist jedenfalls eine geografische Wunderwelt voller Merkwürdigkeiten.

Grubert, 1958 in München geboren, lebt und arbeitet seit vielen Jahren als Architekt in Penzberg. Weit über die Region hinaus ist er bekannt für den spektakulär schönen Anbau, mit dem er das Penzberger Museum für die Sammlung Campendonk ergänzt hat. Ebenfalls seit vielen Jahren unterrichtet Grubert angehende Architekten im Zeichnen. Hier wie dort geht es um exaktes Planen und Darstellen. Seine eigene künstlerische Tätigkeit ist sozusagen das Gegenteil: Sie ist Fehlkonstruktion, Freiheit und Farbrausch.

Gewagte Grenzgänge: Grubert arbeitet in einer verwegenen Mischtechnik mit Stiften, Kreiden, Pinseln.

Auch als Künstler ist Grubert ein versierter Zeichner, der sich jedoch nie auf seinen gekonnten Architektenstrich verlässt. Er verfügt über eine große Farbsicherheit, die er jedoch vorzugsweise für gewagte Grenzgänge einsetzt. Er arbeitet in einer verwegenen Mischtechnik mit Stiften, Kreiden, Pinseln, dann wieder Kreiden und vielleicht nochmal Pinseln auf großen Papierbögen. Ausgehend von Farbflächen, mit denen er den Malgrund strukturiert, baut er nach und nach seine vielschichtigen Bildwelten auf. Mit manchen Blättern ist er schon nach wenigen Stunden zufrieden, andere bearbeitet er über Jahre wieder und wieder. So kann es durchaus möglich sein, dass die titelgebende "vergessene" Stadt eigentlich eine bereits vielfach übermalte Stadt ist. Ebenso ist es aber auch möglich, dass sie erst im allerletzten Moment aus dem Bildkosmos auftaucht und mit einigen wenigen Strichen fixiert wird.

Er arbeite stets in Serien und verfolge ein bestimmtes Thema über einen längeren Zeitraum, erläutert Gruber. Vor einiger Zeit haben sich Architekturelemente in seine Bilder eingeschlichen, berichtet er, zunächst noch als wohlgeordnete Häuserreihen. Schließlich wurden ganze Städte daraus. Die Straßenzüge und Häuserblocks entstehen jedoch nicht wie auf dem Reißbrett, sondern als Wildwuchs der Assoziationen: Aus einer meeresblauen Farbfläche taucht ein Meeresforscher auf, der sogleich ein "Institut Mare" braucht und eine Marina, dazu einen Westhafen, dann noch einen Osthafen, in dem ein Boot ankert, und natürlich auch ein U-Boot. Fische schwimmen durch die Straßen. Auch das Haus von Jules Verne muss gebaut werden, während der selbst gerade mal wieder abtaucht. Und so geht es immer weiter, bis die ganze Stadt Aquamarina fertig ist.

Ausschweifende Spaziergänge im Reich der Fantasie und wilde Wimmelbilder.

In den Bildern des Künstlers Thomas Grubert sind gestische Malerei, Zeichnung und Schrift gleichberechtigte gestalterische Elemente. Es entstehen Stadtpläne für ausschweifende Spaziergänge im Reich der Fantasie und wilde Wimmelbilder, in denen alles möglich und zugleich alles unmöglich ist. Textzeilen, Worte und Schriftfragmente tauchen auf und verschwinden wie im Nebel hinter lasierenden Farbschichten. Sie können der Erläuterung des Bildgeschehens dienen oder aber einfach grafische Elemente sein. Manchmal führen sie den Städtereisenden ganz bewusst in die Irre - und nicht selten ergeben sich daraus die spannendsten Bildfindungen.

"Beim Bereisen einer unbekannten Stadt begebe ich mich auf unbekanntes Terrain", schreibt Grubert zu seinen Bildern: "Was ich da entdecke überrascht mich, da ich es so nicht erwartet habe. An ein neues Bild gehe ich mit einer bestimmten Erwartung heran. Das Ergebnis erfüllt diese nie. Das überrascht mich. Es ist der Motor, der mich am Malen hält."

Die Ausstellung "Vergessene Städte" ist bis zum 5. Mai 2023 in der Seeresidenz Alte Post in Seeshaupt zu sehen.

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