Theater:Zickenkrieg im Schlossgarten

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Entgleiste Eheanbahnung: Amara Palacios, Thomas Blasig und Åsa Ågren in der Starnberger Version des "Heiratsantrags". (Foto: Arlet Ulfers)

Die Gruppe "Tragaudion" setzt beim Starnberger Kultursommer drei Tschechow-Einakter eigenwillig um

Von Katja Sebald, Starnberg

Und nun also Tschechow: Zweimal musste die Starnberger Theatergruppe "Tragaudion" ihren längst schon legendären "Shakespeare-Sommer" im Schlossgarten absagen, jetzt konnten die Schauspieler aus Leidenschaft beim Kultursommers am selben Ort wenigstens die drei Einakter auf die Bühne bringen, die sie im Herbst auch in München spielen wollen - sofern ihnen dann nicht wieder Corona einen Strich durch die Rechnung macht.

"Ich habe speziell für die Provinz ein dämliches Vaudevillechen namens 'Der Heiratsantrag' geschrieben und es nach Zensurien geschickt", bemerkte der große Anton Pawlowitsch Tschechow 1888 in einem Brief. Als "Scherz in einem Akt" bezeichnete er seine kurzen Theaterstücke, die vor allem von grotesker Überzeichnung, Situationskomik und schauspielerischem Können leben - und auf eindrückliche Weise vor Augen führen, dass nicht selten das Leichte ganz besonders schwer ist. Mit drei verschiedenen Regisseuren, acht Schauspielern und unzähligen Helfern im Hintergrund setzte "Tragaudion" nun durchaus eigenwillig den "Heiratsantrag", "Das Jubiläum" und "Der Bär" um.

Anders als sonst gab es diesmal kein Stationentheater, bei dem Akteure und Zuschauer gemeinsam durch den Schlossgarten lustwandeln und gleichsam zufällig mal hier, mal da für eine Szene anhalten. Stattdessen wurde auf einer festen Bühne mit denkbar wenigen Requisiten gespielt, das Publikum saß auf locker in der Wiese verteilten Stühlen.

Geblieben ist die Musikantentruppe, die zum Auftakt und zwischen den Stücken spielte. Geblieben sind auch die mit Sorgfalt und Fantasie ausgewählten Kostüme, für die Brigitte Günczler verantwortlich zeichnet. Und geblieben ist natürlich auch die schauspielerische Verve, die "Tragaudion" seit fast dreißig Jahren auszeichnet. Im "Heiratsantrag", wie Tschechow ihn im ausgehenden 19. Jahrhundert erdachte, geraten Braut und Bräutigam in heftigen Streit, noch bevor er sie überhaupt fragen kann, ob sie ihn denn heiraten will. Geht es zunächst um die aneinandergrenzenden Besitztümer und die Frage, welcher Familie die "Ochsenwiesen" gehören, überwirft man sich gleich darauf über die Frage, wer von beiden den besseren Jagdhund hat.

Tobias Ulrich, der hier Regie führte, macht aus dem reichen russischen Gutsbesitzer, der seine Tochter unter die Haube bringen will, einen schrillen Starnberger-See-Schnösel, überzeugend gespielt von Thomas Blasig. Damit nicht genug, lässt er nicht den Nachbarn Ivan, sondern die leicht hysterische Nachbarin Ivana um die exaltierte Tochter des Hauses werben - und aus der Eheanbahnung wird ein furioser Zickenkrieg. Amara Palacios mit der Küchenschürze über dem Brautkleid befeuert die Szene mit ihrem Temperament, sodass sich Åsa Ågren, die mit ihrem schwedischen Akzent auf bezaubernde Weise über Vatersnamen, Liegenschaften und Familienüberlieferungen stolpert, mehr und mehr in Rage redet.

Jan Björn Potthast, der sich als Regisseur mit dem "Jubiläum" den härtesten Brocken unter den drei Einaktern vorgenommen hatte, lässt seine Schauspieler auf höchst unterhaltsame Weise aneinander vorbei spielen: Tobias Malangré, bewährt in vielen Tragaudion-Hauptrollen, ist als Bankdirektor ebenso überzeugend wie Jürgen Huber als sein Schreiber. Auch die beiden weiblichen Rollen sind mit Patricia Cerny als dauerplappernde Bankdirektorsgattin und Elke Ebert als resolute Bittstellerin durchaus gelungen besetzt.

Die Verlogenheit bürgerlicher Moralvorstellungen führt der Menschenkenner Tschechow in dem von ihm selbst als "Posse" bezeichneten Einakter "Der Bär" vor. Amara Palacios spielt nun unter der Regie von Christian Hanselmann die spröde Witwe, die sich an ihrem untreuen, aber mittlerweile verstorbenen Ehemann durch Dauertrauer und Tugendhaftigkeit rächen will - und dann doch dem nächstbesten polternden Rüpel, gespielt von Marcus Meyer, in die Arme sinkt.

© SZ vom 26.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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