Süddeutsche Zeitung

Theater:Wiener Wahnwitz

Die Kolpingbühne Starnberg zeigt mit "Pension Schöller" eine bewährte Komödie, die auch auf kleiner Bühne funktioniert.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Ein spleeniger Weltreisender, der seinen Bruder als Jagdtrophäe ausstopfen lässt, ein reizbarer Major, der zum Duell auffordert, eine absonderliche Schriftstellerin, die den Leuten Löcher in den Bauch fragt und sie in den Wahnsinn treibt: Die Wiener Pension Schöller ist wahrlich ein Käfig voller Narren. Irrungen und Wirrungen sind programmiert, und man fragt sich: Wer ist hier verrückt und wer normal? Kein Wunder, dass Onkel Philipp fest daran glaubt, die Familienpension sei ein privates Heim für Geisteskranke.

Der irrwitzige Schwank von Carl Laufs und Wilhelm Jacoby in der Bearbeitung von Hugo Wiener ist die Garantie für wahre Begeisterungsstürme im Publikum und steht daher seit mehr als 100 Jahren fest auf dem Programm großer Bühnen. Mit der Kolpingbühne Starnberg haben sich nun auch Laien an die schwungvolle Komödie herangewagt und sie mit beeindruckender Professionalität umgesetzt. Das Ensemble zeigte bei der Premiere am Donnerstag, dass es sich durchaus mit großen Bühnen messen kann. Die Darsteller waren mit Charme, Spiellust und Leidenschaft dabei, die Zuschauer jubelten.

Die Kolpingbühne Starnberg steht für Theaterklassiker. Um den Wünschen der Zuschauer aber gerecht zu werden, gibt es alle drei Jahre auch ein lustiges Stück. Spielleiter Josef Hiebl hatte den temporeichen Schwank "Pension Schöller" schon lange im Hinterkopf. Die Umsetzung von Komik ist jedoch für Laiendarsteller eine wesentlich größere schauspielerische Herausforderung als ernste Rollen: Der Witz muss perfekt sitzen. Wer es mit Kaspern und Kalauern übertreibt, läuft Gefahr, dass es irgendwann nicht mehr komisch wirkt. Zudem braucht es Mut, Organisationstalent und Tricks den Stoff ohne nennenswerte Bühnentechnik zu zeigen. Den Mut zur Umsetzung hatte Hiebl ebenso wie auf das Vertrauen ins Können seiner Schauspieler. Der Regisseur hatte allerdings Bedenken, ob die aufwendige Kulisse auch auf kleiner Bühne funktioniert. Zwar macht der Verlag normalerweise entsprechende Vorschläge. Doch diese Empfehlungen gefielen dem Spielleiter nicht. Er hatte deshalb die Idee den Bühnenumbau bei offenem Vorhang ins Spiel zu integrieren. Kulissenbauer Werner Hanika sorgte für die praktische Umsetzung, indem er das Bühnenbild mit Stoffen gestaltete, die in Rahmen eingespannt wurden. Auf diese Weise können Kulissenteile leicht transportiert und von den Schauspielern verschoben werden. Die Kostüme wurden von zehn Ensemblemitgliedern selbst genäht, die Proben waren mit mehr als 100 Stunden sehr zeitaufwendig. Hiebl weiß, dass dieses Engagement nicht selbstverständlich ist, zumal einige der 20 Schauspieler beruflich deutschlandweit unterwegs sind. Der Regisseur ging neue Wege, indem er etwa die Rolle der Pensionsinhaberin Amelie mit Gundula Kerler und Anna Stellmann auf zwei Darstellerinnen aufteilte. Hans Otto spielt die Hauptrolle des Philipp Ludwig Lenzmayer mit Witz und voller Temperament. Als Glücksgriff erwies sich Angelika Wulff als Sängerin Agatha Scheiberl, beim "Dirnenlied" bogen sich die Zuschauer vor Lachen. Auch die übrigen Rollen der Inszenierung sind umsichtig und differenziert besetzt.

Der Regisseur setzte das Stück mit Dynamik und Temperament um. Die Authentizität des Stück blieb bewahrt und mit durchgängigem Regionalbezug (Onkel Philipp hat eine Villa in Niederpöcking) individuellen Charakter zu verleihen. Fazit: Die drei schwungvollen Akte sind ein sicheres Rezept, um Licht in graue Novembertage zu bringen.

Pension Schöller läuft noch bis 25. November. Termine und Tickets gibt es im Internet unter der Adresse www.kolpingbuehne.de

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Quelle:
SZ vom 10.11.2018
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