Theater:Wetterfeste Premiere

Utting Seebühne

Ein bestens disponiertes Ensemble: Das Singspiel ist in Utting noch bis 11. August täglich außer montags zu sehen - wenn es nicht in Strömen regnet.

(Foto: Georgine Treybal)

Bei der Premiere von "Im weißen Rössl" kommt das Publikum der Uttinger Seebühne voll auf seine Kosten. Das augenzwinkernde Spiel mit Schnulzen und Klischees animiert zum Mitsingen und Lachen

Von Armin Greune, Utting

"Wie wird denn das Wetter dieses Jahr?" "Es wird regnen und regnen. Wir warten nur noch auf ein Erdbeben." Man kann nur hoffen, dass diese Prognose des Zahlkellners Leopold für die aktuelle Saison der Uttinger Seebühne nicht zutrifft. Denn die originelle Inszenierung und das spielfreudige Ensemble von "Im Weißen Rössl" hätten sich einen neuen Publikumsrekord wie schon 2003 bei der ersten Aufführung des Stücks redlich verdient.

Bei der erneuten Premiere am Freitag hat Leopold zunächst recht behalten. Dem Spaß tat dies freilich keinen Abbruch: Erst fünf Minuten vor dem planmäßigen Ende schlugen in Utting die ersten Tropfen auf und das Erdbeben, das danach auf der neuen Tribüne zu spüren war, rührte her vom Getrampel eines restlos begeisterten Publikums. Auch bei den übrigen Aufführungen dieses nassen Wochenendes erwiesen sich Zuschauer und Mitwirkende als wetterfest: Obwohl es zwischendurch immer wieder mal nieselte, konnten beide Vorstellungen komplett über die Bühne gehen.

Dabei ist das 1930 von Ralph Benatzky geschriebene und von den Nazis als "entartet" gebrandmarkte Singspiel bereits ohne widrige Rahmenbedingungen eine echte Herausforderung. Auf der Seebühne aber, wo ohne Mikro und Verstärker gesprochen und zur Livemusik eines fünfköpfigen Orchesters gesungen wird, ist schon allein die stimmliche Leistung der Darsteller bewundernswert. Zudem gilt es, trotz aller Mühen die beschwingte, stets leicht ironische Grundstimmung des Stücks wiederzugeben. In Utting wurden die semiprofessionellen Schauspieler diesen Aufgaben in nahezu allen Belangen gerecht. Und wenn doch das Stimmvolumen mal an die Grenzen gelangte, konnte das geschickt überspielt oder persifliert werden.

Das wurde schon zu Beginn klar, als Postbotin Tina Pieczynski ihr "Holladihoho" absichtlich so schön-schaurig-schräg in die ausverkauften Ränge schmetterte, dass es von dort wie ein Echo "Hohohoho" zurück klang. Lachen, klatschen, singen: Das Publikum kam beim amüsanten Spiel mit Schnulzen und Klischees auf seine Kosten. Und als es in der ersten Szene nach der Pause ein mitfühlendes "Oohhh" hören ließ, als Leopold (Ruben Hagspiel) mit gepacktem Koffer am Steg stand, gestattete sich der geschasste Kellner mit bebenden Lippen ein bestätigendes Nicken.

Heuer muss Hagspiel allerdings seinen in sechs Jahren hart erarbeiteten inoffiziellen Titel als Seebühnen-Publikumsliebling wohl an seine angebetete Kontrahentin Barbara Hölzl abtreten: Sie spielt die hochnäsige Rössl-Wirtin Johanna so furios, dass ihr schon beim ersten Szenen-Abgang Bravo-Rufe folgen. Später brilliert sie mit ihrem ausgebildeten Mezzosopran, als sie zu "Im Salzkammergut kann man gut lustig sein" gleichzeitig tanzt und singt.

Es fällt schwer, Einzelne aus der bestens disponierten Truppe hervorzuheben, aber Lisa Bales gibt mit ihrem naivem Blick dem lispelnden Klärchen schon besonderen Glanz. Das Talent Luis Graf wächst von Jahr zu Jahr auf der Seebühne in größere Rollen hinein: Vor sechs Jahren debütierte der Enkel des Volksschauspielers Max dort als Achtjähriger, heuer steht er Leopold als Piccolo fast schon ebenbürtig zur Seite.

Florian Münzers Inszenierung und die Kostüme von Christel Gebhardt halten wieder augenzwinkernde Ironie bereit. Etwa als Klärchen und Sigismund in Badekostümen mit Schwimmflossen auf der Luftmatratze im See paddeln und ihr Liebesduett "Was kann der Sigismund dafür" trällern. Oder wenn als Dampfer eine potemkinsche Sperrholzattrappe daherkommt, was das Anlegen an der Seebühne nicht gerade erleichtert. Aber auch das Problem meisterte das Ensemble bravourös.

"Im weißen Rössl" ist bis 11. August täglich (jeweils 20 Uhr) außer montags zu sehen. Tickets: www.seebuehne-utting.de

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