"Durchgeimpft und voller Spielfreude kehren wir nun wieder zurück auf die echte Bühne", heißt es im Programmheft der Freien Bühne München (FBM) zu "Peer Gynt" nach Henrik Ibsen. Spielfreude und Enthusiasmus sind auch die ersten Begriffe, die gleich bei der Eingangsszene des Stücks der integrativen Theatertruppe auffallen, die im Gautinger Bosco vor vollem Haus gastierte. Wie die sieben Schauspielerinnen und Schauspieler in knallroter Ski-Unterwäsche und roten Socken über die Bühne wirbeln, das strahlt pure Lust an der Darstellung und am Leben aus. Sie scheinen genau so unbändig wie die Figur des Außenseiters Peer Gynt, der sich seine Welt zusammenfantasiert und ständig neue Lügengeschichten erzählt.
In der Inszenierung von Ulf Goerke wird Peer Gynt abwechselnd von allen Sieben gespielt, was nur anfänglich ein wenig verwirrt, dann aber sehr gut Peers verschiedene Gesichter zeigt. Durch schnell übergeworfene andere Kostüme verwandeln sich die Mimen in andere Figuren: ein Kopftuch und ein weißes Gewand lassen Marysol Barber-Llorente zu Aase werden, der Mutter des Protagonisten, ein weißes Kleid macht aus Natalie Lehmann die hübsche Solveig, in die Peer sich verliebt, und ein überlanges rüschiges Abendkleid lässt Luis Goodwin und Jonas Stenzel zum Trollkönig mit zwei Köpfen mutieren.
Das Besondere an der Inszenierung ist auch, dass persönliche Geschichten der jungen Schauspieler in die Fantasien Peer Gynts eingebaut sind, wie Angelica Fell, die Leiterin und Vorsitzende des Vereins FBM erklärt. Beispielsweise erzählt Marysol als Aase, was passierte, als sie in die Apotheke gehen wollte und ihre Mund- und Nasenmaske vergessen hatte. Oder Luis Goodwin, der berichtet, dass er früher sehr gemobbt wurde. Das eigene Leben wird damit Teil der Inszenierung.
Fell, selbst Mutter eines Sohnes mit Trisomie 21, hat vor Jahren die Freie Bühne für Schauspieler mit und ohne sichtbare Einschränkungen gegründet, die sich mittlerweile großer Anerkennung erfreut. Sie ist zu Recht stolz darauf, dass ehemalige Mitglieder der Freien Bühne fest im Ensemble der Kammerspiele sind. Besonders erfreut ist sie darüber, dass die aus Tutzing stammende Luisa Wöllisch, die mit dem Down-Syndrom geboren wurde, gerade mit dem Bayerischen Kulturpreis ausgezeichnet worden ist. Maria Ringel, Lehmann, Lena Flögel, Wolfgang Vogel, Stenzel, Goodwin und Barber-Llorente und machen es dem Publikum leicht, die Schwierigkeiten des "verrückten" Peer und seiner verschiedenen unglücklichen Liebschaften zu erkennen. Die Darstellung der Trolle und Fabelwesen der nordischen Mythologie tragen ebenfalls dazu bei, Peers tragische Geschichte zu erzähle, die mit dem Tod der Mutter endet. Und immer wieder wird das Geschehen durch Musik unterbrochen, es wird getanzt, gejagt und gekämpft. Doch die Musik ist einfach zu laut - die einzige wirkliche Kritik; etwas weniger wäre sicher mehr, was nicht an Komponisten Enik liegt, sondern doch eher an der Technik.
Peer Gynt ist eine außerordentliche Inszenierung mit außerordentlichen Darstellern, die zu Recht fünf Mal auf die Bühne zurückgeklatscht wurden.