Tassilo:Kunst in luftiger Höhe

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Das Gautinger Zebra-Stelzentheater arbeitet an einem neuen Stück für die Zeit nach der Pandemie und an einem Jugendprojekt

Von Blanche Mamer, Gauting

Wie aus dem Nichts erscheinen sie. Sind plötzlich da, riesengroß, in fantastischen Kostümen, wiegen sich, tanzen, springen und schweben hoch über den Köpfen der staunenden Zuschauer und erzählen nur durch ihren Körpereinsatz und ihre Spielfreude magische Geschichten: die Akteure des Zebra-Stelzentheaters. Eigentlich müssten sie die idealen Künstler für diese Zeit sein. Ihre Auftritte finden meist an der frischen Luft statt, sie bewegen sich ein bis zwei Meter über dem Publikum und kommen diesem und einander nie nahe. Doch nichts geht mehr, Events des Stelzentheaters sind jetzt genau so untersagt, wie Theater oder Konzerte auf der Bühne. Für Rolf Kassalicky aus Gauting, der vor mehr als 30 Jahren zusammen mit seinem Freund Carl Kittel die außergewöhnliche Truppe gründete und immer noch leitet, sind die bundesweiten Regeln zu Pandemie-Bekämpfung "traurige", die er verfehlt nennen würde, wenn dann nicht Applaus aus der falschen Ecke käme. Und da will er keinesfalls hin. Im Gegenteil, seit Monaten überlegen die Frauen und Männer auf den langen Holzstäben zusammen mit anderen Künstlern, was sie tun können, um die Angst, Not und Vereinsamung der Corona-müden Menschen etwas zu lindern. Im Sommer, als die Pandemie-Richtlinien gelockert waren, hatten sie ihre Performances angepasst. Stelzenläufer in Regenbogen-farbigen Kostümen oder in bayerischer Tracht tänzelten zu zweit durch Parks, Fußgängerzonen, Einkaufszentren und an Warteschlangen entlang, um gute Stimmung und Zuversicht zu verbreiten. Sie hielten ein Infobanner zwischen sich, um die Menschen an die Abstandsregeln zu erinnern und die Weite zu markieren. Denn Abstand halten sei notwendig und sinnvoll, selbst wenn das "soziale Wesen Mensch" tanzen und sich vergnügen wolle, sagt Kassalicky.

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(Foto: Stelzentheater/oh)

Ob Außerirdische...

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

... oder Farvebtänzer:

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(Foto: Zebra-Stelzentheater/oh)

Das Zebra-Stelzentheater unter Leitung von Rolf Kassalicky fällt überall auf.

Die Überlegungen gingen weiter. "Wir sehen die Probleme, Angst und Verunsicherung der Jugend und fragen uns, wie sie ihre Zukunft sehen, was sie fühlen, wovon sie träumen. Für das Projekt "Zukunft Generation Z" habe man Fördergelder bekommen und eingesetzt, so Kassalicky. Die Idee: Über eine Umfrage bei jungen Menschen soll ein treffendes Bild über deren Pläne und Träume gewonnen werden, das eventuell in eine Theaterform gegossen werden könnte.

Doch das wichtigste aktuelle Projekt des Zebra-Stelzentheaters wäre ohne die gute Zusammenarbeit in der Gautinger Kunstszene wohl nicht machbar. Seit kurzem arbeitet Kassalicky mit Stefan Fiechert von den Puppet Players an der "Phönix"-Produktion. Der Maler, Puppenbauer und -spieler hat vor zwei Wochen damit begonnen, in seinem Atelier im Gautinger Schlosspark an einem riesigen Vogel zu arbeiten. Der mythische Phönix, der sich immer wieder aus der Asche erhebt, Symbol für Hoffnung und Neubeginn, ist die Hauptfigur in einem neuen Stelzentheaterstück, das im Herbst in Gauting Premiere haben soll. Geplant ist es als Performance mit Beteiligung des Publikums, das seine Anregungen und Wünsche mitteilt, die dann auf farbige Papierfahnen geschrieben werden. Der Phönix, der zunächst aus Skelettteilen besteht und erst zusammengebaut wird, bekommt die Wünsche als Gefieder angeheftet und kann sich, getragen von einem Stelzenläufer, aus der Asche erheben. Mit Hilfe von weiteren Stelzenläufern dreht er seine Runde, bevor er wieder auf seinem Gestell landet und als Skulptur stehen bleibt. Wann mit den Proben begonnen werden kann, ist noch nicht klar.

"Als wir im Februar mit der Planung des bevorstehenden Festivalsommers begannen, haben wir uns auf einen tollen Sommer gefreut. Doch die schlechte Nachricht kam bald - die ersten Festivals wurden abgesagt. Eine Einladung nach Pakistan, die mich vor kurzem erreichte, habe ich selbst abgesagt", erzählt Kassalicky.

Die Grasshoppers zeigen nicht nur bunte Kostüme, sondern auch spektakuläre Sprünge. (Foto: Stelzentheater/oh)

Seine fantastischen Shows und Aktionen haben dem Zebra-Stelzentheater nicht nur in Europa, sondern auch in Japan, Taiwan, Amerika und den arabischen Staaten viele Fans und damit auch zahlreiche Auftritte beschert. Seinen Namen hat es übrigens von der allerersten Figur, einem Zebra, das 1987 bei einem Auftritt im Montessori-Kindergarten in Aufkirchen die Erfolgsgeschichte begründete. Seiner Tochter Katharina zuliebe hatte sich Kassalicky an dem Fest beteiligt. Katharina selbst ist heute eine begeisterte Stelzentänzerin.

© SZ vom 03.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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