Kandidaten für den Tassilo 2018:Stars im Schloss

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Plant die Programme zwei, drei Jahre im Voraus: Reiner Ginzel. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die von dem Cellisten Reiner Ginzel geleiteten Musikfreunde Tutzing bieten seit den Siebzigerjahren hochrangige Konzerte mit Künstlern wie Julia Fischer, dem Hagen-Quartett und jungen Ausnahmetalenten.

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Große Dinge beginnen manchmal harmlos: mit einer einfachen Idee und der Motivation, sie zu verwirklichen. So ist es auch bei den "Musikfreunden Tutzing" gewesen. Christa-Maria Friedrich, Studiendirektorin am Gymnasium der Gemeinde, hatte einfach nur den Wunsch, mit Schülern Bachs "Johannespassion" oder Haydns "Die Jahreszeiten" auf die Bühne zu bringen. Und da die Mittel dafür fehlten, wandte sie sich an den damaligen Bürgermeister Alfred Leclaire, der sofort aktiv wurde. Er tat, was heute leider viel zu selten geschieht: Er sprach mit anderen kulturell interessierten Tutzingern darüber. Mit Erfolg. 1971 kam es zur Gründung des ehrenamtlichen "Freundeskreises zur Förderung der Musik in Tutzing e. V." mit dem Ziel, Mittel für die Realisierung des Projekts zu beschaffen.

Die Geburtsstunde der nachmaligen Musikfreunde Tutzing war gekommen. Und noch bevor die Johannespassion im März 1972 sowie ein Konzert der in Tutzing und Umgebung ansässigen Musiker im Juli 1972 über die Bühne gingen, zog die Idee größere Kreise. Bereits im Dezember 1971 gab das Münchener Kammerorchester ein Gastspiel im Festsaal der Evangelischen Akademie. Die Reihe der späteren "Schlosskonzerte" war damit aus der Taufe gehoben. Viele renommierte Musiker sollten fortan Gäste des Fördervereins sein, allen voran der große Cellist Ludwig Hölscher, der in Tutzing beheimatet war.

Hermann Prey sang begleitet von Helmut Deutsch "Die schöne Magelone" von Brahms, Ludwig Güttler kam mit seinem Organisten Friedrich Kircheis, der Dresdner Kreuzchor und die Augsburger Domsingknaben gaben ein Gastspiel. Und zu den Gäste gehören auch die Flötisten wie Irena Grafenauer und Andrea Lieberknecht, Geiger wie Wolfgang Schneiderhan, Ingolf Turban (mit dem Pianisten Wolfgang Leibnitz), Lena Neudauer und Julia Fischer (mit ihrem Bruder Viktor am Flügel), renommierte Ensembles wie German Brass, Blechschaden, Los Romeros, Dvóřak Trio, Deutsches Streichtrio, Camerata Köln und so namhafte Streichquartette wie Orlando, Hagen, Henschel, Apollon Musagète sowie Bartók.

"Die Anzahl der Konzerte war am Anfang noch flexibel", sagt der jetzige Vorsitzende und künstlerische Leiter Reiner Ginzel. Nach Mediziner Max Halhuber und Pharmazeut Karl-Otto Gigl bekleidet er seit 2002 als Dritter den Vorsitz. Mitte der Achtzigerjahre musste aufgrund des nicht mehr zu bewältigenden Arbeitsaufwandes von anfangs sieben bis acht Konzerten jährlich auf fünf reduziert werden.

Als Cellist trat Ginzel in Tutzing unter anderem mit dem seit 1974 konzertierenden Deutschen Streichtrio auf, für das Komponisten wie Krzysztof Penderecki und Hans Werner Henze Werke schrieben und das heute noch in der Besetzung Turban, Jürgen Weber (Viola) und Ginzel aktiv ist. Durch seine Tätigkeit als Interpret, Professor für Violoncello und Kammermusik an der Münchner Musikhochschule, als Juror von Wettbewerben sowie als Lektor großer Musikverlage kann Ginzel auf ein umfangreiches Wissen über Werke und Interpreten zurückgreifen.

Mittlerweile haben sich unter dem Label der Schlosskonzerte mehrere Programmlinien herauskristallisiert, die weit über klassische Kammermusik hinausgehen. "Ich habe versucht, das Programm möglichst abwechslungsreich zu gestalten", sagt Ginzel. Die Motivation: "Man muss die verschiedenen Hörerinteressen aufgreifen, es kann nicht nur nach meinem Gusto gehen". Um das zu gewährleisten, steht Ginzel ein gewähltes Kuratorium als beratendes Gremium mitverantwortlich zur Seite. Eine Besonderheit im Programm sind monoinstrumentale Konstellationen. So konzertierten im Tutzinger Schloss Ensembles wie ein Flötenquartett von Michael Martin Kofler, das Arcis Cello Quartett, Bassiona Amorosa, German Hornsound und die Turbans (vier Violinen). Literarisch wurde es mehrfach mit dem Schauspieler Christian Quadflieg und mit der "Zauberflöte im Taschenbuchformat" von Gottfried Franz Kasparek und Mitgliedern der Münchner Philharmoniker. Ein wichtiges Anliegen ist den Musikfreunden Tutzing die Programmlinie "Stars von morgen" zur Förderung junger Talente. In der Reihe waren bereits Studenten der Hochschulklassen von Ana Chumachenko, Daphne Evangelatos und Julia Fischer zu hören.

Bei besonderen Anlässen steht Reiner Ginzel schon mal am Pult renommierter Orchester. Zum Abschluss der 1275-Jahr-Feier in Tutzing etwa vor dem Georgischen Kammerorchester Ingolstadt. Zu Gast waren zudem schon die Budapester Kammersolisten und die Münchner Symphoniker. Als 2012 die Würmseehalle eingeweiht wurde, dirigierte Ginzel die Württembergische Philharmonie. Seither steht dem Verein auch diese Halle für große Konzerte zur Verfügung. Und wird eine Orgel benötigt, finden die Musikfreunde in der Kirche St. Joseph ein gutes Instrument.

Aktuell sind die Musikfreude 180 Mitglieder stark. 160 davon sind Abonnenten, von denen wiederum gut ein Drittel Nicht-Tutzinger sind und aus der ganzen Region bis aus Weilheim zu Konzerten kommen. Mitgliedsbeiträge und Abos würden trotz hoher Auslastung der Veranstaltungen nicht reichen, so hochrangige Konzerte zu finanzieren. Die Gemeinde sowie der Landkreis unterstützen daher die Musikreihe finanziell. Seit dem Führungswechsel an der Evangelischen Akademie und der damit einhergehenden "besseren Vernetzung mit dem Ort", so Ginzel, sei auch die Zusammenarbeit mit der Hauptspielstätte der Musikfreunde entspannter.

"Man muss zwei bis drei Jahre im Voraus planen", sagt Ginzel. Insofern ist es wohl kein Fehler, bereits jetzt an die 50-Jahr-Feier 2021 zu denken, will man sich Auftritte renommierter Musiker sichern.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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