Kandidatin für den Tassilo 2018:Integration mit Kamera

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Leitet den Verein "Die Fotowilden": die vormalige Physiotherapeutin Marlen Peix in ihrem Wohnzimmer in Starnberg. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei den Starnberger "Fotowilden" sind auch Menschen mit Behinderung. Marlen Peix hat den Verein 2010 gegründet.

Von Gerhard Summer, Starnberg

Wenn Marlen Peix in die Verlegenheit käme zu erklären, was so Besonderes ist an ihren Starnberger "Fotowilden", müsste sie im Grunde nur ein einziges Bild heraussuchen. Die Aufnahme ist vor ein paar Jahren in der Münchner Pinakothek der Moderne entstanden, sie zeigt zwei Ausstellungsbesucherinnen, die einen Freudentanz aufführen vor einer riesigen, silbrig glänzenden Skulptur.

Das Ganze hat leicht überirdische Anmutung, auch weil John Chamberlains Kunstwerk im Hintergrund aussieht wie ein ziemlich ramponiertes Marsmobil. Eine der Frauen ist Peix, sie hat ihr linkes Bein in der Luft und lächelt in die Kamera. Die andere heißt Karin Lauterbach. Ihr Kopf ist in den Nacken gelegt und nach rechts gewandt, ihre Augen sind zu, und ihre rechte Hand ist geschlossen, ganz so, als wolle sie diesen Moment des Glücks und der Ausgelassenheit festhalten, auf dass er nicht so schnell vorüber gehe. Langzeitbelichtung und Tanz waren zwei der Themen, mit denen sich die Gruppe bei dieser Fortbildung befasste. Die Kameras sind ohnehin immer dabei, wenn Peix mit ihrer Gruppe Ausflüge in den Wildpark Poing, nach Raisting und ins Wasmeier-Freilichtmuseums macht oder Ausstellungen in der Bayerischen Versicherungskammer, dem Stadtmuseum oder der Pinakothek in München besucht. Was bei einigen Ausflugszielen nur deshalb möglich ist, weil derzeit keiner der Lichtbildner auf den Rollstuhl und damit auf Barrierefreiheit angewiesen ist.

Unter den 25 Lichtbildnern des Vereins, Profis wie Amateuren im Alter zwischen 25 und 70 Jahren, sind nämlich vier mit geistiger oder körperlicher Behinderung. Karin Lauterbach ist eine von ihnen. Und gerade für diese Menschen sei die Gemeinschaft besonders wichtig, sagt Peix.

Die integrative Gruppe ist längst zusammengewachsen: "Wir lernen viel voneinander", was "unterschiedliche Sichtweisen, Freude, Fröhlichkeit, Menschlichkeit und Achtung voreinander" betrifft. Und für scheinbar schwierige Probleme gibt es oft eine simple Lösung. Wie also soll jemand fotografieren, der die rechte Hand nicht mehr benutzten kann? Er dreht die Kamera um und kann den Auslöser nun mit links bedienen, das auf dem Kopf stehende Bild wird hinterher im Fotoshop gedreht. Voraussetzung dafür ist die Arbeit mit Digitalkameras, die nicht manuell eingestellt werden müssen. "Mit analogen Geräten wäre es schwieriger", sagt Peix.

Die 67-jährige Starnbergerin ist vor allem für ihre experimentellen Arbeiten bekannt: für wie gemalt wirkende Bilder, schemenhafte Porträts und Objektverfremdungen. Ihr größtes Experiment aber sind die 2010 gegründeten "Fotowilden", ein Zusammenschluss des Kunstkreises "Uferlos" mit dem "StaRKen Club" des Roten Kreuzes. Können und Vorlieben sind in dieser Fotogruppe unterschiedlich ausgeprägt. Manche Mitglieder sind auf Makrofotografie spezialisiert, andere halten vorwiegend Landschaften fest, wieder andere grundsätzlich alles, was ihnen so vor die Linse kommt. "Dabei ist oft gar nicht festzustellen, ob das Bild von einem Menschen mit oder ohne Behinderung kommt", sagt Peix.

Die Arbeiten der "Fotowilden" waren in bislang sieben Ausstellungen zu sehen, die spektakulärste davon war im September 2012 in Pingyao in China. Heuer repräsentiert Peix' Verein die Kommune Starnberg bei einer Ausstellung des bayerischen Netzwerks Stadtkultur und hält am 14. April im Rathaus einen Workshop ab. Das Thema: "Anders sehen".

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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