Süddeutsche Zeitung

Tassilo:Kluftis Mann fürs Musikalische

Der Pöckinger Komponist Rainer Bartesch ist in vielen Genres zu Hause - auch in der Vertonung von Filmen

Von Reinhard Palmer, Pöcking

Rainer Bartesch lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Es ist vielmehr eine imposante Schubladenkommode nötig, um alle seine Aktivitäten zuzuordnen. Schon die berufliche Tätigkeit des in Maising lebenden Musikers lässt sich nicht so leicht fassen, denn der Weg dorthin war keinesfalls klassisch im fünften Lebensjahr vorbestimmt. Es war sein eigener Antrieb, der ihn autodidaktisch mit zwölf Jahren zur Gitarre führte. Mit Klassik, Pop, Latin, Jazz, aber auch Volksmusik waren bereits damals Barteschs Interessen breit gestreut. Bis er in einer Blaskapelle das Horn wie auch das Alphorn kennenlernte und Feuer fing. Nach einer mehrjährigen Klavier-Episode und einem abgebrochenen Chemie-Studium war schließlich klar, wie es weitergehen sollte. Bartesch erwarb das Horn-Diplom an der Musikhochschule München und spielte in verschiedenen Orchestern, bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden sogar unter dem bekannten italienischen Dirigenten und Komponisten Giuseppe Sinopoli. Aber das reichte nicht aus. Erst Komposition und Dirigieren eröffneten ihm die musikalische Befriedigung, die er nicht nur in der Ernsten Musik sucht. Musik ferner Kulturen, Experimentelles, Pop bis Beat, Jazz, Bühnenmusik für Kinder und Erwachsene, Filmmusik - die Bandbreite ist weit gefächert. Den größten Erfolg feierte Bartesch mit seinem Magnificat von 2007, das beim Kompositionswettbewerb des Bayerischen Rundfunks den ersten Preis erhielt und in der Reihe "Paradisi Gloria" unter der estnischen Dirigentin Anu Tali zur Uraufführung gelangte. 2001 schrieb er im Auftrag der Münchner Philharmoniker das Familienmusical "Ristorante Allegro", das seither erfolgreich aufgeführt wird. Daneben gewann die Filmmusik zunehmend seine Aufmerksamkeit. Unter den gut hundert Filmvertonungen erhielt er für den Soundtrack zu dem Kluftinger-Krimi "Erntedank - ein Allgäukrimi" 2010 den hochdotierten Rolf-Hans-Müller-Preis.

Barteschs Beschäftigung mit der Filmmusik wandelte seinen Kompositionsstil nachhaltig. Werke neueren Datums zeichnen sich durch eine suggestive Erzählweise aus, bleiben tonal und zielen verstärkt auf emotionale Wirkungen ab. Beim internationalen Kompositionswettbewerb Progressive Classical Music Award (PCM Award) 2019 errang er mit einer so grundierten Komposition "Wave Plays in Five" den vierten Preis. Lokal aktiv zu sein und Protagonisten aus unmittelbarer Umgebung einzubinden ist Rainer Bartesch genauso wichtig. Inzwischen realisierte er in Zusammenarbeit mit Lehrkräften vier große Projekte mit Schülern der Starnberger Montessori-Schule, die auch in der Schlossberghalle zu erleben waren. Er komponierte orchestrale Theatermusiken zu Schüleraufführungen "Die chinesische Nachtigall", "Das magische Licht" und "Schön-Tönig-Bunt" sowie "Eine Raumklangreise", zu der Schüler auch einen Film erstellten. Wobei stets die besondere Herausforderung darin bestand, den verschiedenen Altersstufen adäquat die jeweiligen Schwierigkeitsgrade anzubieten.

Weiter zurückliegend und bisher nur in Teilen aufgeführt entstand ein zweieinhalbstündiges Roseninsel-Festspiel "Königliche Träume". Es hätte zur Wiedereröffnung der Roseninsel nach der Restaurierung aufgeführt werden sollen, doch die Insolvenz des Produzenten vereitelte das Ereignis. Zwei Vertonungen von Texten der Protagonisten Sisi und Ludwig II nahm er heraus und ließ sie mit dem Weilheimer Kammerorchester und der in Pöcking lebenden Sopranistin Brigitte Lang hören. Manchmal ist Bartesch in der Region auch noch als Instrumentalist aktiv. Seine Altusrieder Alphornmesse führte er als Solist im Pöckinger Ortsteil Maising auf.

Die Blasmusik liegt Bartesch weiterhin am Herzen und er lässt schon mal in seinen Filmmusiken die Pöckinger Blaskapelle spielen. Zweimal schon war sie in der ARD-Serie "Weingut Wader" zu hören. Derzeit werden Förderer für ein filmisches Porträt von Pöcking und Umgebung gesucht, zu dem die Blaskapelle bei einer öffentlichen Aufführung live vor der Leinwand musizieren soll. Mit der allmählich gewonnenen Gewandtheit, eigene Großprojekte zu konzipieren und auf die Beine zu stellen, wagt Bartesch immer größere Unternehmungen. Als überzeugter Unterstützer der Fridays-for-Future-Bewegung komponierte er "Our World is on Fire - An Oratory for our Future", um ein breites Publikum für dieses Thema sensibilisieren zu können. Die geplante Uraufführung mit dazu bereits produzierten Bewegtbildern konnte coronabedingt noch nicht stattfinden, daher konzipierte Bartesch eine weltweite virtuelle Aufführung, für die alle Protagonisten aus 41 Ländern sich selbst filmisch aufzeichnen. Auch ein gigantischer Chor soll erklingen, in dem Amateure aus der Region mitmachen. Zu einem Multivision-Spektakel collagiert, wird das Werk noch in diesem Jahr online zu erleben sein. Die für 12. Juni in München geplante Live-Uraufführung soll in die Breitwandkinos im Landkreis Starnberg per Livestream übertragen werden. Über Crowdfunding und Fördergelder vom Bund und Landkreis ist die Finanzierung bereits gesichert.

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SZ vom 06.05.2021
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