Von der Steinzeit bis zum Naziregime:Monumentale Zeitreise

Lesezeit: 3 Min.

Darf beim Tag des offenen Denkmals nicht fehlen: Die Votivkapelle im Berger Ortsteil Leoni in unmittelbarer Nähe zum Kreuz, das die Stelle markiert, an der einst König Ludwig II. zu Tode kam. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Franz Xaver Fuchs)

Am Tag des offenen Denkmals laden im Fünfseenland historische Stätten aus zwei Jahrtausenden zum Sonntagsbesuch ein.

Von Armin Greune, Starnberg

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz nennt es die „größte Kulturveranstaltung Deutschlands“: Zum Tag des offenen Denkmals 2024 laden bundesweit 5500 historische Stätten zu einem Besuch ein – viele davon sind sonst kaum zugänglich. Die nationale Version der European Heritage Days findet seit 1993 jeweils am zweiten Septembersonntag statt. Heuer steht dieser Tag unter dem Motto „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ – was den einzelnen Veranstaltern thematisch viel Spielraum lässt.

So kann man am 8. September zum Ferienende im Fünfseenland eine Zeitreise über zwei Jahrtausende antreten. Wird der Lechrain eingeschlossen, lässt sich sogar ins Jahr 3496 vor Christus eintauchen, als in Pestenacker (Gemeinde Weil) eine prähistorische Siedlung bestand. Am kommenden Sonntag ist das rekonstruierte Steinzeitdorf von 13 bis 17 Uhr geöffnet. An verschiedenen Stationen kann man Kochen und Backen, Weidenflechten oder Töpfern wie vor 5500 Jahren ausprobieren; ein Kinderprogramm steht bereit. Im Besucherpavillon schlägt die Sonderausstellung „Klima im Wandel – Eine Geschichte von Naturgewalten und menschlichem Einfluss“ den Bogen zur Neuzeit.

Die Grundmauern eines römischen Gutshofes aus dem 2. Jahrhundert nach Christus sind südlich von Leutstetten freigelegt und mit Glas eingehaust worden. (Foto: Stadt Starnberg/oh)
Das denkmalgeschützte Kaufhaus Biller an der Starnberger Hauptstraße öffnet am Sonntag erstmals nach der Renovierung die Tür. (Foto: Georgine Treybal)

An zwei Ausgrabungsstätten lassen sich die Spuren römischer Besatzung im Fünfseenland aus dem zweiten nachchristlichem Jahrhundert ablesen. Südlich von Leutstetten wurden 2002 Reste einer sogenannten Villa Rustica entdeckt, Fußbodenheizung und eine Wanne im Badezimmer waren noch gut erhalten. Ein rekonstruierter Grundriss zeigt die Form des antiken Hauses und wird durch einen gläsernen Pavillon geschützt. Am Sonntag wird das Denkmal von 10 bis 11 Uhr und von 15 bis 16 Uhr fachkundig vorgestellt. Mit Ziegelplatten und Mäuerchen hat auch der Verein Schondorfer Kreis den Grundriss des römischen Badehauses einer Villa Rustica nachgebaut. Am 8. September finden dort von 10 bis 16 Uhr jeweils zur vollen Stunde Führungen statt.

Die Adelskirche im Archäologischen Park Herrsching zählt zu den ältesten christlichen Sakralbauten Bayerns. (Foto: Verein für Archäologie und Geschichte Herrsching e.V,)

In das Frühmittelalter will die Gruppe „Wiridibora“ am Tag des offenen Denkmals entführen. Sie demonstriert im Archäologischen Park Herrsching den Alltag einer Fischerfamilie zur Merowingerzeit und stellt dabei Fangtechniken und Netzherstellung vor. Von 10 bis 17 Uhr sind in der Adelskirche Reproduktionen von Waffen und eines Prunkgürtels zu sehen. Während in Herrsching der Beginn des Mittelalters im Fokus steht, entstand das „Lochmannhaus“ in Starnberg gegen Ende dieser Ära. Vor mindestens 500 Jahren errichtet, markiert das Anwesen einen Siedlungsursprung der Stadt und war Hofmarksitz, Bauern- und Fischerhaus. Seit 1914 ist dort das Museum Starnberger See untergebracht. Es ist am Sonntag von 16 bis 18 Uhr geöffnet.

Auch der Kern der Machtlfinger Frauenkirche stammt aus der Spätgotik – aber wie fast alle Gotteshäuser der Region wurde sie nach 1700 innen und außen barockisiert. Eine Führung durch das von allen Andechser Kirchen am edelsten ausgestattete Gotteshaus wird am Sonntag um 17 Uhr angeboten. Die Grundsubstanz von St. Laurentius in Unterbrunn geht sogar bis auf das 12./13. Jahrhundert zurück, der Bau wurde mehrmals erweitert und bis 1758 im Stil des Spätbarock und frühen Rokokos umgestaltet. Zum Denkmaltag finden um 14 und 15 Uhr Kirchenführungen statt, die Xaver Rauchenberger an der Orgel musikalisch begleitet.

Im Söckinger Mausoleum sind Prinz Karl von Bayern und seine beiden Gemahlinnen in weißen Marmorsarkophagen bestattet. (Foto: Franz Xaver Fuchs/Franz Xaver Fuchs)

Das Mausoleum auf dem Söckinger Kahlenberg ist hingegen ein rein weltliches Denkmal: Prinz Karl von Bayern ließ die Rotunde im Stil des romantischen Klassizismus für seine 1838 gestorbene Frau Sophie bauen. Auch Karl selbst und seine zweite Ehefrau sind im Mausoleum bestattet, die weißen Marmorsarkophage sind am 8. September von 11 bis 17 Uhr zu bestaunen. 1864 zog das Kaufhaus Biller in das Gebäude Hauptstraße 25 in Starnberg ein. Bis 2013 war das Geschäft in Familienbesitz und -betrieb, die kostbare Innenausstattung aus dem Biedermeier blieb erhalten. Nach einer umfassenden Sanierung ist nun ein Kunstrestaurator ins Kaufhaus eingezogen. Am Sonntag können die vormaligen Verkaufsräume von 10 Uhr bis 14 Uhr besichtigt werden.

Zum Gedächtnis an König Ludwig II. wurde von 1896 bis 1900 die Votivkapelle in Berg errichtet; ausgemalt hat sie August Spieß, der auch in Neuschwanstein gearbeitet hat. Einmal jährlich gewährt der Wittelsbacher Ausgleichsfonds dem gemeinen Volk Zutritt ins Innere des Memorialbaus im byzantinistisch-romanischen Stil: am kommenden Sonntag zwischen 10 und 15 Uhr. Um 14 Uhr bietet Claudia Wagner eine 45-minütige Führung an. Aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende stammt auch die Linner-Mühle in Krailling: Bis 1970 wurde dort Getreide gemahlen, dank des restaurierten Wasserrads ist die Anlage noch immer funktionsfähig und am Sonntag von 12 bis 17 Uhr zu besichtigen.

Das mehr als hundert Jahre alte Künstlerhaus Gasteiger in Holzhausen bei Utting steht in einem Landschaftspark. (Foto: Nila Thiel)

Fast gleichzeitig ließen Privateigentümer am Westufer des Ammersees zwei Landschaftsparks anlegen. Im Uttinger Ortsteil Holzhausen entstand dazu ein Künstlerhaus, in dessen Räumen Werke des Bildhauers Matthias und der Malerin Anna Sophie Gasteiger ausgestellt sind. Sonntags ist es von 13 bis 17 Uhr geöffnet, um 13 Uhr findet ein Konzert statt. Musik erklingt auch im Dießener Schacky-Park, wo von 15 bis 16.30 Uhr das Puro Tango Quartett mit Clementina Culzoni am Monopteros aufspielt. Zum Tag des offenen Denkmals ist die von 1903 bis 1913 geschaffene Anlage von 8 bis 20 Uhr zugänglich, um 11 Uhr kann man sich einer Führung anschließen.

Auch wenn es formell nicht unter Denkmalschutz steht, erfüllt das „Wersonhaus“ in Gilching eine wichtige kulturhistorische Funktion. 2017 zog in die hundert Jahre alte Villa des Künstlers Jules Werson das Museum „Schichtwerk“ ein, das auch Funde aus der Römer- und Bajuwarenzeit enthält. Von 14 bis 17 Uhr ist am Tag des offenen Denkmals zudem die Sonderausstellung „Euthanasie“ geöffnet. Sie erinnert an eine der finstersten Zeiten der deutschen Geschichte: Anhand von ausgewählten Biografien wird den mindestens 50 Opfern im Landkreis Starnberg gedacht, die von den Nazis als vermeintlich erbkranke Menschen ermordet wurden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKultur und Geld
:„Wenn man an Künstlern spart, ist das Dummheit“

Hubert Huber ist seit 2002 Leiter des Symposiums „Kunst und Bier“ in Andechs. Was er jetzt von Politik und Gesellschaft fordert – ein Gespräch auf dem Heiligen Berg.

Interview von Astrid Becker

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: