Gautinger Reismühle:Die Wiege Karls des Großen

Neben vielen anderen Orten in Deutschland, Belgien und Frankreich gilt auch die Reismühle in Gauting als Geburtsstätte des mächtigen Kaisers - wissenschaftliche Belege dafür gibt es allerdings nicht.

Von Blanche Mamer, Gauting

Das Mühlrad und die Kaiserkrone im Ortswappen von Gauting stammen von der Reismühle an der Würm, die als Geburtsstätte Karls des Großen gilt. Hier soll am 6. April 742 oder am 2. April 747 - da scheiden sich die Geister - der kleine Karl das Licht der Welt erblickt haben. Verbrieft ist das nicht, genau so wenig wie Prüm in der Eifel als sein Geburtsort, oder Heristat bei Lüttich in Belgien. Es gibt noch etliche andere Städte in Frankreich, Belgien und Deutschland, die für sich reklamieren, Geburtsort des mächtigen Kaisers zu sein. Doch weder der Ort noch das genaue Datum seiner Geburt sind eindeutig belegt. "Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt", so berichtet es zumindest Karls Biograf Einhard, der 15 Jahre nach dem Tod des Frankenkönigs (814) dessen Leben aufschrieb.

Die Erzählungen über die Mühle als Geburtsort von Karl dem Großen hat Ludwig Bechstein Mitte des 19. Jahrhunderts in seinem deutschen Sagenbuch niedergeschrieben, sagt die Gautinger Gemeindearchivarin Regine Hilpert-Greger. Doch schon viele Jahre davor habe es Hinweise darauf gegeben: So sei die Reismühle in der Freskenmalerei auf Schloss Hohenschwangau, die 1833 bis 1837 von Moritz von Schwind entworfen wurden, in Zusammenhang mit Karl dem Großen dargestellt, sagt die Archivarin. Zudem habe ein Mönch die Reismühlen-Sage bereits 1472 in der Weihenstephaner Chronik aufgeschrieben. Das erklärt auch die heutige Eigentümerin der Reismühle, Gabriele Haller, geborene Guggemos. Ihre Familie ist seit 1846 im Besitz der Mühle, die jedoch seit 1998 nicht mehr betrieben wird. Allerdings treibt die Würm noch Turbinen an, die Strom produzieren.

Für das Entstehen der Sage gebe es sicherlich örtliche Hinweise, sagt der Kreisheimatpfleger und pensionierte Volksschullehrer Gerhard Schober aus Gauting, der sie 2002 in seinem Schulbuch "Heimat an der Würm" nacherzählt. Das Gebiet war karolingischer Besitz, dazu gehörte die Reichshofmühle, die heutige Reismühle. Die Geschichte selbst klingt recht poetisch: Einmal weilte Frankenkönig Pippin eine Zeitlang auf der Burg Weihenstephan bei Freising, als Gesandte aus Frankreich ihm die Botschaft brachten, ihr Herr habe seine Tochter Bertha als Gemahlin für ihn vorschlage. Sie brachten ein Bildnis der wunderschönen jungen Frau mit, und Pippin war sofort hingerissen. Er beauftragte seinen Hofmeister, die Braut in der Bretagne abzuholen. Die Reise war gut vorbereitet, die Prinzessin hatte ein großes Gefolge und Truhen mit prächtigen Kleidern und wertvollem Schmuck, doch der Abschied fiel ihr sehr schwer.

Geburtsort von Kaiser Karl dem Großen

Gern wird in Gauting die Sage erzählt, dass Karl der Große in der Reismühle geboren worden sei.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die beschwerliche Reise dauerte mehrere Wochen, und als sich der Tross dem Ziel näherte, schickte der Hofmeister das Gefolge der Braut nach Hause. Er war ein böser treuloser Ritter, der einen arglistigen Plan gefasst hatte. Längst hatte er eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Bertha und seiner Tochter festgestellt und wollte diese gegen die Prinzessin austauschen. Als die Abordnung von Schwaben "durch die tiefe Wildnis zwischen dem Ammersee und dem Würmsee, nicht weit von einem Heidenort des Namens Gauting kam, gebot er in jenem Walde seinen Knechten, die fremde Braut zu töten", heißt es bei Bechstein. Der Hofmeister schmückte seine Tochter mit den prächtigen Kleidern und führte sie dem König zu. Pippin merkte zwar, dass die Braut nicht so jung und schön war, wie auf dem Bildnis, nahm sie doch zur Frau.

Die Knechte aber hatten Erbarmen mit der schönen Prinzessin, verschonten sie und töteten an ihrer Stelle ihr treues Hündchen, das ihnen gefolgt war. Sie brachten dem Ritter die Zunge des Hundes als Beweis für den Tod der Prinzessin. Diese hatte ihnen geschworen, über ihre Rettung Stillschweigen zu bewahren, nie ihre wahre Identität preiszugeben und nie wieder nach Hause zurückzukehren.

Die Jungfrau irrte lange durch die wilden Wälder bei Königswiesen und wurde schließlich von einem Köhler gefunden. Er brachte sie zu der Mühle im Tal, wo sie aufgenommen und von nun an als Magd diente. Am Hof ihres Vaters hatte Bertha schöne Näharbeiten und Sticken gelernt und hatte etwas Seide und Goldfaden dabei. Daraus wirkte sie eine wunderschöne zarte Borte, die der Müller zum Markt nach Augsburg brachte. Die Krämerin dort war entzückt über die wunderbare Handarbeit, sie verlangte nach mehr. Bertha freute sich über die Anerkennung, der Müller kaufte immer wieder neuen Stoff und Faden und wurde reich durch der Jungfrau Arbeit.

Sieben Jahre später begab sich König Pippin auf die Jagd im dichten Walde zwischen Gauting und Starnberg - so heißt es in der Sage. Dabei soll er sich allerdings verirrt haben und wurde von seinem Gefolge getrennt. Nur sein Astrologe und Arzt, ein Jäger und ein Knecht waren bei ihm. Sie hatten sich in der Wildnis verirrt und trafen nur einen Köhler, der ihnen den Weg zur Reismühle zeigte. Der freundliche Müller beherbergte sie als fremde Kaufleute. Am Abend las der Astrologe in den Sternen und teilte dem König mit: In den Sternen stehe, dass er noch an diesem Tage bei seinem Weibe sein und einen Sohn zeugen werde, der zum Heidenüberwinder und noch größer als er, Pippin, werde.

Geburtsort von Kaiser Karl dem Großen

Gabriele Haller, die Eigentümerin der ehemaligen Mühle, und ihre Schwiegertochter Tanja Haller pflegen die alte Wiege im Eingang des Wohnhauses.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der König konnte das nicht glauben, war seine Gemahlin doch weit entfernt. Doch dann fragte er den Müller, wer denn noch unter seinem Dach lebe. Nach anfänglichem Zögern erklärte der Mann, dass eine schöne Fremde im Haus lebe. Pippin befahl, sie zu sehen. Sobald er Bertha erblickte, erkannte er in ihr die reizende junge Prinzessin, dessen Bild ihm die französischen Gesandten gezeigt hatten. Als er Bertha befragte, brach sie in Tränen aus, sie wollte ihren Schwur nicht brechen. Da sah Pippin an ihrer Hand den Ring, den er seinem Hofmeister für sie mitgegeben hatte. Er herzte und küsste sie und "gewann sie zum Weibe", so Bechstein. Nach einigen Tagen und Nächten musste Pippin aufbrechen und ins Feld ziehen. Bertha blieb beim Müller. Der Feldzug gegen die Sachsen dauerte ein Jahr, auf dem Rückweg kam Pippin der Müller entgegen und überreichte ihm eine Speerspitze als ein Zeichen dafür, dass Bertha einen Sohn geboren hatte. Der König führte die junge Mutter im Triumphzug auf sein Schloss, der Kleine wurde auf den Namen Karl getauft. Der untreue Verräter und seine Frau wurden mit dem Tod bestraft, deren Tochter, die falsche Gemahlin, wurde in den tiefsten Kerker verbannt.

Pippin heiratete schließlich die richtige Bertha, belohnte den Müller und die mildherzigen Knechte. Er zog mit seiner Familie und allem Gefolge ins Frankenreich, wo Berthas Sohn heranwuchs und später als Carolus Magnus zum bedeutendsten Herrscher Europas wurde. Die Reismühle selbst wurde allerdings erst 1281 zum ersten Mal urkundlich erwähnt.

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