SZ-Serie S(ee)aisonarbeiter:Winter-Wirtin am Ammersee

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An einem Kiosk am Ammersee verköstigt Lena Mielke auch jetzt im Winter Gäste. Anders als im Sommer geht es gerade ruhiger zu. Das Angebot hat die Gastronomin an die Jahreszeit angepasst. (Foto: Georgine Treybal)

Lena Mielke empfängt im Sommer Restaurantgäste und betreibt einen Kiosk in Utting. Auch jetzt im Winter können sich hungrige Spaziergänger eine Stärkung vom Kiosk holen, zum Beispiel Toast, Glühwein oder Nussecken

Von Linus Freymark, Utting

Diese Stille! Normalerweise ist es ja andersrum, meistens fällt einem eher der Lärm auf als die Ruhe. Das Dröhnen etwa, wenn ein Flugzeug seine Turbinen anwirft. Das Brüllen der Schweißgeräte, wenn die Schweißer ihre Maschinen starten. Diese Orte sind stets von einer Geräuschwolke umgeben, und umso auffälliger ist es, wenn sie dann plötzlich weg ist. An diesem Dezembernachmittag im Strandbad Utting ist es genauso. Man kennt das Bad aus den Sommermonaten der eigenen Kindheit, Kinder schreien herum, Jugendliche lassen sich mit akrobatischen Verrenkungen vom Sprungturm ins Wasser fallen. Überall wird geredet, gelacht und manchmal auch geweint, denn nicht alle Erwartungen an einen Sommertag im Schwimmbad erfüllen sich.

Umso größer ist der Kontrast zum Winter. Keine Kinder. Auf dem durch den Regen matschig gewordenen Parkplatz oben beim Bahnhof findet man ohne Suchen eine Lücke. Der große Sprungturm: verlassen. Die Segelschule, von der aus im Sommer Ausflügler zu ihren Segelbootstouren über den See aufbrechen: geschlossen. Der Steg, an dem die großen Dampfer anlegen: verwaist, die Saison beginnt erst wieder im April. Die einzigen Geräusche sind das Knirschen der Kieselsteine unter den eigenen Sohlen und das Schnattern der Gänse und Enten, die sich am Seeufer breitgemacht haben.

Auch gastronomisch ist in diesen Wintermonaten in Utting am Ammersee nicht allzu viel los. Das Restaurant "Lenas am See", das im Sommer die Menschen mit gegrillten Fischen direkt aus dem See lockt und im Winter Einheimische wie Auswärtige mit hochwertigen Menüs verköstigt, ist geschlossen, was weniger an der Jahreszeit liegt als an der Pandemie. Die vielen stornierten Reservierungen, die abgesagten Feiern, die Unwägbarkeiten der Zukunft: "Es war nicht mehr planbar ", sagt Inhaberin Lena Mielke. Mielke ist so etwas wie ein Kind des Sees. Sie ist direkt an seinen Ufern aufgewachsen und nach einem Intermezzo in der Fremde wieder nach Utting zurückgekehrt, um hier ihr Restaurant zu eröffnen. Alle kennen sie hier nur als Lena, und weil sie auch über dem Restaurant wohnt, hat sie den See das ganze Jahr über im Blick. "Im Winter genießen wir hier vor allem die Ruhe", sagt sie. Mielke mag die Sommermonate, wenn im Strandbad Leben einkehrt und was los ist, aber umso dankbarer ist sie für die ruhigen Monate in der kalten Jahreszeit.

Doch weil auch im Winter durchaus Ausflügler und Einheimische für einen Spaziergang an den See kommen, hat sich Mielke trotz des geschlossenen Restaurants eine kleine Bastion bewahrt, um ihre Gäste verköstigen zu können. Denn der Kiosk des "Lenas am See" ist weiterhin geöffnet, zumindest an den Wochenenden und Feiertagen kann man davon ausgehen, hier etwas zu bekommen. Um sicher zu gehen, empfiehlt Mielke einen Blick auf die Facebook- oder Instagram-Seite des Betriebes, wo die aktuellen Öffnungszeiten bekannt gegeben werden.

Mielke hat ihr Angebot an die Jahreszeit angepasst, es gibt Glühwein und Toasts gegen die Kälte und wer es süß mag, kann sich bei Mielke Kuchen oder Nussecken von der hauseigenen Konditorei holen. "Bei uns kann man sich was holen, wenn man eine kurze Pause vom Spazierengehen braucht", erklärt Mielke.

Anders als im Sommer geht es am Kiosk gerade ruhiger zu. "Im Winter ist es nicht so wuselig", sagt Mielke. Dennoch finden nicht nur Menschen aus der Umgebung den Weg zu ihr. "Es kommen auch im Winter viele Tagestouristen, die aus der hetzigen Stadt rauswollen", sagt sie. "Das Verhältnis würde ich ungefähr auf 50:50 schätzen." Die meisten der Auswärtigen würden aus München kommen, aber auch aus Augsburg würden immer wieder Menschen den Weg zu ihr an den Ammersee finden.

Doch auch wenn Mielke den Betrieb am Kiosk mag, vermisst sie das Geschäft im Restaurant. Gerade im Winter herrsche dort eine besonders gemütliche Atmosphäre. Viele Stammgäste kommen dann zu ihr, und weil die meisten dann auch ein mehrgängiges Menü bestellen, bringen sie viel Zeit mit. "Die chillige Atmosphäre mag ich schon sehr", sagt die Gastronomin. Der See gehört dann nur ihr, ihren Gästen und den Vögeln. Aber weil das Restaurant gerade geschlossen ist und der Kiosk nicht durchgehend geöffnet ist, bleiben Mielke und ihre Familie in diesem Winter einen Großteil der Zeit mehr oder weniger allein mit dem See.

© SZ vom 07.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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