Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie ´Mein kleines Biotop`:Vom Rasen zur Wildblumenwiese

Wer einen Blühstreifen anlegt, sollte aufs Saatgut achten. Gartenabfall lässt sich als Kompost oder Jauche verwerten

Von Armin Greune, Andechs

Zugegeben: Mähen und Düngen sind nicht gerade Gartenthemen, die besonders sexy klingen. Nichts mit Bienen, nichts mit Blümchen - stattdessen Grünmüll und Jauche. Aber Mähen und Düngen sind im Moment schwer angesagt in dem kompakten Hausgarten, den Jana Schmaderer in Erling pflegt. Und Umgraben: Ihr Mann Peter hat für einen Blühstreifen mit Wildblumen ein Stück Rasen umgestochen. Ganz verzichten wollen sie darauf noch nicht, auch wenn die relativ monotone Grasfläche kaum zur Artenvielfalt am Haus beiträgt. Der Rasen wird bei ihnen als Spielplatz gebraucht: wenn das Enkelkind zu Besuch ist, besonders aber als Arena zum Herumtollen ihrer drei Zwergdackel.

Auch für naturfreundliche Gartenbesitzer kann ein Grasplatz wertvoll sein: Auf Rasen lässt sich Boccia oder Federball spielen; Liege, Planschbecken oder Trampolin aufstellen. Man sollte ihn freilich so selten wie möglich und vor allem von Hand mähen: Jana Schmaderer hat von ihrer Tierärztin gehört, wie viele verstümmelte Igel, Blindschleichen, Kröten und Vogelnestlinge in die Praxen eingeliefert werden, seitdem Mähroboter auf dem Vormarsch sind.

Sie verwendet einen Mulchmäher, der den Grasschnitt wieder in den Rasen einarbeitet und ihm so wieder Nährstoffe zuführt: "Das ist aber umstritten, weil die meisten Wildblumen auf ungedüngten Böden besser gedeihen", sagt die geprüfte Gartenbäuerin. Deshalb hat sie sich entschieden, eine Teilfläche zur Magerwiese umzugestalten. Zunächst wurde die Grasnarbe stückweise abgetragen und gewendet - unter reger Anteilnahme von Amseln und Staren, die sich zu einem Regenwurm-Festmahl eingeladen fühlten.

Eine Grasschicht mit Erde fand im Komposthaufen Platz, "mehr geht nicht, sonst führt der Luftabschluss zur Fäulnis", weiß Schmaderer. Die übrigen Soden lagern unter der Hecke und verrotten zu Gründünger. Auf die freigelegte Erde wird nun Natursand geschüttet, den Abschluss bildet eine dünne Schicht vom eigenen Kompost. Darauf sät sie eine spezielle Samenmischung aus, die sie wochenlang feucht hält. Erst mal aber muss sie die Saat mit einem Netz schützen - "sonst fressen es sofort die Spatzen". Beim Saatgut rät Schmaderer, genau auf die Herkunft zu achten: "Leider ist da ganz viel Mist auf dem Markt." Billige Päckchen aus dem Regal enthalten oft nordamerikanische Blühmischungen, die zwar im ersten Sommer eine knallbunte Pracht entfalten - sich aber nicht aussäen, sodass im Folgejahr nichts davon übrig bleibt. Schmaderer ist Vorsitzende der Solidargemeinschaft Starnberger Land, die Betriebe und Kommunen beim Anlegen von artenreichen Blühstreifen berät. Dabei sind Samenmischungen gefragt, die auf lange Sicht Nahrung bieten. Wie etwa eine Mischung des Wildbienenexperten Paul Westrich: In ihr sind 36 heimische Arten enthalten, die Nektar und Pollen für Hummeln, Seiden-, Pelz-, Mauer- und Holzbienen bieten.

Alles was in Schmaderers Garten beim Mähen, Jäten oder Ernten übrig bleibt, wird dort verarbeitet: "Wir fahren nie zum Kompostplatz." Das meiste Grüngut verrottet mit den Küchenabfällen im Komposthaufen zu Dünger. Blumen und Gemüse in den Hochbeeten werden zudem mit Nährstoffen aus Jauchen versorgt, die Schmaderer aus verschiedenen Pflanzen ansetzt. Klein geschnittene Brennnesseln sind eine wichtige Stickstoffquelle, die von Juli an das Wachstum von Tomaten oder Kohl beschleunigt. Mit silikatreicher Ackerschachtelhalmjauche lässt sich die Pflanzenstruktur stärken. Und Rhabarberjauche hilft gegen Schädlinge wie Schnecken. Das Rezept ist recht einfach: Jaucheeimer werden halb mit Pflanzenmasse befüllt, mit Regenwasser nicht ganz randvoll aufgefüllt und mit einem Deckel verschlossen. Zur Sauerstoffversorgung wird der gärende Sud einmal am Tag umgerührt. Nach drei Wochen kann die Jauche mit der zehnfachen Wassermenge verdünnt eingesetzt werden.

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Quelle:
SZ vom 28.05.2019
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