Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Mein kleines Biotop, Folge 5:Eindringlinge im Garten Eden

Lesezeit: 3 min

Raupen, Läuse, Nacktschnecken: Auch in einem naturnahen Garten hat man mit Schädlingen zu kämpfen. Es gibt viele Mittel, sich gegen sie zu wehren - auf Gift kann man fast immer verzichten

Von Armin Greune, Andechs

Sogar im insektenfreundlichsten Garten ist nicht alles willkommen, was da kreucht und fleucht. Wer Obst und Gemüse anbaut, teilt seine Ernte ungern mit haarigen Krabblern oder schleimigen Invasoren; an-, ab- und kahlgefressene Blumen lassen wohl auch den friedfertigsten Hobbygärtner zu Gegenmaßnahmen greifen. Aber wo verläuft die Grenze zwischen Nützling und Schädling? Kann man in Zeiten des Artensterbens noch zufällig ausgegrabene Engerlinge den Vögeln zum Fraß vorwerfen? Oder sollte man nicht eher froh sein, wenn noch Maikäfer herumschwirren? Wer ist Freund, wer der Feind? Und wenn diese Frage geklärt ist, steht die Wahl der Waffen an: Wie geht man gegen die einzelnen Gegner vor, wenn sich doch die chemische Keule von selbst verbietet?

In Jana Schmaderes kleinem Haus-und Bauerngarten in Erling hat sich eine erfreuliche Vielfalt von Insekten und Vögeln eingefunden. Doch inzwischen sind auch einige ungebetene Gäste eingefallen: Am Radi nagen Erdflöhe, die Lenzrose ist von gelben Raupen befallen. Die Blätter des Dosts kräuseln sich, Pilzbefall setzt dem Pfirsichbäumchen und einer Rose zu. Vor allem aber breiten sich massenweise Blattläuse und Nacktschnecken aus: "Beides war im vergangenen Jahr kein Problem", sagt Schmaderer, "aber heuer ist bei mir ein Blattlaus- und Ameisenjahr". Letztgenannte hatten ihre Eroberungszüge schon aufs Wohnzimmer ausgedehnt, bis Schmaderer an der Terrassentüre olfaktorische Barrieren gegen das Heer errichtete: Immer wieder in Essigsäure getränkte Tücher und ätherische Öle von Majoran, Nelke, Zitrone oder Zimt stoppten den Vormarsch.

Ameisen sind genau so ein Grenzfall: Meistens nützen sie der Gartenvielfalt, weil sie pflanzenfressende Raupen, Insekten sowie deren Eier fressen und mit dem Ameisenbau Biomasse in die Erde einbringen. Außerdem sind viele Pflanzen darauf angewiesen, dass Ameisen deren Samen verbreiten, wie etwa Schlüsselblumen oder Veilchen.

Doch an manchen Orten fallen die Staaten bildenden Insekten mehr als lästig. Die beste Methode der Umsiedlung sei, einen großen Blumentopf über das Nest zu stülpen, sagt Schmaderer: Nach ein paar Tagen haben die Ameisen ihr Quartier in den Topf verlegt und lassen sich mit einer untergeschobenen Schaufel abtransportieren. Eine ärgerliche Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen und Gartenbesitzern herrscht auch hinsichtlich der Blattläuse: Während sie für die Ameisen - die sie hegen und aus ihnen "Honigtau" melken - in die Kategorie Nutztiere fallen, sehen Menschen in den Läusen genau das Gegenteil.

Bei Schmaderer sind die Blattsauger gerade an vielen Pflanzen aktiv: An Kornblumen und Klatschmohn, am Geißblatt und an der Damaszenerrose. "Noch habe ich nichts gegen sie unternommen, immerhin habe ich aber auch schon Marienkäfer gesehen", sagt die geprüfte Gartenbäuerin. Bekanntlich kann ein Siebenpunkt in einem Sommer bis zu 5000 Blattläuse vertilgen. In naturnahen Gärten finden die räuberischen Glückssymbole etwa in Stein- und Laubhaufen Unterschlupf, wo sie auch überwintern. Wer keine Marienkäfer zur Seite hat, sollte erst versuchen, die Läuse mit der Hand abzusammeln, rät Schmaderer. Aber an den einjährigen Korn- und Mohnblumen, die ohnehin bald verblüht sind, greift sie gar nicht ein. Und neben die Tomaten im überdachten Hochbeet hat sie Tagetes gepflanzt: "Deren Geruch mögen die Läuse gar nicht."

Reicht das Absammeln allein nicht, um der Blattlausplage Herr zu werden, will Schmaderer "meine Jauchen in Betrieb nehmen". Von der Brennnesseljauche war in dieser Serie schon die Rede, konzentriert kann sie gegen alle Blattsauger eingesetzt werden. Rascher lässt sich ein Brennnesselsud zubereiten: 100 Gramm Blätter werden in einem Liter Wasser kurz aufgekocht und dann über Nacht stehen gelassen. Nach dem Absieben wird der Sud auf die befallenen Pflanzenpartien gesprüht - "aber nicht in der prallen Sonne, sonst verbrennen die Blätter", warnt Schmaderer. Ihren Radi bestäubt sie regelmäßig mit Gesteinsmehl: Das verderbe den Erdflöhen, die kleine Löcher in die Blätter von Rukola und Radi fressen, den Appetit.

Grundsätzlich empfiehlt sie, befallene oder erkrankte Pflanzen zu stärken, indem man sie düngt oder mit homöopathischen Mitteln ihre Abwehrkräfte fördert. Zum Düngen eigne sich reifer Kompost oder Bokashi, den sie aus fermentierten, mit Bakterien geimpften Küchenabfällen herstellt. Homöopathie setzt sie etwa gegen Läuse an Rosen ein. Auch dem Pfirsichbäumchen, das an der Kräuselkrankheit leidet, will sie homöopathisch beistehen: "Thuja D6 oder C30 wären einen Versuch wert," meint Schmaderer. Denn gegen die von einem Schlauchpilz hervorgerufene, weit verbreitete Seuche lässt sich nach dem Austrieb sonst nur wenig unternehmen: Erst zeigen die Pfirsichblätter typische rötliche Blasen, dann fallen sie ab. Entweder werden sie im Sommer durch gesundes Laub ersetzt oder der geschwächte Baum stirbt.

Gelbes Sonnenröschen

Dieser immergrüne Halbstrauch richtet seine Blüten nach der Sonne aus; bei Dunkelheit, Nässe und Temperaturen unter 20 Grad bleiben sie geschlossen. Sie bieten Insekten zwar keinen Nektar, aber dafür umso mehr eiweißhaltigen Pollen. Die Gattung Helianthemum umfasst mehr als 170 Arten; das Gelbe Sonnenröschen wächst auf trockenen Standorten fast überall in Europa, ist aber in Deutschland schon ziemlich selten geworden. Im Gartenhandel werden Arten und Sorten in vielen Farbtönen von Weiß über Gelb und Orange bis Ziegel- und Purpurrot angeboten. Sie eignen sich für sonnige Beete, Steingärten und Wegränder und lassen sich auch im Topf kultivieren.

Orangerotes Habichtskraut

In dieser auffälligen Farbe blühen nur wenige Wildblumen. Eigentlich ist das Orangerote Habichtskraut ein Gewächs der europäischen Hochgebirge und wächst dort oberhalb von 1100 Metern Höhe, mittlerweile ist die Art aber selbst in Amerika und Australien verwildert anzutreffen. Auch in Erling und Umgebung hat es sich bereits auf mageren Wiesen ausgebreitet. Die üppig und von Juni an den gesamten Sommer über blühende Staude ist im Gartenhandel erhältlich und kann in Blumenwiesen, im Steingarten oder als Bodendecker verwendet werden. Sie braucht volle Sonne und bevorzugt eher kalkarme, nährstoffarme Böden, wo sie weder gedüngt noch gegossen werden muss.

Wiesensalbei

Diese in unseren Wiesen nicht häufig zu findende Staude ist vor allem bei Hummeln äußerst beliebt. Sie hat eine raffinierte Methode entwickelt, sich fortzupflanzen: Die Unterlippe der Blüte ist als Sitzplatz für die Bestäuber vorgesehen. Von dort aus sammeln langrüsselige Insekten den tief sitzenden Nektar und lösen dabei einen Hebelmechanismus aus, der den Blütenstaub an ihrem haarigen Körper abstreift. Die Insekten tragen dann die Pollen zu anderen Blüten weiter. Der Wiesensalbei gedeiht am besten auf kalkhaltigen, nährstoffreichen Böden an trockenen und sonnigen Standorten; dort kann er eine bis zu einen Meter tief reichende Pfahlwurzel ausbilden.

Was den Dost veranlasst, seine Blätter zu kräuseln, ist für Schmaderer ein Rätsel: "So etwas hatte die Staude noch nie, dabei ist sie etwa 20 Jahre alt und hat zwei Umzüge mitgemacht". Auch die Raupen in der Lenzrose sind noch nicht identifiziert, im Vorjahr hatte sie dort bereits die Fraßschäden, aber nicht deren Verursacher entdeckt. Immerhin lässt der prüfende Blick in den Buchsbaum daneben noch nichts Verdächtiges erkennen. Die Gartenbäuerin hofft, dass er auch weiterhin vom gefürchteten Zünsler verschont bleibt.

Den Nacktschnecken aber kommt wohl kein Garten aus. Sie entwickeln offenbar je nach Umfeld individuelle Vorlieben: In Schmaderers Garten sind es die niedrigen Glockenblumenarten, die als erstes niedergefressen werden. Vorbeugend bringt sie Rhabarberjauche aus, die akute Bekämpfung übernimmt ihr Mann Peter: Er sammelt die Schnecken ein, verbrüht sie mit kochendem Wasser und entsorgt die Reste weitab vom Garten, weil sie lebende Artgenossen anziehen. So sehr die allermeisten Tierarten willkommen sind - der Spanischen Wegschnecke haben die Schmaderers wie wohl alle Hobbygärtner den Krieg erklärt.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2019
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