SZ-Serie: Kioske im Fünfseenland:Die Nummer eins unter den Stegen

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Cathrin Dierks betreibt seit sieben Jahren den Kiosk im Possenhofener Paradies. Sie versorgt im Sommer hungrige Badegäste und im Winter Spaziergänger.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Possenhofen

Direkt am Ufer sitzen mit einem Getränk in der Hand, die Füße ins kühle Nass strecken und dabei den Blick über den See zur Roseninsel und auf die Alpen genießen: Der Uferbereich am Starnberger See in Possenhofen trägt nicht umsonst den Namen "Paradies". Hier kann man sich einen Platz an der Sonne suchen oder auch im Schatten unter hohen, majestätischen Bäumen.

Wer sich nicht unter die Badegäste mischen will, die dicht an dicht am Steg 1 liegen, setzt sich in den Biergarten am Kiosk oder in einen der Liegestühle, die Pächterin Cathrin Dierks kostenlos anbietet. Es kommen nicht nur Badegäste oder Spaziergänger, der Kiosk wird das ganze Jahr über von morgens bis abends frequentiert. Schon in aller Frühe, um 6 Uhr, kommen die "Steg-1-er", eine Gruppe von Einheimischen, die sich das ganze Jahr über zum Schwimmen treffen, auch im Winter. Läufer und Radler legen eine Pause ein, um kurz ins Wasser zu springen. Viele Stammgäste nehmen sich eine kleine Auszeit vom Alltag für eine Brotzeit zur Mittagspause, einen Kaffee oder einen kühlen Drink am Abend. Für manche ist der Kiosk am "Steg 1" sogar zu einer zweiten Heimat geworden. "Ich bin immer hier, wenn ich frei habe und das Wetter passt", sagt Andrea Hirth-Knauf aus München. Der Service am Kiosk sei super. Aber noch mehr Gastronomie würde sie nicht wollen, da ginge der Charme verloren.

Cathrin Dierks betreibt den Kiosk seit sieben Jahren. Zunächst hatte sie Robert Müller unterstützt, der ihn seit 1989 gepachtet hatte. Aus gesundheitlichen Gründen hat sich der Pöckinger Konditor vor vier Jahren von seinen Geschäften zurückgezogen und den Kiosk an Dierks abgegeben. Als gelernte Innenarchitektin für Kindergärten und Schulen ist sie zwar nicht vom Fach, aber sie betreibt den Kiosk mit Leib und Seele. Die Norddeutsche hat sich mit dem Arbeitsplatz direkt am Seeufer einen Traum erfüllt. Als Hamburgerin liege ihr die Liebe zum Wasser im Blut, sagt sie. Und sie hat das idyllische Plätzchen ausgebaut zu einem Ort, an dem sich jeder wohlfühlen soll, Familien, Jugendliche und Senioren. Außerdem hat sie das Speisen- und Getränkeangebot erweitert. Bis zu 20 Kuchenbleche gehen pro Tag weg, auch der Steckerlfisch ist sehr beliebt. Viele Stammgäste neigen deshalb laut Dierks zur Reservierung. Am Steg 1 werden Hochzeiten gefeiert und runde Geburtstage, auch Filme sind dort gedreht worden. Schauspielerin Uschi Glas sei besonders nett gewesen, als sie in der Drehpause bei ihr saß, sagt Dierks, die sich freut, wie friedlich hier alles ist, auch wenn Hunderte Besucher da sind. Wie sich die Kioskbetreiberin erinnert, musste nur einmal die Polizei einschreiten. Da sei ein Pornofilm gedreht worden, der keine Genehmigung gehabt habe.

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(Foto: Nila Thiel)

Hier kehren auch Flamingos ein: Am Kiosk im Paradies gibt es für alle etwas.

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(Foto: Nila Thiel)

Stand-Up-Paddler können sich Bretter im Kiosk ausleihen und auf dem glasklaren Wasser dahingleiten.

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(Foto: Nila Thiel)

Auch wer zum Lesen nach Possenhofen kommt, findet ein Plätzchen.

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(Foto: Nila Thiel)

Egal ob Surfer oder Faulenzer: Im Possenhofener Paradies werden alle fündig.

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(Foto: Nila Thiel)

Süßkartoffelchips, Flammkuchen und Pizza gehören zu den Speisen, die man am Kiosk mit oder ohne Flamingo-Schwimmringe verspeisen kann.

Dass die 300 Liegestühle, die am Seeufer pro Jahr aufgestellt werden, kostenlos sind, sei ein Alleinstellungsmerkmal, sagt Dierks. Nebenan verleiht ihr Sohn Mats Dierks seit vier Jahren SUP-Boards. 21 Bretter bietet er an für Profis und Anfänger. Sie sind an heißen Sommertagen oft schon am Vormittag vergeben. Auch Sonderveranstaltungen wie SUP-Yoga oder Vollmond-SUP sind beliebt. Und die Musikveranstaltungen am Abend oder am Wochenende haben sich weit über die Landkreisgrenzen hinaus herumgesprochen.

Der stellvertretende Geschäftsführer Tobias Lux ist für das Programm verantwortlich. 600 bis 800 Besucher seien keine Seltenheit, sagt er. Auch Winterfeste gibt es, da tummeln sich mehr als tausend Gäste am Seeufer. Denn der Kiosk hat das ganze Jahr über geöffnet. Die zahlreichen Spaziergänger seien froh, wenn sie in der kalten Jahreszeit Glühwein bekommen, heiße Suppen oder einen guten Kaffee. Die Arbeitstage der Kioskbetreiberin sind lang, von 7 Uhr morgens bis Mitternacht. Ohne ihr junges Mitarbeiterteam, von Festangestellten bis hin zu Teilzeitkräften, gehe es nicht, sagt Dierks.

Nur einen Wermutstropfen gibt es in diesem Paradies. Die öffentlichen Toiletten haben im Winter geschlossen. Ihre Gäste seien froh, dass sie eine Toilette anbieten könne, sagt Dierks. Doch die reiche nicht. Dierks hat schon mehrmals Anträge bei der Eigentümerin, der Landeshauptstadt München, gestellt, die Toiletten auch im Winter zu öffnen. Bislang ohne Erfolg.

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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