Süddeutsche Zeitung

Restaurant:Vom See in den Mund

Frische Renken aus dem Wörthsee sind eine Spezialität des Strandbads Raabe, das eine amüsante Geschichte hat.

Von Christine Setzwein

Das Restaurant "Raabe am See" ist wegen Renovierungsarbeiten bis Frühjahr 2017 geschlossen.

Irgendwie ist das Leben dann doch gerecht. Tonnenweise ließ Aloys Fleischmann in den Zwanzigerjahren am Wörthsee Sand aufschütten. Schließlich sollte das berühmte Strandbad Fleischmann in Steinebach auch einen richtigen Sandstrand haben. Von dem Sand ist heute kein Körnchen mehr da. Die leichte, aber beständige Strömung im Wörthsee hat den Sand im Laufe der Jahrzehnte einfach weiter getrieben bis zum Strandbad Raabe. Was das mit Gerechtigkeit zu tun hat?

Aloys Fleischmann hat seinerzeit gegen den heftigen Protest seines Schwiegervaters Karl Raabe ein Hotel und sein eigenes Strandbad eröffnet, nur ein paar Meter weiter und viel größer und mondäner. Als Fleischmann schließlich 1929 eine acht Meter hohe Wasserrutschbahn in den USA kaufte und sie nach Steinebach transportieren und dort aufbauen ließ, hatte er seinem Schwiegervater, der seine Badeanstalt bereits 1914 eröffnet hatte, endgültig den Rang abgelaufen.

Das ist lange her und der Konkurrenzkampf Geschichte. Thomas Bernhard ist heute geradezu froh, dass er wieder einen Mitbewerber hat. Denn in dem Jahr, in dem der "Augustiner am See" - das frühere Strandbad Fleischmann - neu aufgebaut wurde, konnten Bernhard und sein Team vom "Raabe am See" den Ansturm der Gäste kaum bewältigen. Bernhard ist der Urenkel von Karl Raabe und mit Leib und Seele Gastwirt. Das merken auch die Gäste - am guten Essen und am guten Service.

Bei der unmittelbaren Nähe zum See müssten einem die gebratenen Fische eigentlich auf den Teller springen. Eigentlich. Aber manchmal beißen die Wörthsee-Renken nicht. Wörthsee-Renke ist also aus, aber zum Glück stehen auf der Karte Forelle und Saibling. Den großen Saibling bereitet der Koch nach Art der Müllerin, er wälzt den Fisch mit dem rosafarbenen Fleisch in Mehl und brät ihn in der Pfanne braun heraus.

Angerichtet wird auf einem großen Teller mit zwei Hälften großer Kartoffeln, die sich als gelb matt glänzende Exemplare einer speckigen, wohlschmeckenden Sorte erweisen. Fisch und Kartoffeln vertragen etwas von der zerlassenen Mandelbutter, die so auf ganz natürliche Weise zur Geschmacksverstärkung beiträgt. Ähnlich verhält es sich auch mit der Sojasoße, die in einem kleinen Becher auf dem Teller des Wakame-Salats zur extra Würze bereit steht. Ein paar Tropfen reichen völlig aus, um die grell-grün leuchtenden Seetangstreifchen und die Gambas mit salzigem Aroma zu benetzen und die mit Sesamsamen angereicherte Marinade zu verfeinern.

Um im asiatischen Kontext zu bleiben, empfiehlt sich als zweiten Gang ein Sprung vom See an Land und zu einem gelben Thai-Curry mit Hühnerbrustwürfeln. Mangopüree, Limonenblätter, rote Chili und gelbe Paprika verleihen der dezent scharfen Soße eine ausgewogene Aromenvielfalt zwischen Zitrusfrucht und Kokosnuss.

Wem statt nach leichter Asia-Küche nach Deftigem ist, wird im Raabe auch bedient. Zum Beispiel mit einem lockeren Brezenknödel in einer sahnigen Pfifferlingssoße. Und weil Pilzsaison ist, gibt es die feinen Pfifferlinge auch als Bestandteil einer Kartoffelsuppe, deren erdbraun glänzende Oberfläche mit einem dicken Kleck Schlagsahne bedeckt ist. Der Suppe folgt wie zwangsläufig ein Schweinsbraten mit Reibeknödel. Die Scheiben bissfesten Halsgrats sind umgeben von einer dunklen würzigen Soße. Ein säuerlich-frischer, mit vielen Speckwürfelchen durchsetzter Krautsalat rundet den bayerischen Klassiker auf angenehme Weise ab.

Strandbad Raabe am See

Qualität: ●●●●●●●●○○

Service: ●●●●●●●●●○

Ambiente: ●●●●●●●○○○

Preis/Leistung: ●●●●●●●●○○

Adresse: Seestraße 97, Wörthsee

Telefon: 08153/7205

Internet: www.raabe-am-see.de

Anfahrt: Über die A 96 bis zur Ausfahrt Wörthsee, Richtung Etterschlag. Parkplätze für Gäste sind vorhanden.

Öffnungszeiten: Im Sommer täglich von 9. 30 Uhr an, durchgehend warme Küche von 11.30 bis 21.30 Uhr.

Ob asiatisch oder bayerisch, im Magen sollte unbedingt noch Platz sein für den Apfelstrudel, den die Chefin stets selbst macht. Da müssen all die mikrowellenerhitzten Strudelstreifen in anderen Häusern vor Neid in sich zusammenfallen. Die Äpfel so saftig, doch der knusprige Teig hält sie gut zusammen, sie zergehen auf der Zunge und hinterlassen ein süß-zimtiges Mundgefühl, das nur noch ein feiner Wildkirschenbrand vom Schlierseer Brenner Lantenhammer abzurunden vermag.

Thomas und Maria Bernhard, 49 und 47, haben ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. Er als Restaurantfachmann im Vier Jahreszeiten München, im Seehaus Schreyegg in Stegen, in der Hotelfachschule Altötting und im Steigenberger Belvedere in Davos. Sie stammt aus einem kleinen Dorf im Landkreis Fürstenfeldbruck, die Eltern hatten eine Landwirtschaft und ein eigenes Wirtshaus. Köchin will "Marille" werden und lernt in Münchens besten Häusern: im Café Luitpold, beim Dallmair und Käfer und schließlich im Restaurant Boettner. Kennen gelernt haben sich die Beiden, wie könnte es anders sein, im Strandbad, wo Maria ein paar Monate als Aushilfe gearbeitet hat. Aber erst als sie weg war, hat es richtig gefunkt, erzählt Thomas Bernhard. Die Hochzeit fand 1994 statt.

1990 wurde das alte Strandbad Raabe abgerissen. 1992 hat Thomas Bernhard den komplett neu gebauten "Raabe am See" eröffnet und in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder modernisiert. Jetzt gibt es eine Bar, Leder-Loungesessel, und auch die Terrasse wurde neu gestaltet. Zum modernen Ambiente soll das Essen passen, auch wenn "unsere Küche sehr traditionsbewusst ist", sagt Bernhard.

Auf den Teller kommen bevorzugt regionale Produkte, ob Fleisch, Fisch, Milcherzeugnisse oder Salat und Gemüse. Gesund soll die Ernährung sein, darauf legen die Bernhards, die zwei Töchter im Alter von zwölf und 20 Jahren haben, großen Wert. Das geht sogar bis zur Würze: In der Küche wird nur Salz aus der Pfannensaline Luisenhall verwendet, ein reines, natürliches Salz ohne chemische Zusätze. So rein wie das Salz ist auch das Bier. Ausgeschenkt wird Toerring-Bier. Die Wirte am See wissen, was sie den Grafen, den Eigentümern des Wörthsees, schuldig sind.

Nach dem Essen sollst du ruhen, heißt es. Am besten gleich nebenan im schnuckeligen Strandbad. Oder direkt auf dem See in einem der Tret-, Ruder oder Elektroboote, die die Bernhards vermieten.

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Quelle:
SZ vom 01.09.2016
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