Johanna P. wird den Tag niemals vergessen, der ihre Familie hinauskatapultiert hat aus dem Alltag, wie ihn Eltern mit kleinen Kindern gewöhnlich kennen. Sie waren erst eineinhalb Jahre zuvor in ein kleines Haus im Münchner Speckgürtel gezogen. Wenn die beiden Buben in der Kita waren, arbeitete sie als Krankenschwester im Krankenhaus und ihr Mann Mario als Entwicklungsingenieur. Am Wochenende unternahmen sie Ausflüge und ließen es sich gut gehen. Bis zu jenem Tag im Oktober vor drei Jahren, als sich die Atmung des zwei Jahre alten Max plötzlich veränderte. Johanna P. war beunruhigt. „Besser noch mal zum Arzt“, dachte sie sich. Der Kleine hatte erst eine Bronchitis gehabt. Der Kinderarzt schickte die Mutter mit ihrem Sohn direkt weiter in die Kinderklinik nach München-Schwabing. Dort erfuhren sie: Max hat Leukämie. „Da bin ich emotional erst mal zusammengebrochen“, erinnert sie sich.
Seither ist nichts mehr, wie es einmal war. Johanna P. bleibt sechs Wochen lang mit Max in der Klinik, Mario P. kümmert sich zu Hause um den vier Jahre alten Paul. Max bekommt eine Chemotherapie. Und weil das Risiko zu groß ist, dass sein Bruder aus der Kita Krankheitserreger aufschnappt, bleibt Paul daheim. Das Immunsystem von Max ist so schwach, dass die Familie alles unternimmt, um ihn vor möglichen Infektionen zu schützen: Sie schottet sich ab. Es kommt niemand mehr zu Besuch, sie gehen weder auf den Weihnachtsmarkt noch im Frühjahr auf den Spielplatz oder in den Biergarten.
Zwei Jahre dauern die Therapien, eine Zerreißprobe für alle. Max kämpft sich durch die Chemo, übersteht eine Pilzerkrankung in der Lunge, trägt zeitweise tapfer Korsett, bekommt Magensonden und Katheter gelegt, schluckt täglich Tabletten. Zweimal muss er das Laufen wieder erlernen, weil die Muskulatur zwischenzeitlich so schwach ist. „Er hat super mitgemacht“, sagt Johanna P.
Womit sie ihm und auch Paul in dieser Zeit immer wieder eine Freude machen kann, ist ein warmes Bad. „Mit Schaum“, wie Max betont. „Die Kinder planschen einfach gern, das entspannt sie und tut der Seele gut“, sagt die Mutter. Weil es im Haus nur zwei Duschen gibt, badet sie die Kinder in einer Wäschewanne. Inzwischen sind die Buben aber so groß, dass sie kaum mehr hineinpassen – die Familie wünscht sich darum eine richtige Badewanne. Durch die Krankheit sind die finanziellen Mittel stark eingeschränkt, das Gehalt der Mutter fehlt in allen Lebensbereichen. „Über eine Badewanne würden sich alle freuen“, sagt Johanna P. Das Spendenhilfswerk der Süddeutschen Zeitung hat Unterstützung zugesagt.
Dann könnten die Geschwister auch mal zusammen planschen. Max genießt die Zeit mit seinem großen Bruder sehr. Er durfte ihn in der Klinik nicht sehen, zugelassen sind Besucher dort erst von 14 Jahren an. Und auch Paul hat gelitten. Die Eltern versuchen, auch ihm Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken, doch oft reiche die Kraft nicht aus. Sie schaffen es gerade so, neben den Klinik- und Arztbesuchen noch den Haushalt zu organisieren – einkaufen, putzen, die Wäsche machen. Darum kommt einmal wöchentlich ein ehrenamtlicher Familienbegleiter von der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM), dessen Zentrum für Südwestoberbayern seinen Sitz in Inning am Ammersee hat. Der Familienbegleiter hat Zeit – Zeit für Paul.
Die Eltern sind im Funktions-Modus
„Das ist unglaublich toll“, sagt Mario P. und zählt auf, was Paul in diesen Stunden alles erlebt hat: den Besuch eines Kindertheaters, Ausflüge ins Museum und zu Sportveranstaltungen, abenteuerliche Wanderungen durch den Wald, unbeschwerte Stunden auf dem Fußball- und Spielplatz oder Besuche bei der Eisdiele im Ort. Für viele Gleichaltrige ganz normal, für Paul nicht. Der Junge genieße diese Stunden sehr, erzählt die Mutter. Und sie könnten sich mit ihm freuen. Die Eltern nehmen die Angehörigenberatung des AKM in Anspruch und erhalten Unterstützung bei Anträgen und Formalitäten – Dinge, für die ebenfalls nie Zeit ist. „Man hat da ja gar keinen Überblick“, sagt Mario P. Inzwischen kommt auch regelmäßig eine Haushaltshilfe. Die Eltern sind seit der Diagnose in einer Art Funktions-Modus: Sie funktionieren, damit Max gesund werden kann. Was sie sich wünschen? „Einfach wieder ein normales Leben“, sagt Mario P.
Ob es im März so weit sein wird? Im Oktober vergangenen Jahres kam der Krebs zurück – vier Wochen, nachdem er als besiegt galt. Max musste in die „zweite Runde“, wie Johanna P. sagt. Vor wenigen Wochen bekam der Junge eine Stammzellentransplantation – bald wird sich zeigen, ob es damit gelungen ist, dass Max’ Knochenmark fortan nur noch gesunde Blutzellen produziert.
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