SZ-Adventskalender:Zu wenig zum Leben

Viele Senioren kommen mit ihrer Rente nicht über die Runden, wollen aus Scham aber keine Hilfe annehmen. Geht dann der Kühlschrank kaputt oder droht eine Mieterhöhung, löst das bei alten Menschen Existenzängste aus

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Schon lange hat Renate R. (Name von der Redaktion geändert) das Gefühl, dass ihr niemand mehr helfen kann. Die Rentnerin hat einen Suizidversuch hinter sich, konnte aber gerettet werden. Die 70-Jährige hat ihr Leben lang gearbeitet, jetzt bezieht sie 700 Euro Rente im Monat. Davon gehen 500 Euro für die Miete weg. Der Rest reicht hinten und vorn nicht zum Leben. Also hat die ehemalige Verkäuferin einen Mini-Job angenommen. Doch die Arbeit raubt ihr jede Energie, sie hat keine Kraft mehr. Vor wenigen Monaten wurde sie krank, sie brach zusammen. Natürlich könnte sie Grundsicherung beantragen, doch das lehnt sie ab - aus Scham.

So wie Renate R. geht es vielen Klienten des Sozialpsychiatrischen Dienstes in Starnberg (SpDi). "Sie können von der Rente nicht leben und sind zu stolz, um Grundsicherung zu beantragen. Betteln geht nicht, stattdessen betreiben sie Raubbau mit der Gesundheit", weiß Angelika Büschel von der gerontopsychiatrischen Fachberatung im SpDi. Diese Menschen bräuchten wieder eine Perspektive. Büschel nennt mehrere Gründe, die Menschen im Alter in den Suizid treiben. Zum Gefühl, im Abseits zu stehen und nicht mehr gebraucht zu werden, kommt Einsamkeit hinzu, wenn Freunde sterben. Neben beginnender Demenz sind es sehr oft auch materielle Gründe, wenn ältere Menschen keine Perspektive mehr sehen. Renate R. könne nicht mehr arbeiten, sie sei körperlich am Ende, sagt Büschel. Durch die vielen Medikamente hat die Rentnerin zugenommen, ihre Kleidung passt ihr nicht mehr. Jetzt im Winter braucht sie einen Mantel, Schuhe, warme Unterwäsche. Da sie sich von ihrem Einkommen keine Kleidung kaufen kann, könnten Spenden aus dem SZ-Adventskalender helfen.

Bislang erhielt die Einrichtung jedes Jahr 7000 Euro vom SZ-Adventskalender. Mit diesem "Feuerwehrtopf" können Klienten dringend notwendige Dinge finanzieren - eine neue Waschmaschine oder die Zuzahlung zur neuen Brille. Flattert eine Heizungsnachzahlung ins Haus oder droht eine Mieterhöhung, löst das laut SpDi-Leiter Peter Pieroth Existenzängste aus. "Das kann für die Leute katastrophal sein." Manchmal hilft ein Zuschuss für ein Bus- oder S-Bahn-Ticket, damit die Klienten zum Gruppentreffen kommen können. Laut Pieroth sind diese Runden für sie oft der einzige Kontakt zur Außenwelt.

Auch Condrops in Starnberg erhält finanzielle Unterstützung vom SZ-Adventskalender, um schnell und unbürokratisch helfen zu können. Wie die Leiterin Sabine Krüger erklärt, bekommen viele ältere Besucher nur eine geringe Rente, weil sie wegen Krankheiten Lücken in ihrem Berufsleben haben, oder erhalten nur eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Zu den Treffen bei Condrops müssen viele Klienten quer durch den Landkreis fahren, können sich aber die Fahrkarte nicht leisten. Auch wenn das Bett kaputtgeht oder der Kühlschrank, ist es für diese Menschen eine Katastrophe.

"Ältere Menschen sind zu stolz, um Hilfe anzunehmen. Sie denken, sie schaffen es alleine", betont Christine Offtermatt vom Seniorentreff Starnberg. Zudem sind viele Senioren mit der Bürokratie überfordert, um Hilfe zu beantragen. So stehen Pflegebedürftigen laut Offtermatt 125 Euro monatlich zu für Hilfen im Haushalt. Doch dafür müssten sie Rechnungen einreichen oder Anträge stellen. Im Seniorentreff gibt es das Projekt "Selbstbestimmt im Alter", Betroffene bekommen dabei Unterstützung von Ehrenamtlichen. Kostenlose Wohnberatung wird ebenfalls angeboten, und zum Mittagessen im Seniorentreff werden ältere Leute mit dem Bus abgeholt. Auch hier werden Spenden aus dem SZ-Adventskalender benötigt, um die größte Not zu lindern.

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