SZ-Adventskalender:Wenn Kinder trauern

Der Kinderschutzbund Starnberg will sich um die Kleinen kümmern, die Vater oder Mutter verloren haben, deren Geschwister behindert oder unheilbar krank sind. Der Verein sucht bereits ehrenamtliche Paten

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Eigentlich würde Paul so gerne schlafen, einfach die Augen zumachen, sich ins Bett kuscheln und etwas Schönes träumen. Doch er darf nicht schlafen, denn er muss auf seine Mama aufpassen. Er hat eine entsetzliche Angst, dass seine Mutter tot sein könnte, wenn er aufwacht. Der sechsjährige Bub zwingt sich deshalb die Augen offen zu halten. Jedes Mal wenn sie zufallen wollen, reißt er sie ganz weit auf und starrt ins Dunkel. "Lieber Gott, mach dass die Mama morgen noch da ist", betet er.

Paul (Name von der Redaktion geändert) hat vor wenigen Wochen seinen Papa verloren, der nach langer, schwerer Krankheit starb. Schon vorher herrschte daher Ausnahmezustand in der Familie, aber seit dem Tod des Vaters schläft Paul nicht mehr. Und die Mutter will er mit seinen Problemen nicht belästigen, auf sie stürzt zu viel ein derzeit. Sie muss nicht nur den frühen Tod ihres Ehemanns verkraften, die Beerdigung und die notwendigen Behördengänge organisieren. Sie muss auch ihre berufliche Existenz erhalten, das ist jetzt wichtiger denn je. Doch abends kommt sie todmüde nach Hause. Um kindgerecht mit ihrem Sohn über seine Ängste und Sorgen zu reden, hat sie einfach keine Kraft mehr. Und sie weiß auch gar nicht wie. Bei Oma und Opa findet der Bub ebenfalls keine Stütze. Wie jeder in der Familie, sind auch sie tief betroffen. Und Paul steht mit seinen Ängsten alleine da.

"Man darf nicht vergessen, der Elternteil verliert seinen Partner und ist traurig. Aber das Kind hat seinen Papa verloren und die Großeltern ihren Sohn. Das Kind hängt in der Luft und wird nicht aufgefangen", erklärt Gunhild Kilian-Kornell, Kreisvorsitzende des Kinderschutzbunds Starnberg. Als Kinderärztin hat sie immer wieder in ihrer Praxis erlebt, dass Kinder den Tod eines Elternteils auf sich selbst beziehen. Sie glauben, sie seien schuld an dem Schicksalsschlag und sind tief verunsichert. "In dem Kind baut sich eine Wut auf, die es nicht einordnen kann", sagt die Vorsitzende.

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Da es für die betroffenen Kinder im Landkreis bislang keine Hilfen gibt, will der Kinderschutzbund nun das Projekt "Kinder in Extremsituationen" gründen. Es ist gedacht für Kinder wie Paul, die den Tod eines Elternteils verkraften müssen oder von Schwester beziehungsweise Bruder. Schwierig ist es für die Kleinen auch, wenn ein Elternteil an einer unheilbaren Krankheit leidet oder ein Geschwisterkind schwer behindert ist. Außerdem will der Verein alleinerziehende Mütter unterstützen, die unheilbar krank sind und nicht wissen, wo ihre Kinder nach ihrem Tod bleiben sollen. Bei diesen Schicksalsschlägen ist es wichtig, dass die betroffenen Familien konkrete Hilfsangebote bekommen, erklärt Kilian-Kornell. Dazu gehört die Vermittlung professioneller Hilfe, aber auch so genannte Hauspaten, die zu den Familien gehen und sie in der Krise begleiten. Zunächst will der Kinderschutzbund aber eine Anlaufstelle schaffen für Kinder in Not.

So sollen sich diejenigen treffen können, die durch das gleiche Schicksal verbunden sind. Das schafft eine ruhige, geborgene Atmosphäre, in der sich die Kinder wohlfühlen können. Denn Sicherheit ist es, was die Kinder brauchen, erklärt Yvonne Onusseit, pädagogische Fachkraft beim Kinderschutzbund. So können sie lernen, wieder loszulassen ohne Angst. Für die Kinder ist es wichtig, die Erfahrung zu machen, dass sie den überlebenden Elternteil auch einmal alleine lassen können, ohne dass etwas passiert. Die Gruppe hat aber auch den Vorteil, dass sie sich unter fachgerechter Betreuung unterhalten können und zugleich gemeinsam Spaß haben. "Es ist das Wichtigste, sich als Ansprechpartner darzustellen, die Kinder sprechen zu lassen im geschützten Raum", so Kilian-Kornell. Die Kinder sollen die Zeit bekommen, die sie brauchen und sich wahrgenommen fühlen. Die geschulten Helfer müssten erkennen, wann das Kind reden will. Sie dürfen ihnen nichts aufoktroyieren.

Später will der Kinderschutzbund eine zweite Gruppe aufbauen mit den so genannten Haushaltspaten, die die Familien unterstützen, beispielsweise indem sie die Kinder zu Freunden oder Sportveranstaltungen fahren und sie in ihrer gewohnten Umgebung beobachten. Wer sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren will, kann sich an den Kinderschutzbund Starnberg wenden. Bereits im Januar soll es eine erste Schulung geben. Die Ausbildung in 40 Unterrichtseinheiten erfolgt in Zusammenarbeit mit der Akademie für Trauerarbeit. Mit den Spenden aus dem SZ-Adventskalender könnte das Projekt finanziert und die Schulung der Helfer bezahlt werden.

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