SZ-Adventskalender:"Es eskaliert schneller"

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Familien treffen die gestiegenen Kosten besonders hart. Viele müssen beim Lebensmitteleinkauf sparen. (Foto: Robert Daly/Caia Image/mauritius)

Inflation und gestiegene Energiekosten machen Familien besonders zu schaffen. Wie Kinderschutzbund und Frauennotruf helfen - und dabei selbst an ihre Grenzen stoßen.

Von Carolin Fries, Starnberg

Sonja B. ( Name geändert) sagt, sie komme im Alltag klar. Vor vier Monaten hat ihr Mann sie und die drei gemeinsamen Kinder verlassen, jetzt ist die 45-Jährige alleinerziehend. Die Miete für die Sozialwohnung in Starnberg, das Auto und den täglichen Bedarf zahle ihr Ex-Mann - doch als Hausmeister verdiene er nicht viel Geld, so Sonja B. Vor wenigen Wochen hat die Familie die Nebenkosten-Abrechnung bekommen: 1200 Euro muss sie nachzahlen. "Ich weiß gar nicht, wie wir das machen sollen", sagt die Mutter. "Weihnachten ist ja auch noch".

Sie selbst würde gerne wieder als Reinigungskraft arbeiten, doch sie findet keinen Job. Ihr jüngster Sohn Artur ist Autist und wird nur bis mittags um 12 Uhr betreut. Zuletzt musste sie ihn selbst ins Förderzentrum fahren und wieder abholen, weil der Junge sich im Bus immer abgeschnallt hat. Sonja B. schnauft, "jetzt geht es gerade wieder und er fährt mit". Sie will den Kindern unbedingt einen kleinen Wunsch erfüllen zu Weihnachten, zudem bräuchten die Kinder dringend neue Kleidung. Der SZ-Adventskalender hat geholfen und warme Winterklamotten ermöglicht sowie ein Spielzeug für den autistischen Artur.

Öffentliche Gelder werden gekürzt, Mitglieder kündigen

Familien wie die von Sonja B. sind es, mit denen sich der Kinderschutzbund in Starnberg täglich beschäftigt. Die sieben Angestellten in Teilzeit beraten bei Trennung, Trauer oder anderen sogenannten hochstrittigen Familiensituationen. Dabei liegt der Fokus des Kinderschutzbundes immer auf dem Kindeswohl. Inflation und gestiegene Energiekosten hätten die oft schwierigen Situationen zuletzt zusätzlich verschärft, sagt die pädagogische Geschäftsführerin Martina Rusch. "Die Familienstabilität gerät ins Wanken", so Rusch, "es eskaliert schneller". Entsprechend groß sei aktuell der Beratungsbedarf. Doch der Kreisverband kommt dabei an seine Grenzen, denn: "Die öffentlichen Gelder werden gekürzt, Firmen spenden weniger und Mitglieder kündigen." Alle versuchten eben, zu sparen.

Gunhild Kilian Kornell (links) und Martina Rusch vom Kinderschutzbund in Starnberg. (Foto: Georgine Treybal)

Gleichzeitig bekommt auch der Verein die gestiegenen Energiekosten zu spüren. "Es fällt uns schwer, so die Infrastruktur aufrecht zu erhalten", sagt Rusch. Eigentlich war geplant, das Familienzentrum wiederzubeleben. So treffen sich in den Starnberger Räumen des Kinderschutzbundes diverse Eltern-, Kinder- und Jugendgruppen. Zudem bietet der Verein ein Bildungsprogramm an - das kostet Geld. Der SZ-Adventskalender unterstützt das Angebot des Kinderschutzbundes mit einer Spende und hilft Familien in Not. "Manchmal braucht es auch einfach schnelle und unbürokratische Hilfe", so Rusch.

Etwa im Fall einer unverheirateten Mutter, deren Lebenspartner unerwartet gestorben ist und die keine Witwenrente erhält. "Sie kann die Wohnung für sich und die Kinder nicht bezahlen", so Rusch. Doch in der akuten Trauersituation sei die Frau nicht in der Lage, einen Umzug zu stemmen, weshalb der Kinderschutzbund für zwei Monate finanziell unterstützte.

Claudia Sroka vom Frauennotruf "Frauen helfen Frauen" in Herrsching benötigt für ihre Arbeit dringend einen neuen Laptop. (Foto: Nila Thiel)

Beim Frauennotruf in Herrsching ist die Lage ähnlich. Sozialpädagogin Claudia Sroka und ihr Team kümmern sich insbesondere um Frauen, die Gewalt erlebt haben, ganz gleich in welcher Form und wie lange die Erlebnisse zurückliegen. Die Sätze, die sie am häufigsten hört, lauten: "Ich weiß gar nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin" und "wahrscheinlich bin ich selbst schuld". 535 Erstberatungen hat der Verein im vergangenen Jahr geleistet. Überwiegend haben Frauen Hilfe gesucht. Doch auch Angehörige und Fachpersonal suchten Rat bei den Experten.

Seit 33 Jahren schon gibt es den Verein, Sroka ist seit elf Jahren dabei. Sie sagt: "Wer Gewalt erlebt hat, tut sich schwer, Vertrauen aufzubauen." Entsprechend schwer sei es für die Betroffenen, sich ein stabiles soziales Netzwerk aufzubauen. Oft fehlt auch das Wissen, welche Rechte und Möglichkeiten Frauen im Fall einer Trennung haben, weshalb der Verein mit einer Rechtsanwältin zusammenarbeitet. Die gestiegenen Kosten erschweren die Situation zusätzlich: Viele Frauen fragen sich, ob sie sich eine Trennung überhaupt leisten können.

Der Verein hat in Herrsching eine Drei-Zimmer-Wohnung gemietet, es gibt ein Büro und zwei Beratungsräume. Die Möbel in den Zimmern sind alt, weshalb zwei neue Schreibtische fällig sind. Und der Laptop lässt sich nicht mehr schließen, weshalb dringend ein transportables Gerät für die Außensprechstunden in Gauting, Gilching, Starnberg und Tutzing angeschafft werden müsste. "Unsere finanziellen Mittel sind gering", sagt Sroka, "wir sind zum Jahresende immer froh, wenn wir es wieder geschafft haben". Der SZ-Adventskalender hat einen Teil der Kosten übernommen.

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