SZ-Adventskalender:Der Vergangenheit entfliehen

SZ-Adventskalender: Petra S. war ein Kleinkind, als der sexuelle Missbrauch durch ihren Vater begann.

Petra S. war ein Kleinkind, als der sexuelle Missbrauch durch ihren Vater begann.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Petra S. wurde als Kind sowie als erwachsene Frau sexuell missbraucht. Die 69-Jährige kämpft bis heute mit dem Trauma. Sie bekommt nur eine kleine Rente - zu gering für eine neue Waschmaschine.

Von Carolin Fries

Wenn Petra S. (Name und Wohnort geändert) wandert, fühlt sie sich wohl. In der Natur geborgen und frei zugleich. "Dann bin ich glücklich", sagt die 69-Jährige. Und dass sie das überhaupt kann - Glück unbeschwert empfinden - ist ein kleines Wunder. Denn Petra S. hat als Kind so viel Leid erfahren, dass sie mit dem Trauma bis heute zu kämpfen hat. Als kleines Mädchen von etwa vier Jahren habe ihr Vater begonnen, sie sexuell zu missbrauchen, sagt sie. Später hätten ihr Bruder und dessen Freund sie vergewaltigt. Und auch als erwachsene Frau habe sie sexuelle Gewalt erlebt. "Das hat meine Lebenssituation entsprechend beeinflusst", so zieht Petra S. ein rationelles Fazit.

Als Jugendliche kommt die Starnbergerin in ein Heim, macht später viele unterschiedliche Jobs. Lange glaubt sie, stets harte körperliche Arbeit leisten zu müssen, um überhaupt eine Berechtigung zum Dasein zu haben. In regelmäßigen Abständen bricht sie psychisch zusammen: "Es hat oft meine ganze Kraft gebraucht, einfach weiterzuleben." Sie kann nur noch mit längeren Unterbrechungen arbeiten, zuletzt als Altenpflegerin. "Als ich dann 58 war, war ich so fertig", erzählt sie, "da ging einfach nichts mehr". Petra S. bekommt eine geringe Erwerbsminderungsrente, die bis zur Grundsicherung aufgestockt wird. Knapp 1090 Euro kommen so monatlich zusammen, die für Miete, Strom, Essen und Kleidung reichen müssen. Zurücklegen könne sie davon nicht einen Euro, sagt sie. "Ich bin ja froh, dass ich keine Schulden machen muss."

Juristisch ist ihr Fall verjährt

Petra S. sagt, sie habe sich immer ein anderes Leben gewünscht. Doch die Vergangenheit wirkten wie Fesseln, von denen sie sich bis heute nur schwer befreien kann. Die Rentnerin hat eine Traumatherapie gemacht und ist immer wieder in psychotherapeutischer Behandlung. Regelmäßig geht sie in die Beratung des Herrschinger Frauennotrufs, um über das Vergangene zu reden. "Ich will mich nicht länger schämen." Juristisch ist ihr Fall verjährt. Erst mit 40 Jahren gab ihr Unterbewusstes preis, was dem kleinen Mädchen damals widerfahren war. Kurz nachdem ihr Vater gestorben war, kam alles hoch. Ihren Bruder hat sie inzwischen zur Rede gestellt - er habe die Taten von damals nicht bestritten und sich vage bei seiner Schwester entschuldigt, sagt sie.

Petra S. kämpft sich derweil weiter durchs Leben. Einmal im Monat leistet sie sich eine Zugfahrt, um in den Bergen zu wandern. Sie liebt die Ammergauer Alpen, aber auch die Wendelsteingegend und Spaziergänge im Lechtal. Die drei Monate, in denen es das Neun-Euro-Ticket gab, "da fühlte ich mich wie eine ganz normale Rentnerin", sagt sie. Da habe sie jede Woche einmal im Zug gesessen, um in der Natur Kraft zu schöpfen. "Das war ein Traum." Sie würde sich deshalb sehr freuen, wenn der Adventskalender ihr im kommenden Jahr für ein paar Monate das 49-Euro-Ticket übernimmt, wenn es dann im Frühjahr kommt. Noch viel wichtiger aber sei eine neue Waschmaschine. Ihre pumpe das Wasser nicht mehr richtig ab, weshalb zusätzliche Spülprogramme notwendig seien. "Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch teure Energie", sagt sie.

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