SZ-Adventskalender:Dichten gibt Kraft

Bedürftiger findet nach diversen Schicksalsschlägen Freude am Verfassen von Lyrik

Von Patrizia Steipe, Starnberg

Herbert Schneider (Name von der Redaktion geändert) ist ein ruhiger, bescheidener Mensch, "der friedlichste Mann, den man sich vorstellen kann", versichert die Mitarbeiterin einer Nachbarschaftshilfe im Landkreis. Der 59-Jährige hat keine großen Ansprüche, hat er noch nie gehabt. Er ist eigentlich ganz zufrieden, trotz der Schicksalsschläge, die das Leben für ihn bereit hielt.

In jungen Jahren hat er eine Bäckerlehre absolviert. Wegen Rückenproblemen musste er den Beruf aufgeben. In den folgenden Jahren hielten ihn wechselnde Beschäftigungen über Wasser. Herbert Schneider hatte einen Aushilfsjob im Solaranlagenbau, er hat im Gartenbau gearbeitet, war als Regalbauer beschäftigt und ging dann drei Jahre lang als Hausmeister nach Korsika. Zurück in Deutschland heuerte er wieder bei einem Fensterbauer an. Große Sprünge konnte er mit seinem Verdienst nicht machen, aber das Geld war ausreichend. Vor ein paar Jahren schien sich das Blatt zu wenden und es sah so aus, also ob er endlich auch Glück haben würde im Leben. Sein Chef wollte ihn vor zwei Jahren nach der Winterpause festanstellen. Noch bevor der Vertrag unterschrieben werden konnte, erkrankte Herbert Schneider schwer an einer "trockenen Lungenentzündung", die auch sein Herz angriff und von der er sich nie wieder komplett erholt hat. Arbeiten kann er seitdem nicht mehr, denn körperliche Anstrengungen sind tabu. Seine geringen Einnahmen, die immer gerade so zum Überleben gereicht hatten, fehlten plötzlich. Und dann verlor er diesen Sommer auch noch seine Wohnung. Der Vermieter hatte Eigenbedarf angemeldet. Eine Zeitlang war Herbert Schneider obdachlos. Jetzt hat er wenigstens in einem Gasthaus ein einfaches Zimmer. Für den Übergang ist das in Ordnung, aber langfristig würde Schneider gerne wieder selber Kochen, denn das Geld, um in die Wirtschaft zu gehen, hat er nicht. Kontakte hat er zur Nachbarschaftshilfe. Die Helferinnen schätzen den freundlichen Mann. Auch die Jugend im Dorf findet in Herbert Schneider einen geduldigen Ansprechpartner. Er nimmt die Heranwachsenden ernst, begegnet ihnen auf Augenhöhe. "Er hat einen guten Draht zur Jugend", lobt die Betreuerin. Manchmal spendieren ihm die jungen Burschen einen Kaffee, manchmal bringen Bekannte etwas zu essen. Schneider hadert nicht mit dem Schicksal, denn er hat neben seinen "Jungs" etwas gefunden, das ihm Kraft gibt und ihn erfüllt. Herbert Schneider schreibt Gedichte. Ganze Kartons voller Lyrik haben sich mittlerweile angesammelt. Schneider wirft darin einen humorvollen Blick auf die alltäglichen Schwächen des Menschen, schreibt von Sehnsüchten und Träumen.

SZ-Adventskalender: Wenn das Geld kaum zum Überleben reicht, fällt es schwer, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

Wenn das Geld kaum zum Überleben reicht, fällt es schwer, mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

(Foto: Catherina Hess)

"Weihnachtsgedanken" hat er folgendes Gedicht übertitelt: "Sternenlichterhell verklärt, erstrahlen Städte, Dörfer, Orte. Ertrinken wohlgesinnte Worte in stollensüßen Weihnachtsdüften. Aus Freude wollen wir beschenken, jene, die wir innigst lieben, und wenn wir's ernsthaft überdenken, schenken wir zu übertrieben. Flitter, Tand, Schaufensterglanz, Kaufrausch orgiastisch ein Genuss, dicht gedrängter Kaufhaustanz. Stille Weihnacht im Überfluss. ( . . . ) Armut, Einsamkeit, oft Trauer, sind Begleiter mancher Leute. Ein paar wohlgemeinte Worte, reißen ein die dickste Mauer. Die Familie, ein starkes Band! Nicht jeder kann das sagen. Drum reiche gerne deine Hand, in diesen seligen Tagen!"

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Zumindest für die Wohnung gibt es vielleicht im Frühjahr eine Lösung. Wenn das klappt, dann bräuchte Herbert Schneider Möbel und Küchengeräte. Jetzt im Moment wären für ihn Lebensmittel- und Verzehrgutscheine sehr sinnvoll. Auch über warme Winterschuhe würde er sich freuen.

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