SZ-Adventskalender:Advent ohne Plätzchen

Anneliese Schmautz traut sich nicht zu backen, der alte Gasofen ist ihr zu gefährlich. Darum wünscht sie sich einen Elektroherd

Von Carolin Fries, Gauting

An den Tag, als die Bomben fielen und die Erde in Gauting bebte, erinnert sich Anneliese Schmautz noch genau. Sie war damals 16 Jahre alt und weil sie nicht wusste wohin, drückte sie sich in eine Ecke des Zimmers, presste die Hände vor das Gesicht und wartete. An jenem Tag im Juli 1944 verloren das junge Mädchen und ihre fünf Geschwister ihre Eltern. Die Vollwaisen wurden in verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben untergebracht, Anneliese Schmautz in Hausen bei Gauting. Von hier aus besuchte sie einmal wöchentlich die Hauswirtschaftsschule, ansonsten wurde gearbeitet. In der Papierfabrik in Gauting oder auf dem Hof. Die Arbeit ging nie aus.

Sie würde ihr nie ausgehen, das weiß die 90-Jährige inzwischen, und ist froh darüber. "Das wäre ja schlimm", sagt sie. Die Rentnerin bewohnt seit 20 Jahren eine kleine Wohnung in Gauting, davor lebte sie in Starnberg. Sie hat zwischenzeitlich als Haushälterin gearbeitet, wieder in der Papierfabrik und die längste Zeit in einer Maschinenbaufirma, wo sie Gravurarbeiten erledigte. Als sie 60 Jahre alt war ging sie in Rente, monatlich erhielt sie knapp 1400 Mark. "Da ist es noch gut gegangen." Sie versteht es selbst nicht, warum es inzwischen so schwierig geworden ist, mit der Rente auszukommen. "Warum wird das Geld immer weniger?", fragt sie. 898,83 Euro landen jeden Monat auf ihrem Konto, davon zahlt sie 507,34 Euro an Miete, von Januar an werden es 521 Euro sein. Hinzu kommen Strom und Gas, die Rundfunkgebühren und der Telefonanschluss. Versicherungen hat die Rentnerin nicht, "für was auch". Ihr einziger Luxus ist die Seniorenkarte des MVV, die sie regelmäßig nutzt, um ihre Geschwister besuchen zu können, die rund um München wohnen. "Und manchmal braucht man ein paar neue Schuhe", sagt sie.

SZ-Adventskalender: Sie muss jeden Cent ihrer Rente umdrehen, für einen neuen Herd ist da kein Geld. Beim alten Gasofen hat sie Angst, die Wohnung in Brand zu stecken.

Sie muss jeden Cent ihrer Rente umdrehen, für einen neuen Herd ist da kein Geld. Beim alten Gasofen hat sie Angst, die Wohnung in Brand zu stecken.

(Foto: Arlet Ulfers)

Anneliese Schmautz marschiert viel. "Immer schon", wie sie betont. Die 90-Jährige wirkt unwahrscheinlich fit, fast schon sportlich. Mit ihrem Einkaufstrolley geht sie täglich raus, nie zum nächstgelegenen Supermarkt, immer zum günstigsten. Sie weiß, was die Äpfel kosten und was das Gemüse. Kartoffeln und Gemüse mag sie am liebsten, freitags isst sie Fisch - oft aus der Dose, weil er günstiger ist als der tiefgefrorene. Fleisch bereitet sie fast nie zu, lieber mal eine schnelle Pfannkuchensuppe.

Nachmittags bastelt sie, näht oder spielt an ihrem Keyboard oder dem Knopf-Akkordeon. Früher hat sie sich ehrenamtlich im Marienstift der Caritas engagiert, hat mit den Bewohnern gebastelt und gelacht. Das Miteinander ist ihr nach wie vor wichtig, alle 14 Tage geht sie zum Seniorentreff der Arbeiterwohlfahrt und gönnt sich eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen, 3,50 Euro macht das. Zuhause kann sie nicht backen, der alte Ofen in der Küche läuft mit Gas, das ist ihr zu gefährlich. Sie hat Sorge, die ganze Wohnung in Brand zu stecken, wenn sie das Zündholz ans Backrohr hält. Einmal wieder einen Ofen nutzen zu können, das wäre für die 90-Jährige ein Traum. Doch Geld für einen Elektroherd hat sie nicht, dafür sind die Rücklagen zu gering.

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Es wird also schwierig, in der Adventszeit Plätzchen zu backen. "Also, ich kann's schon noch", betont sie, die Rezepte gäbe es. Und besser als gekauftes Weihnachtsgebäck schmecke es auch, das komme ihr nicht ins Haus, sagt Anneliese Schmautz. Beim Seniorentreff der Arbeiterwohlfahrt würden sich die Besucher riesig freuen, wenn sie einmal selbstgemachtes Gebäck mitbringen würde.

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