Streik der Briefträger:Wenn der Postmann gar nicht klingelt

Schorn Briefzentrum

Im Briefzentrum Schorn stapelt sich die Post: Die Hälfte der Mitarbeiter ist im Ausstand, die Post AG setzt auf Leiharbeiter, Aushilfen oder Beamte.

(Foto: Georgine Treybal)

Haushalte, Firmen und Behörden im Landkreis sind von den Arbeitsniederlegungen der Post-Mitarbeiter unterschiedlich betroffen. Wer wichtige Dokumente versenden muss, setzt auf Kurierdienste, Fax und E-Mail

Von Christian Deussing, Feldafing/Pöcking

Seit bereits drei Wochen streiken viele Briefträger und Paketboten auch im Fünfseenland, um den Haustarif zu retten und mögliche Dumpinglöhne zu verhindern. Mancherorts kommt die Post zwar an. Doch weiße Flecken bei der Zustellung sind insbesondere die Gemeinden Pöcking, Tutzing und Feldafing. Pöckings Bürgermeister Rainer Schnitzler erhält weder privat noch dienstlich so gut wie keine Post mehr: "Das ist für uns ein Riesenproblem", ärgert er sich. Mehr als 90 Prozent der Haushalte in Pöcking bekämen derzeit keine Post. Daher muss der Amtsbote selbst nun wichtige Fristsachen - etwa Einladungen zu Ratssitzungen - in der Gemeinde austragen.

Blank liegen die Nerven auch bei vielen Handwerkern und Geschäftsleuten. So ist die Seniorchefin vom "Autohaus Walter" in Pöcking total frustriert: Die Buchhaltung sei kaum mehr zu erledigen, wenn Rechnungen nicht ankommen und die Übersicht fehle, sagt sie. Ein wichtiger Kfz-Brief aus Miesbach für eine Münchner Firma war zudem elf Tage unterwegs, das Dokument kam daher viel zu spät an. Das Autohaus verschickt daher jetzt alle wichtigen Unterlagen per Express und E-Mail, berichtet Elisabeth Walter.

Frustriert von dem Zustellerstreik ist auch der Tutzinger Rechtsanwalt Hans-Joachim Fonk. Seit dem 13. Juni hat seine Kanzlei, aber auch die Arztpraxis in der Haydnstraße keine Briefe und Zeitschriften mehr erhalten. Und auch privat kommt nichts an. "Wir tappen im Dunkeln, es ist wie eine Fahrt im Nebel", umschreibt der Tutzinger die Lage. Das sei schon "arg lästig und unübersichtlich", weil so keine Abrechnungen erfolgen könnten. Um die Sache in den Griff zu bekommen, werde nun gemailt oder - wie früher - gefaxt; auch die Banken sendeten auf diese Weise notwendige Kontoauszüge, erläutert Fonk.

Dokumente und Briefe, die fristgebunden beim Amtsgericht Starnberg eingehen müssen, sollten an der Pforte abgegeben werden, rät Vize-Direktor, Franz von Hunoltstein. Er selbst hatte unlängst eine Bürgerin aus dem Landkreis zu einem Anhörungstermin bestellt. Davon erfuhrt die Frau aber nichts, weil der Brief eine gute Woche lang unterwegs gewesen war. Die Angelegenheit sei trotzdem geregelt worden, betont von Hunoltstein.

Verspätete und nachgelieferte Post melden unter anderem auch das Rathaus in Starnberg und der Verwaltungsleiter der Chirurgischen Klinik Seefeld, Thomas Deppenkemper. Die Ausmaße seien allerdings "noch erträglich", berichtet er. Das findet auch der Kunde, der gerade die Postfiliale in Starnberg verlässt. Dort hat auch ein 30-Jähriger soeben eine Glückwunschkarte nach Hamburg losgeschickt - und gibt sich locker: Denn die Karte, sagt er, habe er ohnehin einen Tag zu spät abgegeben. Mit Galgenhumor nimmt eine Sekretärin den Poststreik auf: "Wenn die Briefe nicht eingeworfen werden, erhalte ich wenigstens keine Rechnungen."

Derzeit streiken in den 31 Bezirken des Stützpunkts Starnberg 18 Postboten. Anfangs seien es deutlich mehr gewesen, sagt Verdi-Gewerkschafterin Irmgard Kebinger. Doch es gebe Kollegen, die Angst um den Job haben, den "Druck des Arbeitgebers" spüren oder nur befristete Verträge haben. Im Briefzentrum Schorn streikt mehr als die Hälfte der Mitarbeiter; die Post AG setzt Leiharbeiter, Aushilfen oder Beamte ein. Ein Postsprecher betont, die Streikbeteiligung sei regional verschieden, in Einzelfällen könne die "Verzögerung bei einer Woche und länger liegen".

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