1972 vom großartigen Geiger Hans Kalafusz gegründet, kann sich das Deutsche Streichtrio wohl zu den dienstältesten Kammermusikensembles nicht nur hierzulande zählen. Zwar gehört kein Gründungsmitglied der aktuellen Besetzung mehr an, doch die Kontinuität blieb stets gewahrt und Neubesetzungen blieben jeweils lange Zeit bestehen. Im aktuellen Ensemble, das sich am Sonntag zu Gast der Musikfreunde Tutzing in der Evangelischen Akademie präsentierte, musizieren die altgedienten Jürgen Weber (Viola) und Reiner Ginzel (Violoncello) mit dem letzten Neuzugang Ingolf Turban (Violine) seit 2016 zusammen.
Auch wenn sich das Deutsche Streichtrio nicht hauptamtlich dem dauernden Tourneestress aussetzen muss, was übrigens stets galt und wohl auch die Ausdauer begründet, reicht dieser Zeitraum, Interpretationen aus einem Guss zu kreieren. Mit Ingolf Turban im Bunde läuft das Ensemble andererseits auch nicht Gefahr, in allzu starre Routine zu fallen. Es dürfte auf sein unentwegtes Stöbern in Archiven zurückzuführen sein, dass sich in den Programmen zunehmend Raritäten finden. Durchaus auch von Komponisten, von denen man bereits alles zu kennen glaubte.
Wie etwa das Fragment des Andante Sostenuto, das sich hier als zweiter Satz zum sonst alleine gespielten Allegro B-Dur D 471 von Schubert gesellte. Der langsame Satz bricht nach 39 Takten ab, Schubert ließ das Trio unvollendet. Die blühend frische Leichtigkeit Mozarts und die satten, dramatischen Verdüsterungen in Haydns Manier waren dem erst etwa 19-jährigen Komponisten wohl nicht eigen genug, um der Vollendung wert zu sein. Die vom Deutschen Streichtrio herausgearbeitete überaus reizvolle Originalität dieser vermeintlichen Klassikimitation zeigte allerdings, dass Schubert allzu streng in seinem Selbsturteil war.
Die große Überraschung dürfte für die überaus zahlreichen Konzertbesucher das Trio g-Moll op. 6 aus dem Jahr 1908 von Leó Weiner (1885–1960) gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass die wenigsten bisher den Namen des Komponisten jemals gehört haben. Manchmal hat dieses Vergessen durchaus seine Begründung in kompositorischen Mängeln, doch in diesem Fall in keinster Weise: Der ungarische Komponist bekleidete als Kollege von Zoltán Kodály eine Professur an der Budapester Musikakademie, hier wandte er sich vor allem den Kammermusikensembles zu. Sein umfangreiches Werk wurde denn auch von vielen namhaften Interpreten gespielt. Doch seine Verfolgung durch die Nazis aufgrund seiner jüdischen Herkunft dürfte der Grund für Weiners Verschwinden aus den Konzertprogrammen sein. Er gehörte zwar nicht gerade zu den Avantgardisten seiner Zeit, doch sein Trio op. 6 zeigte hier in Tutzing, dass er mit seinen Reminiszenzen an die ungarische Volksmusik zu einem eigenen Stil und zu einer einzigartigen musikalischen Sprache gefunden hatte.
Schon der kraftvolle Kopfsatz hat als Allegro con brio, das allerdings nach dem Kontrastprinzip schlüssig in zarten Gesang changierte, ungarisches Temperament im Blut. Auch dem schmissig synkopierten Vivace hinterlegten die drei Musiker des Abends einen mitreißenden ungarischen Tanz. Als Scherzo stand dem eine melodiöse Klage im Trio gegenüber. Das Andantino mit einer breit wiegenden Melodie und drei Variationen erwies sich mit seiner ungewöhnlichen Länge und heiteren Melodik als ein dominanter Satz - sozusagen ein Kulminationspunkt, bevor das ungarische Blut wieder in Wallung geriet, um als Allegro con fuoco mit drängendem Pochen einen Schlusspunkt zu setzen. Allerdings auch hier nicht ohne der energischen Ruppigkeit mit einer geschmeidigen Melodik entgegenzutreten. Trotz des ereignisreichen Verlaufs gelang es dem Komponisten, damit das Werk auszubalancieren und zu einer überaus schlüssigen Einheit abzurunden. Nichts wirkte hier konstruiert oder Fehl am Platz.
Ein ungewöhnliches Szenario: Das beliebte Allegretto alla Polacca von Beethoven in vergnügter Leichtigkeit.
Dies in Beethovens Serenade D-Dur op. 8 hinzukriegen, ist für ein Streichtrio ungewöhnlich schwierig, was daran liegen dürfte, dass sie für Flöte, Viola und Gitarre komponiert ist. Gerade die immer wieder eingeflochtenen Unisono-Konstellationen sind wohl diesem Umstand geschuldet mit der Absicht, besonders reizvolle Klangbilder zu erzeugen. Es wird angenommen, dass der Auftrag des Wiener Grafen Brown für einen bestimmten Kontext erteilt wurde und daher auch durchaus ein szenischer Zusammenhang gedacht werden kann. Das erklärt die besonderen Ausprägungen der Sätze, etwa die Marcia zur Eröffnung, die tiefreichende Mollklage im Adagio, die elegische Opernarie als Trio zum wilden Sprungtanz im Scherzo. Das beliebte Allegretto alla Polacca in seiner vergnügten Leichtigkeit ist ein für Beethoven ebenso ungewöhnliches Szenario.
Mit dem Andante aus dem D-Dur-Streichtrio op. 9/2 machte das Deutsche Streichtrio in der Zugabe den Unterschied in der Besetzung nachträglich deutlich. Hier war das feinsinnige Changieren eines echten Streichtrios wieder da - und verzauberte mit überaus klangschönen Konstellationen in schlüssigem Zusammenwirken.

