Süddeutsche Zeitung

Straßenbau:Die Bürger sind gefragt

Am 12. Mai entscheiden die Schäftlarner über die Trasse der geplanten Umgehung von Hohenschäftlarn. Der Gemeinderat hat den Weg für zwei Bürgerentscheide inklusive Stichfrage frei gemacht

Von Katharina Schmid, Schäftlarn

Das Bürgerbegehren der "Initiative für Verkehrsentlastung Hohenschäftlarns bei Erhalt unserer Landschaft" hat erfolgreich einen Bürgerentscheid in der Gemeinde Schäftlarn herbeigeführt. 1230 Unterschriften haben die Initiatoren in der rund 5700 Einwohner zählenden Gemeinde gesammelt. Am Mittwoch hat der Gemeinderat den Weg für einen Bürgerentscheid frei gemacht. Die Bürger werden am 12. Mai über den Verlauf der geplanten Ortsumfahrung abstimmen. Sie können sich entweder für die vom Gemeinderat beschlossene Variante B durch die sogenannte Flur, oder für die von der Bürgerinitiative favorisierte Trasse BI durch den Wald entlang der nördlichen Gemeindegrenze entscheiden.

Ohne viel Aufhebens ging der Beschluss am Mittwoch im Schäftlarner Gemeinderat über die Bühne. Ihrem Ärger darüber, dass durch das Begehren und den absehbaren Bürgerentscheid erneut eine enorme zeitliche Verzögerung in der Realisierung der Straße auf die Bürger zukomme, hatte eine Mehrheit der Gemeinderäte bereits in der vorangegangenen Sitzung Luft gemacht. Die Mitglieder des Gremiums beschlossen jedoch, dem Bürgerbegehren ein Ratsbegehren gegenüberzustellen und damit den Weg für einen zweiten Bürgerentscheid zu ebnen. Beide Entscheide werden gleichzeitig stattfinden, die Stimmberechtigten am 12. Mai über zwei Fragen und eine Stichfrage abstimmen. Verwaltungsleiter Stefan Wallner erläuterte in der Gemeinderatssitzung, dass eine "Konkurrenzvorlage", ermöglicht durch das Ratsbegehren, "in aller Regel als Entscheidungsalternative gedacht" sei. Die Ziele der Entscheide würden sich "üblicherweise widersprechen".

Für Schäftlarn bedeutet das, dass die Bürger am 12. Mai ihre Kreuzchen bei insgesamt drei Fragen setzen können. In einer ersten Frage wird die Forderung der Bürgerinitiative aufgenommen: "Sind Sie dafür, dass für die Umfahrung Schäftlarns eine Planung der Variante BI entlang der nördlichen Gemeindegrenze durch den Wald, unter Einbeziehung der bereits bestehenden Milchstraße, anstatt der vom Gemeinderat beschlossenen Variante B durchgeführt wird?" In einer zweiten schließt sich die Zielsetzung des Ratsbegehrens an: "Sind Sie dafür, dass die Nordumfahrung für Hohenschäftlarn auf Grundlage der Variante B unter besonderer Berücksichtigung des Landschaftsbildes weiterverfolgt wird, um eine zeitnahe Umfahrung bauen zu können, die die beste Verkehrsentlastung, die beste Wirtschaftlichkeit und die geringsten Eingriffe in die Natur ermöglicht?"

Zudem finden die Bürger auf dem Stimmzettel eine Stichfrage, die allerdings nur zum Tragen kommt, falls sich die Bürgerentscheide im Ergebnis widersprechen. In der Stichfrage wird darüber abgestimmt, welche Entscheidung dann gelten soll. Stimmberechtigt ist jeder Gemeindebürger und jede Gemeindebürgerin. Fünf Stimmbezirke und ein Briefabstimmungsbezirk sollen eingerichtet werden.

GU-Gemeinderat Michael Waldherr, Mitglied der einzigen Fraktion im Gremium, die das Bürgerbegehren unterstützt, äußerte am Mittwoch Unverständnis darüber, dass auch ein Ratsbegehren und damit ein zweiter Bürgerentscheid kommen sollen. "Wir haben vor einem halben Jahr ein Ratsbegehren beantragt, da wurde es abgelehnt", machte er seinem Ärger Luft. "Jetzt kommt auf einmal eine Variante B mit Blumen." Zweite Bürgermeisterin und Gemeindewohl-Sprecherin Maria Reitinger stellte daraufhin klar, dass sich der Gemeinderat im Sommer mehrheitlich dafür entschieden habe, "seine Abstimmung dem Bürger vorzustellen" und den Schäftlarnern anschließend freizustellen, ein Begehren einzuleiten. "Jetzt beides zur Abstimmung zu stellen ist sehr sinnvoll und ein ganz normaler Vorgang", sagte sie.

Mit dem Bürgerentscheid geht die langjährige Debatte um eine Umfahrung für Hohenschäftlarn in die nächste Runde. Der Ball liegt nun - wie schon während des Runden Tischs im Jahr 2015, in dem mögliche Varianten der Umfahrung erarbeitet wurden - erneut bei den Bürgern. Der Gemeinderat hatte sich im Juli vergangenen Jahres für die ortsnahe Variante B durch die Schäftlarner Flur entschieden. Der Entscheidung zugrunde lagen diverse Studien und das abschließende Empfehlungsschreiben des zuständigen Staatlichen Bauamts Freising. Die Variante B wird darin als Variante mit dem "größten Realisierungspotenzial" beurteilt. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens wollen diese Argumente allerdings nicht gelten lassen und plädieren weiter für die BI-Variante.

Würden die Bürger im Mai die Variante BI mehrheitlich befürworten, müsste in der weiteren Planung festgestellt werden, "ob die Trasse rechtlich überhaupt möglich ist", erläutert Verwaltungsleiter Stefan Wallner ein mögliches weiteres Vorgehen. "Die bisher vorliegenden Studien haben keine Rechtsverbindlichkeit." Sicher ist bisher nur eins: die Realisierung der Umfahrung verzögert sich erneut deutlich.

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SZ vom 19.02.2019
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