Süddeutsche Zeitung

Landkreis Starnberg:Nachbarn wehren sich gegen Flüchtlingsunterkunft

Die Regierung von Oberbayern will Ortskräfte aus Afghanistan in einem ehemaligem Pflegeheim in Stockdorf unterbringen. Anwohner wollen das mit einer Klage verhindern.

Von Michael Berzl

Auf der Suche nach einem Platz für Flüchtlinge stoßen die Bezirksregierung und die Starnberger Landkreisverwaltung immer mehr auf Widerstände. Nach den Debatten in Tutzing über den Standort für eine neue Containeranlage zeigt sich das nun auch in Stockdorf, wo ein ehemaliges Pflegeheim in der Nähe des Bahnhofs zu einer Gemeinschaftsunterkunft werden soll.

Die Regierung von Oberbayern würde in dem großen Anwesen an der Alpenstraße gerne Ortskräfte aus Afghanistan unterbringen, doch dagegen wehren sich direkte Nachbarn auf juristischem Weg. Beim Verwaltungsgericht in München klagen sie gegen die vorgesehene Nutzungsänderung.

Etwa 90 Flüchtlinge sollen in dem früheren Seniorenheim untergebracht werden teilt Wolfgang Rupp, der Sprecher der Regierung von Oberbayern, mit. Das Anwesen sei vor allem gedacht als Übergangswohnheim für Personen aus "humanitären Aufnahmeprogrammen", insbesondere afghanische Ortskräfte. Nach den Worten des Auswärtigen Amts sieht sich die Bundesregierung ihnen gegenüber in einer besonderen Verantwortung, wenn sie sich in Gefahr befinden "durch ihre ehemalige Tätigkeit für die deutsche bilaterale Entwicklungszusammenarbeit"; vor allem für die Bundeswehr waren sie tätig. Ihre Ausreise per Flugzeug oder über den Landweg werde finanziert, oft kommen sie zusammen mit ihren Familien. Theoretisch wäre in Stockdorf Platz für mehr Bewohner, gerade bei der Unterbringung von Familien könnten die Kapazitäten aber nicht voll ausgeschöpft werden, erklärt der Sprecher.

Der Platz würde jedenfalls dringend benötigt. Durch die anhaltend hohen Aufnahmezahlen bestehe ein besonderer Bedarf, sagt der Sprecher der Bezirksregierung. Die Klage beim Verwaltungsgericht habe keine aufschiebende Wirkung, eine Belegung des Hauses wäre daher theoretisch bereits jetzt möglich. Praktisch sei das aber noch nicht möglich, weil vor dem Bezug noch kleine Umbauarbeiten erforderlich seien, die noch nicht abgeschlossen seien. Daher könne er noch kein konkretes Datum für den Einzug der ersten Flüchtlinge nennen. Möglichst bald jedenfalls. Der Platz wird benötigt wegen des anhaltenden Zugangs im Bereich humanitärer Aufnahmeprogramme des Bundes. Bisher steht das Haus jedoch leer, nur die Männer eines Sicherheitsdienstes sind schon dort.

Ein Nachbar gehe per Anfechtungsklage gegen die Genehmigung einer Nutzungsänderung des ehemaligen Altenpflegeheims in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber vor, bestätigt ein Sprecher des Verwaltungsgerichts. Ein Verhandlungstermin sei bislang noch nicht geplant; die Beteiligten erhalten derzeit Gelegenheit zu einer Stellungnahme.

Gerade bei Frauen gebe es viele Ängste, sagt eine Nachbarin

Die Kläger aus der direkten Nachbarschaft gehen von wesentlich höheren Zahlen von bis zu 120 Bewohnern aus. Das wäre in ihren Augen jedoch unverträglich für das Wohngebiet. Bis zu 50 Bewohner wären nach Ansicht einer Nachbarin noch vertretbar: "Das wäre noch eine vernünftige Zahl, aber man kann doch nicht auf Teufel komm raus die Leute hier reinpressen", sagt die Frau, die eine Gemeinschaftsunterkunft gleich jenseits ihres Gartenzauns ablehnt, aber namentlich nicht genannt werden will. In der Umgebung seien alle aufgebracht wegen der Pläne für das frühere Seniorenheim. Es gebe viele Ängste, "gerade bei den Frauen".

Es gibt aber andere Stimmen. Matthias Saul etwa, ebenfalls ein direkter Nachbar, will sich nicht gegen die Belegung wehren und erklärt: "Irgendwo müssen die armen Leute ja hin". Im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen würden Ortskräfte in der Bevölkerung meist Rückhalt genießen, meint Sabine Bachmair aus Stockdorf, die im Helferkreis eine Flüchtlingsfamilie betreut. "Sie waren tätig für unsere Republik, haben dort gutes Geld verdient", nach der Rückkehr der Taliban stünden sie dort "auf der Abschussliste". Sie hätten oft als Dolmetscher, Fahrer oder Koch gearbeitet, könnten sich in englischer Sprache, häufig auch in deutsch verständigen. Meist kämen sie mit ihren Familien: "Das ist etwas anderes als nur junge Männer".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5747477
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/deu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.