Stockdorf:Der Schatz aus dem Container

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Autor und Geschichtsforscher Werner Siegert hat ein Bündel alter Zeitungen von 1928 aus dem Bauschutt gefischt.

BLanche Mamer

Historische Zeitung aus den 1920er Jahren wie die  Krailling-Stockdorfer Zeitung und das Pasinger Morgenblatt sind in dem Zeitungsbündel. Foto: Georgine Treybal (Foto: Georgine Treybal)

Stockdorf- "Und was wird aus Bayern?" So lautet die Schlagzeile auf der Seite Eins des "Pasinger Morgenblatts", der Tageszeitung für die Stadt Pasing und das Würmtal, am Montag, 29. Oktober 1928. Ziemlich genau ein Jahr vor dem schwarzen Freitag (25. Oktober 1929), der die Weltwirtschaftskrise einläutete, kostete die Einzelnummer zehn Pfennig. Und wer die Zeitung abonnierte, hatte zugleich eine Lebensversicherung. Die Welt ist schon nicht mehr ganz in Ordnung, denn es stört die Weimarer Republik oder besser "Großpreußen". Vehement fordert der Redakteur die Unabhängigkeit Bayerns unter Führung der Wittelsbacher. Eine positive Nachricht gibt es auch. Sie lautet: "Graf Zeppelin zum Rückflug aufgestiegen".

Das vergilbte Papier ist extrem brüchig, die Artikel sind noch erstaunlich gut lesbar. Und Werner Siegert aus Stockdorf ist ziemlich stolz auf seinen Fund. Der "Retter" mehrerer Bündel Zeitungen von 1928 liest einen fett gedruckten Satz vor: "Es ist eine Minute vor zwölf für die verantwortlichen Männer in Bayern, endlich, endlich aus Worten heraus und in Taten hineinzukommen".

Ganz zufällig hat Siegert beim Abriss des Hauses Bennostraße/Ecke Zugspitzstraße die Zeitungen entdeckt. Mit dem Haus der beiden alten Damen Ernestine und Edwina Martin ist sicher Etliches entsorgt worden, das Heimatforscher und Sammler interessiert hätte. Schließlich hatten die beiden Schwestern "schon ewig" in dem Häuschen nahe der Würm gelebt. Nach dem Tod der letzten Schwester stand das Anwesen erst mal leer, dann wurde das Grundstück verkauft und es kam eine Abbruchfirma. Und machte kurzen Prozess. "Ich stand am Gartenzaun und habe zugeschaut, wie Baggerarbeiter das Haus demolierten und wie Möbel und Einrichtungsgegenstände mit dem Bauschutt im Container landeten. Dann sah ich, dass ein Arbeiter ein dickes Bündel Zeitungen entsorgte", sagt Siegert.

Als Mitglied der Gesellschaft für Archäologie und Geschichte Oberes Würmtal hat er einen Blick entwickelt für wichtige Zeitdokumente. Zudem liebt er alles Gedruckte, war er doch Chefredakteur einer Unternehmer-Zeitschrift und ist Autor zahlreicher Bücher. "Ich war alarmiert und habe die klatschnassen Zeitungen aus dem Container gefischt. Ich musste sie ganz vorsichtig auseinander nehmen und zum Trocknen auf dem Fußboden im Wohnzimmer und im Büro auslegen", berichtet er.

Einige Ausgaben waren angefressen, doch die meisten sind erstaunlich gut erhalten. Vor allem von den Fotos ist Siegert fasziniert. Nun ist sein Büro mit zahlreichen Ausgaben des "Pasinger Morgenblatts" und der "Krailling-Stockdorfer Zeitung" zugepflastert. Siegert weist auf Kleinanzeigen und Werbung hin, auf einen tödlichen Unfall beim Dachdecken in Unering, einen Einbruch durch ein Loch in der Mauer einer Herberge in München oder einen Beschluss des Kraillinger Gemeinderats zum Ausbau der Mathildenstraße, Annoncen für Schweißwolle, Edelbohnenkaffee, Weiß-Schmalzler, Sprech-Apparate, holländische Buttermilch-Seife. Nach der Sichtung hat Siegert die Zeitungen ans Gautinger Gemeinde-Archiv übergeben.

© SZ vom 15.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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