Bootsunglück bei Kempfenhausen:Wie viel Verkehr verträgt der See?

Bootsunglück bei Kempfenhausen: Auf etwa dieser Höhe des Starnberger Sees ging der Mann am vergangenen Sonntagnachmittag unter. Am Mittwoch wurde er schließlich tot geborgen.

Auf etwa dieser Höhe des Starnberger Sees ging der Mann am vergangenen Sonntagnachmittag unter. Am Mittwoch wurde er schließlich tot geborgen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Lizenzen für Motorboote sind am Starnberger See auf 280 limitiert. Für Elektroboote gibt es eine solche Obergrenze bislang nicht. Nach dem Unfall am vergangenen Sonntag drängt sich die Frage nach einer Reglementierung auf.

Von Tim Graser und Viktoria Spinrad

Die Suche nach dem vermissten 32-Jährigen, der am Sonntag beim Schwimmen im Starnberger See von einem Motorboot überfahren wurde, hat seit Mittwoch ein tragisches Ende: die Leiche des Mannes wurde aus 25 Metern Tiefe geborgen. Für die Ortung waren Experten von Polizei und der Technischen Hundestaffel im Einsatz sowie ein extra eingeschalteter Experte auf dem Gebiet der Wasserrettung, der seine Runden auf einem eigens mitgebrachten Spezialboot drehte.

Der Experte heißt Christian Müller und gilt in der Szene als Mann für die schwierigen Fälle. Am Montagabend war er eigens aus dem Norden angereist, um gleich am Dienstag in der Früh nach dem vermissten Münchner zu suchen. Müller hat viele Wasserrettungsaktionen durchgeführt, unter anderem hat er 2009 am Ammersee in 60 Metern Tiefe das Wrack und die Besatzung eines gekenterten Segelschiffs geortet. Seitdem sucht er vermisste Leute in Gewässern wie dem Chiemsee, Schliersee oder in der Ostsee - auch dann, wenn die Leute schon seit vielen Jahren verschollen sind. Im Juli erst fand er mithilfe eines Unterwasserroboters einen Jugendlichen im Tegernsee. "Er ist einer der wenigen Experten auf dem Gebiet", sagt Oliver Jauch von der Starnberger Wasserwacht. Doch auch Müller konnte den Vermissten bis Dienstag nicht finden.

Dass der Münchner noch lebend gefunden wird, davon ging zu dem Zeitpunkt schon niemand mehr aus. Der 32-Jährige hatte am Sonntagnachmittag auf Höhe von Kempfenhausen eine Seeüberquerung gestartet. Dabei war nach etwa 300 Metern von einem 64-jährigen Motorsportfahrer überfahren worden. Der Schwimmer hatte zwar zwei Begleiter auf einem Paddelboot dabei, hatte sich von diesem aber entfernt, auch eine Markierungsboje führte er nicht mit.

Bootsunglück bei Kempfenhausen: Zur besseren Sichtbarkeit sind manche Schwimmer im Starnberger See mit einer Markierungsboje unterwegs.

Zur besseren Sichtbarkeit sind manche Schwimmer im Starnberger See mit einer Markierungsboje unterwegs.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Es ist ein Unfall, wie ihn Fachleute angesichts der vielen verschiedenen Gruppen, die sich im Sommer an und um den See tummeln, immer befürchtet hatten. Zumal es nicht nur immer mehr Schwimmer, sondern auch immer mehr Motorbootfahrer gibt, die auf dem See unterwegs sind. Zwar ist die Zahl der zugelassenen Motorboote auf 280 Stück begrenzt, bis eine Lizenz frei wird, muss man sich im Schnitt über zehn Jahre gedulden. Für Boote mit Elektromotor sieht der Freistaat allerdings keine Obergrenze vor. 1625 zählt das Starnberger Landratsamt bisher, die meisten von ihnen sind kleine E-Boote - und so wird es auf dem See immer enger, gerade im Sommer.

Wie kann es also weitergehen mit dem Verkehr auf dem Wasser? Am Dienstagnachmittag sitzt Gabriele Wenzel vom gleichnamigen Bootsverleih in Starnberg in einem Lehnstuhl unter einem Sonnenschirm und verschränkt die Arme. Grundsätzlich, sagt sie, sei es ja nichts Schlechtes, wenn sich etwas rühre am See. Allerdings gebe es zu viele Motorbootfahrer, die sich nicht rücksichtsvoll verhielten "Manche denken, ihnen gehört der See", sagt sie. Tatsächlich sind der Starnberger und der Ammersee die einzigen beiden Seen in Bayern, auf denen überhaupt Motorboote verkehren dürfen. Einen Führerschein braucht es dafür nicht: Auf bayerischen Seen gibt es eine Führerscheinpflicht nur für Fahrgastschiffe, Güterschiffe sowie schwimmende Geräte mit eigenem Antrieb.

"Wenn sich Leute ein Motorboot zulegen, sollten sie damit auch umgehen können", sagt Schropp

Gleich neben den Wenzels hat Kilian Schropp seinen Bootsverleih. Er kann der Idee einer Führerscheinpflicht durchaus etwas abgewinnen. "Wenn sich Leute ein Motorboot zulegen, sollten sie damit auch umgehen können", sagt er. Wobei er sonst eher skeptisch wirkt beim Gedanken, den Verkehr auf dem See noch mehr zu reglementieren. "Das war schon ein sehr seltener Unfall", sagt er. Konsequenzen müsste ohnehin der Freistaat ziehen, der ist Eigentümer des Sees. Sowohl die Zahl der erlaubten Boote auf dem See als auch die Führerscheinpflicht werden also zentral auf Landesebene geregelt, konkret in der Bayerischen Schifffahrtsordnung sowie in der Schifffahrtsbekanntmachung aus dem Jahr 2007.

Die Kreisverwaltungsbehörden seien "an die Vorschriften der Verordnung gebunden, weswegen sie keine abweichenden Geschwindigkeitsbegrenzungen oder eine Führerscheinpflicht einführen können", heißt es aus dem bayerischen Verkehrsministerium in München. Sprich: Selbst wenn das Starnberger Landratsamt den Verkehr auf dem See mehr reglementieren wollen würde, könnte es das gar nicht machen. Dafür müssten landesweite Gesetze geändert werden. Was auch heißt, dass nur Rücksicht hilft, um eine Tragödie wie die vom Sonntag zu verhindern. Dazu mahnt auch das Landratsamt. Jeder, der sich auf dem Wasser aufhalte, ob Schwimmer, Bootsfahrer oder Stand-up-Paddler, trage für sich und die anderen Verantwortung. "Das kann einem auch jedwede Regel nicht abnehmen", so ein Sprecher.

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