Süddeutsche Zeitung

Starnberger See:Wie Stehpaddler Vögeln schaden

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Von Armin Greune, Starnberg

Stand-Up-Paddling (SUP) stellt offenbar eine größere Bedrohung für Wasservögel dar als bisher angenommen. Einer neuen Untersuchung zufolge, die auch auf Beobachtungen am Starnberger See beruht, lösen die Stehpaddler auf ihren Boards besonders rasch Fluchtreflexe aus. Speziell im Winter können die Folgen für die aufgescheuchten Vögel fatal sein - sie brauchen Energiereserven auf, die eigentlich dringend für den kräftezehrenden Rückflug in die sommerlichen Brutreviere benötigt würden.

Jeweils 15 000 bis 25 000 Wasservögel sind in den Monaten November bis März auf dem Ammer- und dem Starnberger See zu Gast. So wurden etwa bei der Zählung Mitte November zwischen Starnberg und Seeshaupt von 34 Arten 16 446 Tiere registriert. Wie schon in den Vormonaten lag die Zahl unter dem langjährigen Monatsmittel, wofür vermutlich das anhaltend warme Wetter heuer verantwortlich war.

Ein Großteil der Summe entfällt auf häufige Arten wie Reiher-, Tafel- und Kolbenenten - sowie an erster Stelle auf Blässhühner, von denen bis zu 12 000 Exemplare gleichzeitig auf dem Wasser anzutreffen sind. Aber auch die wesentlich selteneren Berg- und Samtenten sind im Fünfseenland bereits eingetroffen, ebenso wie die auffallend großen Seetaucher: An diesem Donnerstag etwa wurden vom Seeshaupter Campingplatz aus mehr als 20 Prachttaucher und zudem ein rarer Rothalstaucher gesichtet.

Um die Wintergäste möglichst wenig zu beeinträchtigen, gelten für Ammer- und Starnberger See freiwillige Vereinbarungen mit Wassersportlern, Jägern, Fischern und Werften: Sie sehen von November bis Ende März Ruhezonen vor, wo die Wasservögel ungestört bleiben können. Auf dem Starnberger See etwa sind dies die Buchten nördlich einer Linie von Possenhofen bis Berg und südlich von Bernried und Ambach sowie die Flachuferzonen am Westufer um die Roseninsel und im Karpfenwinkel. Diese Regelung werde auch von den Verleihstationen und Anbietern von Stehpaddel-Kursen "vorbildlich" umgesetzt, sagt Andrea Gehrold vom Landesbund für Vogelschutz (LBV), die den Starnberger See betreut.

Doch leider nehme die Zahl der Stehpaddler zu, die ihre aufblasbaren Boards irgendwo in den See setzen und in Neoprenanzügen an sonnigen Wintertagen bedenkenlos lospaddeln. Mit einer Zeitrafferkamera wurden von Oktober 2016 bis April 2017 allein in der ganzjährig geschützten Roseninselbucht 19 SUP-Einfahrten registriert, die in mindestens elf Fällen zur Störung rastender Wintervögel führten. Bei Minusgraden wirke sich eine panische Flucht besonders nachteilig auf die Tiere aus, weil sie ihre Fettreserven in der nahrungsarmen Zeit kaum auffüllen können.

Gehrolds Kamerabeobachtungen sind in eine Masterarbeit eingeflossen, die Matthias Bull im Auftrag des LBV über SUP und überwinternde Wasservögel geschrieben hat. Es ist europaweit die erste Studie zum Thema. In ganz Bayern wurden dabei 364 Störungen erfasst, 104 davon wurden von Stehpaddlern verursacht. "Am Starnberger See kam es an 150 Untersuchungstagen 117-mal zu Befahrungen durch Wassersportler. Stand-Up-Paddler waren nach motorisierten Booten und Kanufahrern die dritthäufigste in der Roseninselbucht festgestellte Wassersportart," erklärt Bull. Doch offenbar hätten die aufrecht auf ihren Boards stehenden Paddler "eine überdurchschnittlich hohe Störwirkung":

Am Bodensee habe ein Paddler sogar aus 1,5 Kilometer Entfernung einen Schwarm von 13 000 Kolbenenten aufgeschreckt. Womöglich ist die Panik darauf zurückzuführen, dass auf den Boards der Umriss eines Menschen klar zu erkennen ist und das Paddel wie eine Waffe in der Hand gehalten wird. Auf jeden Fall legten von Stehpaddlern aufgeschreckte Vögel überdurchschnittlich große Distanzen zurück.

Der Ammersee wird in Bulls Studie nur am Rande erfasst. Hier kam es vor drei Jahren zu einem Treffen von Naturschutzverbänden und Anbietern, um Schonzonen für die Wasservögel festzulegen, sagt Christoph Hagenmeyer, Inhaber der Steinlechner Bootswerft in Utting. Dort werden schon seit neun Jahren SUP-Kurse veranstaltet - ausschließlich im Sommer. Früher habe dem SUP-Center ein Damen-Rennteam angehört, das auch im Winter auf dem Ammersee trainierte. Die Reservate für Vögel seien dabei immer respektiert worden, sagt Hagenmeyer - zumal sich Enten kaum am schlammigen Westufer, sondern mehr am steinigen Ostufer aufhielten, um dort Dreikantmuscheln fressen.

Bull hat aus der Studie eine Art SUP-Knigge aufgestellt: Stehpaddler sollten Winterruhezonen, Schilfgürtel und Flachwasser meiden und ganzjährig mindestens 300 Meter Distanz zu Vogelgruppen halten. Zum Einstieg sollten bestehende Häfen, Slipanlagen oder belebte Strände genutzt werden, damit sich die Vögel an den Anblick der Stehpaddler gewöhnen.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2018
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