Nach Tod des 13-jährigen Leo:Wie viel Leichtsinn steckt noch im Rudersport?

Nach Tod des 13-jährigen Leo: Dem Deutschen Ruderverband droht ein Rechtsstreit wegen nicht behandelter Anträge zur Sicherheit auf dem Wasser. Anlass für die Nachbesserungsvorschläge war unter anderem ein Unglück auf dem Starnberger See 2015.

Dem Deutschen Ruderverband droht ein Rechtsstreit wegen nicht behandelter Anträge zur Sicherheit auf dem Wasser. Anlass für die Nachbesserungsvorschläge war unter anderem ein Unglück auf dem Starnberger See 2015.

(Foto: Georgine Treybal)

Auf dem Starnberger See ist 2015 ein junger Ruderer verunglückt. Experte Bernd Fleischmann verklagt nun den Vorsitzenden des Deutschen Ruderverbands. Er wirft der Verbandsspitze vor, Sicherheitsthemen einfach wegzuschieben.

Von Christian Deussing

Bernd Fleischmann ist im Rudersport als Mahner dafür bekannt, dass man noch mehr auf die Sicherheit auf dem Wasser achten sollte. Der Ausbilder ist ehemaliges Mitglied der Ruder-Nationalmannschaft und prangert an, dass es in der gültigen Sicherheitsrichtlinie des Deutschen Ruderverbands (DRV) eine "gefährliche Sicherheitslücke" gebe, die bereits zwei Kindern das Leben gekostet habe - im April 2013 auf der Hamburger Außenalster und zwei Jahre später auf dem Starnberger See, in dem der Münchner Gymnasiast Leo ertrunken war. Fleischmann hat jetzt wegen "Satzungsverstößen" gegen den DRV und seinen neuen Vorsitzenden Moritz Petri aus Schäftlarn eine Zivilklage eingereicht. Der Grund: Sein Antrag auf sicherheitsrelevante Punkte, dass "minderjährige Ruderer im Ruderbetrieb während der Kaltwasserzeit verbindlich eine Rettungsweste" tragen müssten, sei am 65. Deutschen Rudertag vor einigen Monaten in Schweinfurt "satzungswidrig nicht behandelt" und willkürlich von der Tagesordnung abgesetzt worden.

Fleischmann hatte auch ein privates Gutachten zum Ruderunglück auf dem Starnberger See für die Eltern erstellt, deren 13-jähriger Sohn Leo am 19. April 2015 bei einem Rudertraining für eine Schülergruppe in einem Einer-Boot als Anfänger ohne Begleitung und ohne Rettungsweste bei böigem Wind auf dem See abgetrieben wurde und im acht Grad kalten Wasser ertrank. Er war das einzige Kind des Ehepaars, das in dem Prozess als Nebenkläger auftrat. Die beiden damaligen Übungsleiter vom Münchener Ruder-Club (MRC) in Starnberg, bei dem Petri seit 15 Jahren Mitglied ist, waren im vorigen Jahr vom Amtsgericht Starnberg wegen "fahrlässiger Tötung durch Unterlassen" zu je 90 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt worden. Zuvor hatten die angeklagten Betreuer bereits 10 000 beziehungsweise 35 000 Euro an gemeinnützige Organisationen gezahlt - was im Urteil berücksichtigt wurde, das mittlerweile rechtskräftig ist.

Sicherheitsvorschriften wurden am Unglückstag missachtet

Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass die Aufsichtsregeln des MRC und die Sicherheitsvorschriften des Ruderverbands an dem Kaltwassertag im April missachtet worden seien - und dieses Fehlverhalten das Leben von Leo gekostet habe. Fleischmann wirft nun jedoch dem Vorstand des Ruderverbands vor, trotz dieser Unglücksfälle "untätig zu sein und sich vorsätzlich zu weigern, die unzureichende Sicherheitsrichtlinie zu überarbeiten". Das schrieb er auch der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die für den Sport zuständig ist. Die "Regelungslücke" habe bereits mittelbar zu zwei Todesfällen von Kindern beim betreuten Rudertraining geführt, teilt Fleischmann der Ministerin in einer E-Mail mit. Er betont, dass somit der DRV in seiner Sicherheitsrichtlinie gegen Artikel 2 des Grundgesetzes verstoße, "welcher das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" gewährleiste.

Der DRV-Vorsitzende Petri weist die Vorwürfe zurück. Er sagt, dass sein Verband schon vor dem Ruderunglück auf dem Starnberger See eine Sicherheitsrichtlinie beschlossen habe. Hierbei gehe es unter anderem auch um die Analyse von Gefahrenpotenzialen in den jeweiligen Revieren und die Regeln von Fahrten minderjähriger Ruderer bei kaltem Wasser. Die Ausbilder und Betreuer sämtlicher Vereine seien angehalten, auf Sicherheitsvorschriften und -empfehlungen besonders zu achten. Der Klage von Fleischmann sieht der 40-jährige Jurist gelassen entgegen, da er keine Satzungsverstöße erkennen könne. Denn erst nach Abstimmung der Delegierten sei am 65. Deutschen Rudertag nicht nur Fleischmanns Antrag wegen fortgeschrittener Tageszeit nicht mehr behandelt worden. Diese könnten am 29. Oktober auf dem nächsten außerordentlichen Deutschen Rudertag in Hannover erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden, erläutert Petri. Zudem versichert er, dass nach diesen tragischen Unglücken die Ausbilder und Betreuer in den Vereinen noch stärker sensibilisiert seien und "extrem auf die Sicherheit" achteten.

Der Tod ihres Sohnes war vermeidbar, sagen die Eltern

Das bestätigt Eler von Bockelmann, der Vorsitzende des MRC in Starnberg. Er verweist auch darauf, dass das Rudertraining für die Schülergruppe, bei dem das schreckliche Unglück passiert ist, nicht unter der Regie des Vereins geführt worden sei. Er haben nie verstanden, sagt der Ruderpräsident, warum die beiden erfahrenen Betreuer die Vorgaben unbeachtet ließen, Leo nicht im Blick behielten und diesem der Einer zugewiesen wurde. Bei der Kaltwasserzeit bis etwa Ende April seien aber im Kinder- und Jugendtraining (U 19) Rettungswesten verpflichtend. Kein Verein könne aber dies alles kontrollieren, Unglücke ereigneten sich durch "individuelle Fehler", erklärt der MRC-Vorsitzende.

Nach Tod des 13-jährigen Leo: Bei der Suche nach dem vermissten Leo wurde 2015 auch ein mit Sonar ausgerüstetes Boot eingesetzt. Dieses spürte letztlich auch die Leiche des verunglückten Jungen auf.

Bei der Suche nach dem vermissten Leo wurde 2015 auch ein mit Sonar ausgerüstetes Boot eingesetzt. Dieses spürte letztlich auch die Leiche des verunglückten Jungen auf.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Eltern von Leo hatten jahrelang um eine juristische Aufarbeitung des Starnberger Ruderunglücks und um Klärung der Schuldfrage gekämpft, nachdem das Verfahren zunächst gegen Geldauflagen eingestellt werden sollte. Denn für sie war der Tod ihres Sohnes vermeidbar und weder Zufall, noch Schicksal oder sein eigenes Verschulden gewesen. Das hat auch das Amtsgericht in dem Prozess festgestellt, der mit einem Schuldspruch gegen die zwei Übungsleiter endete. Die Eltern wollen aber vor allem eines: dass sich im Rudersport, insbesondere mit Schülern, so eine Tragödie nie wiederholt.

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