Ruderunglück auf Starnberger See:Amtsgericht legt Leos Tod zu den Akten

Starnberg, Magda-Lia Bloos

Magda-Lia Bloos trauert um ihren Sohn Leo, der erst sechs Tage nach dem Ruderunglück vor fast fünf Jahren auf dem Starnberger See aus 35 Meter Tiefe geborgen wurde. Die 50-Jährige hofft weiterhin auf einen Prozess, der aufklären und helfen soll, dass ein solches Unglück nie wieder passiert.

(Foto: Georgine Treybal)

Der 13-Jährige war beim Rudertraining ertrunken. Nun wird das Strafverfahren gegen die damaligen Betreuer eingestellt. Leos Mutter ist fassungslos.

Von Christian Deussing

Magda-Lia Bloos ist fassungslos: Ihr Sohn Leo ist am 19. April 2015 im Alter von 13 Jahren beim Rudertraining auf dem Starnberger See im acht Grad kalten Wasser ertrunken und nun hat das Amtsgericht entschieden, das Strafverfahren gegen die beiden Betreuer der Schulgruppe gegen Geldauflagen einzustellen - und keinen Prozess zu führen. Trotz aufwendiger Ermittlungen und verschiedener Gutachten sei der tatsächliche Ablauf des eigentlichen Unfalls nicht vollständig zu klären gewesen, teilt das Amtsgericht mit. Den beiden Übungsleitern - ein heute 53-jähriger Medizin-Professor und ein 70 Jahre alter Privatdozent - hatte die Staatsanwaltschaft München II fahrlässige Tötung durch Unterlassen vorgeworfen, weil sie gegen die Aufsichtspflicht und gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hätten.

Nach der Aktenlage bestehe zwar ein "hinreichender Tatverdacht", betont ein Gerichtssprecher. Es sei aber nicht davon auszugehen, dass die damaligen Betreuer eine derart schwere Schuld treffe, dass diese einer Einstellung des Verfahrens entgegenstehen würde. Die Angeklagten, die dem Vernehmen nach 50 000 Euro und 12 000 Euro zahlen sollen, hätten dieser Einstellung zugestimmt. Zudem habe nach Auffassung des Gerichts auch die Staatsanwaltschaft München II diesem Vorgehen "wirksam und unwiderruflich zugestimmt", heißt es.

Dem widerspricht jedoch die Anklagebehörde und verweist darauf, Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung eingelegt zu haben. Denn nach hiesiger Rechtsauffassung sei die Zustimmung nicht erteilt worden, erklärt Andrea Mayer, Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft. Sollte das Amtsgericht der Beschwerde nicht abhelfen, müsse das Landgericht München II darüber entscheiden. Die Strafverfolger hatten bereits im November 2015 vor dieser Instanz die Anklage erhoben, der Fall wurde aber wegen terminlicher Überlastungen Ende 2018 dem Starnberger Amtsgericht übertragen.

Auch die Anwältin Annette von Stetten, die Leos Eltern als Nebenkläger vertritt, fordert weiterhin einen öffentlichen Prozess, bei dem die Schuldfrage geklärt wird. Sie verlange eine konsequente Strafverfolgung der Justiz angesichts dieser "groben, fahrlässigen Fehler" und des somit vermeidbaren Ruderunglücks, erklärt Stetten. Dieses Verfahren gegen Geldauflagen einzustellen, sei "nicht sachgerecht". Sie verlange eine "staatliche Missbilligung" des Verhaltens der Betreuer.

Die 50-jährige Mutter des Münchner Gymnasiasten versucht weiter den Verlust ihres einzigen Kindes zu verkraften, das sie mit ihrem Ehemann den erfahrenen Betreuern beim Rudern anvertraut hatte. "Uns geht es aber in einem Prozess in erster Linie nicht um Sühne, sondern um Aufklärung und generelle Prävention, damit sich so ein Unglück im Schul- und Kinderrudern nie wieder ereignet", sagt die Dolmetscherin. Leo wäre vor wenigen Tagen volljährig geworden und hätte in diesem Jahr am Münchner Wilhelmsgymnasium sein Abitur geschrieben. Er habe "etwas mit Regie und Spezialeffekten studieren" wollen, erzählt die Mutter. Seit seinem Tod halten seine Mitschüler bei jedem Foto für das Jahrbuch auch ein Bild von Leo als Erinnerung in die Kamera.

Die Ermittlungen der Kripo und zwei Gutachten belasten die Betreuer, die damals beim Münchener Ruder-Club (MRC) aktiv waren und an dem Unglückstag mit einer größeren Schülergruppe auf dem See unterwegs waren. Es habe ein böiger Wind geherrscht, es sei wellig und das Wasser eiskalt gewesen, berichtet Bernd Fleischmann, einer der beiden Sachverständigen. Der 13-Jährige habe ohne Rettungsweste und Handy in einem für ihn ungeeigneten Einerboot gesessen und habe weit entfernt von der Gruppe seine Kreise ziehen sollen, so Fleischmann. Dabei hätten Ausbilder Sorgfaltspflichten wie etwa den ständigen Sichtkontakt missachtet - und erst nach dem Training bemerkt, dass der Schüler gefehlt habe. "Eigentlich hätte er an dem Tag bei diesen Bedingungen und nach den geltenden Vorschriften überhaupt nicht aufs Wasser gedurft", betont der Gutachter. Er halte daher die Stellungnahme des Amtsgerichts für "zynisch", wonach der tatsächliche Ablauf des Unfalls nicht vollständig zu klären gewesen sei. In diesem Fall gehe es aber um Schuld und Verantwortung, diese seien aus seiner Sicht eindeutig erwiesen, sagt der Experte.

Das Amtsgericht führt auch an, dass der Verlust eines Kindes "zu Recht das Bedürfnis nach Aufklärung, Sanktion und Sühne" auslöse. Es sei aber zu berücksichtigen, dass der tödliche Unfall und das Ermittlungs- und Strafverfahren auch für die Angeklagten eine "nicht unerhebliche persönliche Belastung" darstellten.

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